Der Dialog ist verfahren

Nicht der “Dialog” als solcher ist schlecht

Sondern die Weise, wie dieser in vielen Fällen geführt wird. Ein Kommentar von Michael Gurtner

Salzburg, kath.net, 9. Januar 2013

Seit Jahrzehnten hat es sich in der katholischen Kirche als eine Art Allheilmittel eingebürgert, sämtliche Probleme, Gegensätze und Forderungen mit einem “Dialog” lösen zu wollen. Nach Jahren und Jahrzehnten solcher “Dialoge” sollte man wohl auch einmal betrachten, ob diese Dialoge auch wirklich aus Sicht der Kirche zielführend sind, oder o sie die Probleme nicht doch eher verschleppen und verlagern.

Zunächst einmal ist festzuhalten, dass Dialoge als solche Gespräche sind. Diese sind gewiss an sich nichts Schlechtes, ja für die Verbreitung des Glaubens geradezu notwendig. In der Kirche muss immer gelten, dass prinzipiell jede Frage gestellt werden darf, solange sie aufrichtig ist und auf eine ehrliche Suche nach der Wahrheit abzielt. Wo diese Voraussetzung jedoch nicht gegeben ist, wird auch die Behandlung der Fragen sinnlos.

Nun hat man es allerdings nicht nur mit (ehrlichen) Fragen zu tun, sondern viel öfters mit Forderungen und Behauptungen, immer häufiger auch mit gesetzten Tatsachen, welche dem Glauben der Kirche, welcher die von Gott gesetzte Wahrheit in Wort und Tat ausdrückt, widersprechen. Mitunter kleiden sich solche Forderungen auch in das Gewand der Frage, beispielsweise wenn es immer wieder heisst, man müsse die Frage nach der Möglichkeit der Weihe von Frauen zu Diakonen eingehender studieren, wobei damit jedoch eigentlich gemeint ist, man müsse solange darüber reden, bis man das erwünschte Ziel erreicht hat, Frauen das Weihesakrament zu erteilen. Ähnlich verhält es sich mit anderen Themen, wie etwa mit der Thematik der Kommunionspendung, dem Zölibat, der Laienpredigt und der Pfarrleitung durch Laien.

Die Dialogmöglichkeiten in ihrem eigentlichen Sinne sind hier sehr begrenzt und gehen nicht sehr weit über die theologische Darlegung des Sachverhaltes heraus. Man muss so ehrlich sein und das eingestehen, auch wenn es manche enttäuschen mag, oder aber am Aufgabenbereich des einen oder anderen kratzen mag. Was jedoch vermittelt wird, wenn man davon spricht mit denjenigen, welche diese und ähnliche Dinge fordern, in einen “Dialog” treten zu wollen ist, dass es in diesen geforderten Dingen irgendwann eine Wende gäben könnte, und man für eine solche prinzipiell auch bereit wäre. Da den klassischen “Dialogs-Themenkreisen” theologische Sachverhalte zugrundeliegen, sind diese nicht verhandelbar. Ist deren Theologie erst einmal dargetan, kann man zwar immer wieder von vorne beginnen diese zu erörtern wobei man neue Akzente und Schwerpunkte in der Symphonie der Gesamtthematik setzen kann (man kann eine Sache beispielsweise einmal mehr christologisch, ein anderes Mal eher soteriologisch angehen etc.), aber in der Sache selbst kann sich nichts ändern, weil es hierbei nicht um Organisation, Disziplin, Struktur oder Konvention geht, sondern um den Willen Gottes, der uns in der Offenbarung dargetan ist, und aus welchem sich zahlreiche Konsequenzen ergeben, welche für die Kirche bindend sind.

Daneben gibt es zwar sehr wohl Bereiche, welche nicht im strengen Sinne absolut dogmatisch bindend sind, welche aber dennoch Kategorien wie “richtig” oder “falsch”, “förderlich” oder “abträglich” angehören.

Mit diesen Feststellungen ist mitnichten gemeint, dass es sinnlos oder gar schlecht wäre auch mit jenen im Gespräch zu bleiben, welche Forderungen und Erwartungen haben, welche unerfüllbar sind und der kirchlichen Doktrin entgegenstehen. Doch es ist sehr wohl sinnlos, ja gar schädlich, wenn diese Gespräche in falscher Weise abgehalten werden. Nicht “Dialog” als solcher ist also schlecht, sondern die Weise wie dieser in vielen Fällen geführt wird. Was nicht erfüllbar ist, weil es der göttlichen Offenbarung der Wahrheit entgegensteht, muss auch offen und klar so gesagt werden, womit in gewisser Weise auch ein Schlusspunkt der Debatte gesetzt wird. Es geht hierbei nämlich nur sehr marginal um Diplomatie (höchstens insofern die geeigneten äusseren Formen gewählt werden, die konkreten Gesprächspartner etc.), aber die eigentlichen Inhalte der Gespräche sind vom Glauben der Kirche vorgegeben: dieser muss klar und deutlich dargelegt werden, und zwar mit einer klaren, ganz und gar “undiplomatischen” Sprache, welche möglichst keine Interpretationsspielräume lässt, sondern die Dinge zwar freundlich und wohlwollend, aber ohne jegliche Abstriche und eindeutig, logisch stringent und Schritt für Schritt darlegt.

Auch darf man sich nicht darauf verengen, allein Gemeinsamkeiten oder eventuell enthaltene positive Ansätze zu beachten, und “das Verbindende über das Trennende zu stellen”, da ja gerade in diesen trennenden Bereichen das Übel liegt. In einem ehrlichen Gespräch das “auf Augenhöhe” stattfindet muss alles offen ausgesagt werden, das Gute ebenso wie das Schlechte. Sieht man im Gegenüber einen vollwertigen Gesprächspartner, so ist es nur ehrlich und letztlich auch wertschätzend, ihm den gesamten Sachverhalt zuzutrauen. Es darf in Dialogen nicht darum gehen, das Gespräch so lange als möglich aufrecht zu erhalten, so als ob dieses ein Selbstwert wäre, oder aber als ginge es allein darum, gute zwischenmenschliche Beziehungen zu stabilieren, sondern um den jeweils von der Sache her geforderten Inhalt möglichst kompakt, aber zugleich auch ausführlich und verständlich vom Glauben der Kirche her zu vermitteln. Wird diese Notwendigkeit missachtet, so werden die unerfüllbaren Erwartungen nur gefördert und falsche Hoffnungen geschürt. Falsch geartete Dialoge mögen zwar zwischenmenschlich Sympathien erwecken, allerdings lösen sie die Probleme nicht sondern verschärfen diese auf lange Sicht, da man irgendwann sagt: “jetzt reden wir schon so lange über dasselbe, aber geändert hat sich noch immer nichts – also tun wir einfach”.

Ein weiteres Risiko in zu langen und mit mangelnder Klarheit geführten Dialogen ist darin gelegen, dass man die Sache gleichsam “zerredet” und sich die klare Lehre nach und nach in Kompromissformulierungen umwandelt, welche nicht mehr in der Lage sind, die Doktrin vollumfänglich und unzweideutig zu vermitteln, wodurch die Lehre nach und nach ausgehöhlt wird, bis irgendwann nur mehr leere Phrasen übrig sind, welche zwar vielleicht nicht direkt falsch sind, aber umgekehrt auch nicht die nötigen Inhalte vermitteln, welche eigentlich zu vermitteln wären. Letztlich geht der Glaube der Menschen selbst dabei verloren – vielleicht nicht allein wegen solchen Fehlern in der Glaubenskommunikation, aber bestimmt auch wegen dieser. Um dieser Gefahr vorzubeugen ist es unerlässlich, Dialog nicht um seiner selbst willen zu betreiben, sondern als Mittel zum Zweck der Korrektur irriger Lehren, sowie diesen auch gewissermassen zu begrenzen, indem man ihn nicht ungebühr in die Länge zieht und immer wieder neu aufwärmt.
Seiner Eminenz Walter Kardinal Brandmüller ist absolut zuzustimmen, wenn er in seiner Predigt anlässlich der Abschlussmesse des Kongresses “Freude am Glauben” am 16.9.2012 in Aschaffenburg diesbezüglich sagte – es sind Worte, welche nochmals wiederzugeben sich lohnt:

“… In diesem Zustand der Lähmung und Schwäche, in dem zumal der deutsche Katholizismus sich seit Jahrzehnten dahinschleppt, sind wir nicht in der Lage, den elementaren Sendungsauftrag zu erfüllen: Geht, verkündet das Evangelium, macht alle Menschen zu meinen Jüngern, denn: wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet! Vom Dialog ist im ganzen Evangelium mit keinem Wort die Rede. Zeugnis geben vom Heil, das Christus gebracht hat, Verkündigung seiner Botschaft – das ist das Gebot auch unserer geschichtlichen Stunde.

Wie dies geschehen kann, fragen wir? Eine Klarheit der Begriffe und Übereinstimmung mit der Lehre der Kirche ist von den Lehrern der Theologie, dem Religionsunterricht, der Predigt und Erwachsenenbildung zu fordern. Die modernen Kommunikationsmedien sind in den Dienst der Verkündigung zu nehmen und dergleichen mehr.”

Dialog hat seiner Natur nach zunächst einmal vor allem mit Worten zu tun. Auf Worte müssen aber auch Taten folgen. Werden die falschen Worte gewählt, so folgen zwangsläufig auch falsche Taten und Konsequenzen. Den rechten Worten muss jedoch die Umsetzung und gegebenenfalls die Wiederherstellung der rechten, glaubensgemässen Ordnung folgen. Geschieht dies, so war der Dialog sinnvoll weil fruchtbar. Geschieht dies nicht, so war er vermutlich schädlich, jedenfalls aber sinnlos und man hätte Zeit und Energie besser anders investiert.

Wagen wir einen Blick in die jüngste Dialoggeschichte, so müssen wir nüchtern feststellen, dass man wohl viel Dialog geführt hat, aber die Probleme haben sich beständig weiterentwickelt und sind angeschwollen. In den 90er Jahren hat sich aus dem sogenannten Kirchenvolksbegehren die “Plattform Wir sind Kirche” entwickelt. Dies führte in weiterer Folge 1998 zum sogenannten “Dialog für Österreich”, bei welchem 300 Delegierte über persönliche Wünsche abstimmten, welche zu einem guten Teil von vorne herein theologisch aussichtslos waren, und die Bischöfe als Lautsprecher und Postboten in Rom benutzten. Viele der Formulierungen waren zwar in sich nicht völlig falsch, aber implizierten Falsches (berühmtes Beispiel ist hierfür der Slogan “Frohbotschaft statt Drohbotschaft” oder auch die “Positive Bewertung der Sexualität”, wobei das, was darunter konkret gemeint ist, mit der verbindlichen Lehre der Kirche nicht in Einklang zu bringen ist).

Ernsthafte Konsequenzen blieben aus, auch nachfolgende Theologen- und Professorenmemoranden hatten keine Konsequenzen für die betroffenen Unterstützer, ebensowenig wie für die Pfarrer-Initiative und deren Aufruf zum Ungehorsam. All diese Bewegungen haben, von Österreich ausgehend, internationale Ableger gefunden. Anstatt zu handeln führt man weiter Dialog, und das obwohl sogar der Heilige Vater selbst in einer international übertragenen Predigt in Rom in einem beispielslosen Akt auf die Missstände in Österreich eingegangen ist. Man fährt weiterhin damit fort, alles einem “Dialog” zuzuführen. Unzähliger solcher Dialoge sind mittlerweile im Gange. Doch der Dialog ist verfahren und sollte deshalb nicht einfach so weitergeführt werden. Auch hier gilt wieder: es ist nicht der Dialog als solcher welcher schlecht wäre, allerdings kann man sich des Eindruckes nicht erwehren, dass es an Klarheit in den Antworten und Entschiedenheit im Vorgehen mangelt. Der gute Hirte wird den Seinen immer nachzugehen versuchen. Deshalb wird er in einem ersten Schritt die näheren Beweggründe in Erfahrung bringen wollen, um so besser zu wissen, wo er bei seinen Erklärungen ansetzen muss und worin die Gründe der verfehlten Meinungen und Forderungen genau gelegen sind. Anschliessend wird er darum besorgt sein, die “umher irrenden Schäfchen” wieder auf den rechten Weg zu geleiten und ihnen, falls sie von ihren Irrwegen ablassen, die Strafen nachlassen, um sich anstatt dessen über die Heimkunft der verlorenen Söhne zu festlich zu freuen. Doch wollen sie den Irrweg nicht verlassen, so wird er nicht darüber hinwegsehen können, dass er der Hirte aller ist, und nicht nur der Irrenden. Er wird die Gläubigen in ihrem kirchengemässen Glauben schützen wollen und müssen, indem er sie mit allen ihm von der Kirche zur Verfügung gestellten Mitteln davor zu bewahren versucht, dass die verirrten Schäfchen weitere auf ihre Irrwege führen. Seine Hirtenpflicht verlangt es von ihm, die ihm anvertrauten vor den Irrtümern zu schützen – etwa auch durch Suspension und ähnlichen Massnahmen – auch wenn er selbst dafür von der Masse gegen welche er sich stellt geprügelt werden sollte. Er wird dies nicht tun, um seine Macht (die heute im Übrigen ohnedies nicht mehr besteht) zu demonstrieren, sondern weil es die Sache selbst verlangt, weil es im letzten um den rechten, d.h. gottgemässen Glauben und damit verbunden um das Heil der Seelen geht.

Dabei kommen uns die Worte des regierenden Papstes in den Sinn, welche er zu Epiphanie über die Aufgaben des Bischofs in unserer Zeit predigte:

Wie sollten wir bei einer solchen Situation nicht an die Aufgabe eines Bischofs in unserer Zeit denken? Die Demut des Glaubens, des Mitglaubens mit dem Glauben der Kirche aller Zeiten wird immer wieder in Konflikt geraten mit der herrschenden Klugheit derer, die sich ans scheinbar Sichere halten. Wer den Glauben der Kirche lebt und verkündet, steht in vielen Punkten quer zu den herrschenden Meinungen gerade auch in unserer Zeit. Der heute weithin bestimmende Agnostizismus hat seine Dogmen und ist höchst intolerant gegenüber all dem, was ihn und seine Massstäbe in Frage stellt. Deshalb ist der Mut zum Widerspruch gegen die herrschenden Orientierungen für einen Bischof heute besonders vordringlich. Er muss tapfer sein. Und Tapferkeit besteht nicht im Dreinschlagen, in der Aggressivität, sondern im Sich-schlagen-Lassen und im Standhalten gegenüber den Massstäben der herrschenden Meinungen. Der Mut des Stehenbleibens bei der Wahrheit ist unausweichlich von denen gefordert, die der Herr wie Schafe unter die Wölfe schickt. “Wer Gott fürchtet, zittert nicht”, sagt das Buch Jesus Sirach (34, 16). Gottesfurcht befreit von der Menschenfurcht. Sie macht frei.”

Der Bischof (und mit ihm jeder Kleriker!) ist also derjenige, welcher die Wahrheit zu hüten hat. Er muss den Glauben der Kirche verkünden – und dieser wird in der heutigen Situation sehr wahrscheinlich im Konflikt zu den vorherrschenden Meinungen stehen. Doch genau in diese dem Glauben der Kirche nicht entsprechende Meinung hinein muss er deutlich die und unverkürzte, unangepasste Wahrheit des Glaubens sprechen, auch wenn er dafür Kritik erntet. Darin muss der Inhalt bestehen, wenn man den derzeit verfahrenen Dialog wieder aus dem Schlamm ziehen möchte. Mit Goethe ist man geneigt zu sagen: “Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich auch endlich Taten sehn; indes ihr Komplimente drechselt, kann etwas Nützliches geschehn.”

Mag. theol. Michael Gurtner ist katholischer Theologe aus der Erzdiözese Salzburg

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