Der Papst geht, und zum Vorschein kommt ein Mönch
“Papst im Widerspruch”, Leseprobe 3
Bei Benedikt XVI. war immer da “diese unauflösliche Verbindung von eigener Schwäche und kraftvoller Anrede durch Christus”
– Leseprobe 3 aus dem Buch “Papst im Widerspruch” von Alexander Kissler
Vatikan, kath.net, 25. März 2013
Leseprobe aus dem Buch “Papst im Widerspruch” von Alexander Kissler:
Immer war da diese unauflösliche Verbindung von eigener Schwäche und kraftvoller Anrede durch Christus. “Der Träger des Petrusamtes”, erklärte er im Mai 2005, “muss sich bewusst sein, dass er ein zerbrechlicher und schwacher Mensch ist – wie seine eigenen Kräfte zerbrechlich und schwach sind –, der ständiger Läuterung und Umkehr bedarf. Aber er darf sich auch dessen bewusst sein, dass er vom Herrn die Kraft erhält, seine Brüder im Glauben zu stärken.” Auch das war keine rhetorische Volte, sondern wiederum die Wahrheit über das Amt und über den Menschen, der in dieses Amt kam und nicht so recht weiss, wie ihm derlei geschehen konnte.
Er teilt damit die Erfahrung der lebenslang bewunderten Parallelgestalt, des heiligen Augustinus. Der Bischof von Hippo schrieb unmittelbar nach seiner Weihe nieder, was der 265. Bischof von Rom denken sollte: “Ich fühle mich wie jemand, der nicht rudern kann und doch zum zweiten Steuermann ernannt worden ist. Das war auch der Grund, weshalb ich im Stillen bei meiner Weihe geweint habe.” Benedikt zitierte dieses Bekenntnis im April 2007 und schrieb sich selbst hinein: “Der schöne Traum des beschaulichen Lebens war zerrissen, das Leben Augustins von Grund auf geändert. Nun konnte er sich nicht mehr allein der Meditation in der Einsamkeit widmen.”
Damit war benannt, wie das Leben des Joseph Ratzinger nach seiner Demission aussehen sollte. Benedikt zieht sich zurück zur Meditation in der Einsamkeit. Der Papst legt die Gewänder ab, lässt den Ring des Fischers zertrümmern, und zum Vorschein kommt: ein Mönch. Alle Weltlichkeit soll ein Ende haben, alles Reden auch. Da wird nur noch Stille sein.
Joseph Ratzinger taucht ganz ein in jene Atmosphäre, die er als Papst so oft so sehnsuchtsvoll ausdrückte, am schönsten in der Kartause Serra San Bruno in Kalabrien. Dort, bei den schweigenden Mönchen des heiligen Bruno, schwärmte der Papst des Wortes im Oktober 2011 von der Stille: “Wenn sich der Mensch in die Stille und Einsamkeit zurückzieht, setzt er sich in seiner Nacktheit sozusagen der Wirklichkeit (…) aus, um (…) die Anwesenheit Gottes, die Fülle der realsten Wirklichkeit, die es geben kann und die jede sinnlich wahrnehmbare Dimension übersteigt, zu erleben. Eine Anwesenheit, die in jedem Geschöpf wahrnehmbar ist: in der Luft, die wir einatmen, im Licht, das wir sehen und das uns wärmt, im Gras, in den Steinen …”
Benedikt wusste: Fast alles menschlich Grosse wird in der Stille geboren.
Zum Interview mit Alexander Kissler über das Buch “Papst im Widerspruch”: “Benedikt XVI. war durch und durch modern”
kath.net-Lesetipp:
Papst im Widerspruch – Benedikt XVI. und seine Kirche 2005-2013 – Von Alexander Kissler Gebundene Ausgabe: 304 Seiten Pattloch 2013 ISBN-13: 978-3629022158 Gebundene Ausgabe: € 20.60 eBook: € 18.20
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