Dem Konzil verpflichtet

Am Samstag empfängt der Dogmatiker Rudolf Voderholzer in Regensburg die Bischofsweihe

– Ein Porträt des neuen Oberhirten. Von Michael Karger

München, Die Tagespost,

2Der Rohbau war schon ziemlich weit gewachsen; es regnete, aber zugleich war es eine Stunde der Hoffnung und des Neubeginns unter dem Schutz des heiligen Korbinian. Schon war entschieden, dass ich München zu verlassen hatte, aber ich war doch froh und dankbar, dass das Haus bereits wuchs, in dem die kommenden Generationen von Münchener Priesteramtskandidaten sich inwendig auf den Weg zum Dienst für das Evangelium machen würden.”

Mit diesen Worten erinnerte sich Papst Benedikt XVI. unlängst in einem Brief an die Seminaristen der Erzdiözese München und Freising daran, wie er als Erzbischof am 20. November 1981 den Grundstein für das neue Priesterseminar in Schwabing gelegt hat. Seit der Schliessung von Seminar und Hochschule in Freising 1968 hatte das Erzbistum kein eigenes Haus für die Priesterausbildung. Vorstand und ein Teil der Seminaristen waren provisorisch im Herzoglichen Georgianum gegenüber der Universität untergebracht. Ein Herzenswunsch von Kardinal Ratzinger ging mit dem Neubau des Seminars in Erfüllung. Er setzte damit ein Zeichen für die Bedeutung des Priesteramtes in der nachkonziliaren Kirche und für eine eigenständige Ausbildung.

Unter den Seminaristen, die an der Grundsteinlegung am Korbinianstag 1981 teilnahmen, war auch der damals zweiundzwanzigjährige Rudolf Voderholzer. Am 6. Dezember ernannte ihn Papst Benedikt zum Bischof von Regensburg. Heute empfängt er die Weihe. Rudolf Voderholzer werde ein Bischof ganz aus dem Geiste des Konzils sein, sagte der Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre, Kurienerzbischof Gerhard Ludwig Müller, unmittelbar nach Bekanntwerden der Ernennung des Trierer Theologieprofessors zu seinem Nachfolger auf dem Regensburger Bischofsstuhl. Voderholzer, 1959 in München geboren, war bei Konzilsbeginn drei Jahre alt. Seine Kirchenerfahrungen sind gänzlich nachkonziliar geprägt. Im Münchener Stadtteil Sendling wohnte das Lehrerehepaar Voderholzer mit seinen vier Kindern in einer kleinen Etagenwohnung. Ihr ältester Sohn Rudolf war Ministrant in der Pfarrkirche St. Margareth und besuchte das Dante-Gymnasium.

Voderholzers bereits verstorbener Vater war ein Altbayer aus der Nähe von Dorfen, seine Mutter ist eine Heimatvertriebene aus dem Sudetenland. Nach Abitur und Wehrdienst als Sanitätssoldat in München trat Voderholzer in das Priesterseminar der Erzdiözese ein. Parallel zum Theologiestudium an der Universität absolvierte Voderholzer ein Philosophiestudium an der Hochschule der Jesuiten in der Kaulbachstrasse. Sein Philosophiestudium schloss Voderholzer 1985 mit dem Magister artium und ein Jahr später das Theologiestudium mit der Diplomprüfung ab. Mit seiner Diplomarbeit über den französischen Philosophen Maurice Blondel (1861–1949) war Voderholzer mit einem der geistigen Väter des Konzils beschäftigt. Blondel wies den Weg aus der Krise der Kirche, die man mit dem Begriff “Modernismusstreit” bezeichnet. Auf die Priesterweihe 1987 durch Kardinal Wetter folgten Kaplansjahre bis 1991 an den Stationen Traunreut, Haar und Zorneding.

Nach seinem Pfarrexamen wurde Voderholzer von Professor Gerhard Ludwig Müller eine Assistentenstelle am Lehrstuhl für Dogmatik an der Theologischen Fakultät in München angeboten. In seiner Doktorarbeit widmete sich Voderholzer dem französischen Jesuitentheologen Henri de Lubac. Lubac war Konzilsberater und darüber hinaus der entscheidende Wegbereiter des Denkens, das auf dem Konzil die Enge der neuscholastischen Schultheologie endgültig aufgebrochen hat. Offenbarung ist für Lubac ein lebendiges Geschehen: Christus der Offenbarer teilt sich den Glaubenden mit. Von den Einsichten des Jesuiten Lubac, den Johannes Paul II. zum Kardinal ernannte, ist Voderholzer zutiefst geprägt. 1998 wurde er mit der Arbeit “Die Einheit der Schrift und ihr geistiger Sinn. Der Beitrag von Henri de Lubac zur Erforschung von Geschichte und Systematik christlicher Bibelhermeneutik” promoviert.

Da die Einsichten von Lubac über das personale Offenbarungsverständnis mit Christus als der Offenbarungsquelle die von Schrift und Tradition bezeugt wird, vom Zweiten Vatikanischen Konzils in die Lehrverkündigung der Kirche aufgenommen worden ist, lag es nahe, dass sich Voderholzer in seiner Habilitationsschrift mit der Offenbarungskonstitution “Dei Verbum” befasste. Seine Arbeit “Offenbarung und Exegese. Studien zur Vorgeschichte und zur Rezeption der dogmatischen Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei Verbum des Zweiten Vatikanischen Konzils” (2004) begründet unter anderem die Berechtigung der historisch-kritischen Exegese, da die Schrift selbst als Offenbarungszeugnis historischen Charakter hat und aus der Tradition hervorgeht.

Von hierher wurde der wissenschaftliche Arbeitsschwerpunkt von Voderholzer die Bibelhermeneutik, aber eben im Sinne der Christozentrik des Konzils. Nach einem Lehrauftrag in Fribourg in der Schweiz (2003–2004), wurde er auf den Lehrstuhl für Dogmatik der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Trier berufen. Von Beginn seiner Lehrtätigkeit an betreute Voderholzer die Pfarrgemeinde St. Nikolaus in Kasel an der Ruwer. Papst Benedikt XVI. beauftragte 2008 den Regensburger Bischof Müller mit der Herausgeberschaft seines gesamten theologischen Schrifttums. Bischof Müller gründete zu diesem Zweck das Institut Papst Benedikt XVI. mit Sitz in Regensburg und ernannte Rudolf Voderholzer zu seinem Gründungsdirektor. Hauptaufgabe des Instituts ist die Publikation der insgesamt sechzehn Bände umfassenden Werkausgabe “Joseph Ratzinger Gesammelte Schriften”.

Bereits 2008 konnten alle Einzelpublikationen des Papstes zur “Theologie der Liturgie” (Band 12) im Druck erscheinen. Die Habilitationsschrift des Papstes “Offenbarungsverständnis und Geschichtstheologie Bonaventuras” (Band 2) etwa wurde 2009, fünfzig Jahre nach ihrer Entstehung, erstmals vollständig gedruckt. Zum Konzilsjubiläum konnte gegen Ende des vergangenen Jahres “Die Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils. Formulierung – Vermittlung – Deutung” in zwei umfangreichen Teilbänden erscheinen (Band 7/1 und Band 7/2). In sein Bischofswappen hat Voderholzer ein aufgeschlagenes Buch mit den griechischen Buchstaben Alpha und Omega und eine Brücke aufgenommen. Beides ist christologisch zu verstehen: Ich bin das Alpha und das Omega“ sagt Christus über sich, „der ist und der war und der kommen wird, der Herr über die ganze Schöpfung“ (Offb 1, 8).
In ihren beiden Teilen bezeugt die Heilige Schrift Christus den Offenbarer. Der Brückenbauer (Pontifex) ist in erster Linie Christus selbst. Er ist die Brücke zwischen Gott und Mensch. Von Christus her werden Papst (Romanus Pontifex) und Bischöfe wegen ihres sakramentalen Amtes Brückenbauer genannt. Dies ist auch die Lehre des Konzils: “In den Bischöfen, … ist also inmitten der Gläubigen der Herr Jesus Christus, der Hohepriester (Pontifex Summus), anwesend. … vorzüglich durch ihren Dienst verkündet er allen Völkern Gottes Wort und spendet den Glaubenden immerfort die Sakramente des Glaubens” (Lumen gentium 21).

Der neue Bischof von Regensburg lebt aus der trinitarisch grundgelegten Christo-zentrik des Konzils: Christus ist der Offenbarer des Vaters im Heiligen Geist und der einzige Heilsmittler. Er sieht die Kirche als Sakrament von der eucharistischen Versammlung her, in der sie wahrhaft Volk Gottes wird durch die Einheit mit Christus ihrem Herrn. Hier hat der Ausruf des Apostels Paulus seinen Sitz im Leben: “Christus ist unter euch, er ist die Hoffnung auf Herrlichkeit” (Kol 1, 27). Dieses Wort hat Bischof Rudolf als Wappenspruch gewählt. In der letzten Generalversammlung des Zweiten Vatikanischen Konzils am 6. Dezember 1965 erhielten alle Konzilsväter von Papst Paul VI. einen schlichten goldenen Ring. Auf dem Ring ist Christus mit den Aposteln Petrus und Paulus dargestellt. Auf der Innenseite befindet sich das Wappen des Papstes. In seinem Begleitschreiben forderte Paul VI. die Bischöfe auf, die Konzilsbeschlüsse in ihren Ortskirchen umzusetzen. Der im Jahr des 50-jährigen Konzilsjubiläums von Papst Benedikt XVI. zum Bischof von Regensburg ernannte Rudolf Voderholzer trägt einen solchen Konzilsring als fortwährende Erinnerung an seine Selbstverpflichtung auf das wahre Erbe des Konzils.

Bistum Regensburg
Silbernes Priesterjubiläum, Professor R. Vorderholzer
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Institut Papst Benedikt XVI.:  Gesammelte Schriften 

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