Vor 100 Jahren wurde Otto von Habsburg geboren
Kaisersohn und späterer Europa-Politiker stand im Brennpunkt geschichtlicher Umwälzungen
Papst und Kardinäle Schönborn und Marx würdigten den “grossen Europäer” nach dessen Tod im Juli 2011
Wien, kath.net/KAP, 20. November 2012
Vor 100 Jahren, am 20. November 1912, wurde Otto Habsburg-Lothringen geboren. Oder – wie ihn Papst Benedikt XVI. in einem Beileidtelegramm anlässlich seines Todes am 4. Juli 2011 titulierte – “S.k.k.H. Erzherzog Otto von Österreich”. Auch dass der Sohn des seliggesprochenen letzten österreichischen Kaisers Karl I. die Staatsbürgerschaften von Österreich, Deutschland und Ungarn und nach eigenen Angaben von Kroatien besass und dass nach seinem Ableben Requien in seinem Sterbeort Pöcking am Starnberger See, in München, Mariazell, Wien, Budapest und Zagreb gefeiert wurden, verdeutlicht, dass es sich um eine Persönlichkeit im Brennpunkt geschichtlicher Umwälzungen handelte.
Als “grossen Europäer”, der sich “unermüdlich für den Frieden, das Miteinander der Völker und eine gerechte Ordnung auf diesem Kontinent eingesetzt” habe, würdigte der Papst Otto Habsburg in dem besagten Telegramm an die Familie, die Europa prägte wie kaum eine andere. Kardinal Christoph Schönborn stellte den “Architekten des Europagedankens und der europäischen Integration” in seinem Nachruf in eine Reihe mit Robert Schuman, Konrad Adenauer und Alcide De Gasperi. Der Münchner Erzbischof Kardinal Reinhard Marx hatte im Blick auf Otto Habsburg mit dem ungebrochen gültigen Appell gemahnt, im Bemühen um das Zusammenführen der Völker Europas nicht nachzulassen: “Sein Vorbild muss uns gerade in der heutigen schwierigen Situation Europas eine Ermutigung sein.”
Vom Thronfolger zum Europaparlamentarier
Otto kam 20. November 1912 in Reichenau an der Rax als ältester Sohn von Karl I. und Zita zur Welt. Von 1916 bis 1918 war er Kronprinz Österreich-Ungarns, nach der Ausrufung der Republik ging die Familie 1919 ins Exil in die Schweiz, später nach Madeira, wo Karl I. starb. Es folgten Stationen in Spanien, Belgien und von 1940 bis 1944 in den USA. Danach lebte Otto Habsburg bis 1951 in Frankreich, dann wieder in Spanien und seit 1954 in Pöcking (Bayern). 1951 heiratete er Prinzessin Regina von Sachsen-Meiningen. Ab 1938 war Habsburg von den Nazis steckbrieflich verfolgt. Er war energischer Gegner des Anschlusses Österreichs an das Deutsche Reich. Bei Kriegsausbruch half er mehr als 10.000 NS-Verfolgten bei der Flucht nach Übersee. 1936 wurde er Mitglied der Paneuropa-Union, ab 1940 war er deren Vertreter in Washington. Habsburg knüpfte in Washington Kontakte zu wichtigen Politikern, auch zu den Präsidenten Franklin D. Roosevelt und Harry S. Truman. Er bewirkte viel Positives für Österreich, etwa indem er an der Moskauer Deklaration mitarbeitete, die für die Zeit nach dem Krieg die Unabhängigkeit in Aussicht stellte. Kritik erntete er später für seine Intervention bei Truman gegen die im April 1945 gebildete provisorische Regierung unter dem sozialdemokratischen Bundeskanzler Karl Renner. Habsburg hatte Zweifel an der Standfestigkeit Renners gegenüber den Sowjets. Auch seine anfängliche Ablehnung des Staatsvertrags war mitverantwortlich dafür, dass seine Rückkehr nach Österreich von vielen in der SPÖ heftig abgelehnt wurde. Obwohl er im Mai 1961 die im Habsburgergesetz geforderte Verzichtserklärung abgab, dauerte es mehr als fünf Jahre, bis er tatsächlich einreisen durfte, allerdings vor dem Hintergrund von Demonstrationen und Massenstreiks gegen ihn. Erst langsam beruhigte sich die Lage, da der Kaisersohn keine innenpolitischen Aktivitäten setzte. 1972 kam es zum historischen Händedruck mit Bundeskanzler Bruno Kreisky. Zehn Jahre später wurde Otto Habsburg von Bundespräsident Rudolf Kirchschläger in der Hofburg empfangen. 1973 wurde Habsburg zum Präsident der Internationalen Paneuropa-Union gewählt. Er war Schirmherr des Paneuropa-Picknicks am 19. August 1989 an der österreichisch-ungarischen Grenze bei Fertörakos/St. Margarethen, das den Fall des Eisernen Vorhanges einleitete. Der Kaisersohn war Mitglied des Europaparlaments seit dessen erster Direktwahl 1979 und blieb es bis 1999.
“Dafür habe ich gelebt”
Zahlreiche Mitglieder der Familie Habsburg mit Otto an der Spitze nahmen am 3. Oktober 2004 an der Messe am Petersplatz zur Seligsprechung von Ottos Vater Karl I. teil. Konzelebranten bei der von Johannes Paul II. geleiteten Messfeier waren u.a. Kardinal Schönborn und Kardinal Peter Erdö von Budapest-Esztergom. Schönborn war es auch, der nach dem Tod des damals 98-Jährigen an eine Begebenheit beim Mitteleuropäischen Katholikentag 2004 in Mariazell erinnerte, die bezeichnend für immer eng mit dem steirischen Marienheiligtum verbundenen Otto Habsburg gewesen sei. Damals waren knapp nach der EU-Erweiterung rund 100.000 Gläubige aus den Nachbarländern gekommen, unter ihnen die Staatspräsidenten, EU-Kommissionspräsident Romano Prodi und Otto Habsburg. “Dafür habe ich gelebt”, sagte ein fröhlicher und vom Regen durchnässter Habsburg damals, tief beeindruckt von der eben miterlebten “Wallfahrt der Völker” zur “Magna Mater Austriae”
Interview mit Otto von Habsburg
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