Kurze Erzählung vom Antichrist
Kurzbeschreibung
Der bekannteste Text des Religionsphilosophen Wladimir Solowjew liegt hier in der einzigen verfügbaren Ausgabe in deutscher Sprache vor.
Rezension Sarto-Verlag
Der russische Philosoph Solowjew zögerte nicht auszusprechen, wie es bei den vielen Menschen – trotz ihrer Vernunftbegabtheit und der oft mit Pose vorgetragenen “reinen Liebe zur Wahrheit” bestellt ist: “Sie hassen die Wahrheit deswegen, weil sie sie zu Handlungen verpflichtet, die sie nicht wollen.”
Solowjews Erzählung vom Antichristen legt die verstörenden Strukturen neuzeitlicher Offenbarungsvergessenheit auf.
“In dieser Zeit trat unter den Wenigen, die an den Geist glaubten, ein hervorragender Mensch auf – viele nannten ihn den “Uebermenschen” – der gleich weit entfernt war von der Kindlichkeit des Herzens wie von der des Geistes. Er war noch jung, doch dank seiner hohen Genialität genoss er mit 33 Jahren bereits weit und breit den Ruf eines grossen Denkers, Schriftstellers und geistigen Führers. Er erkannte seine eigene grosse Begabung, doch blieb er gleichwohl dem Geist ergeben und sein klarer Verstand liess ihn stets die Wahrheit dessen erkennen, woran man glauben müsse: an das Gute, an Gott, an den Messias. Er glaubte auch an dies alles, aber er liebte doch nur sich selber. Er glaubte an Gott, doch in der Tiefe seines Herzens zog er, unwillkürlich und ohne sich darüber klar zu sein, sich selber Gott vor, an den er dabei glaubte. Er glaubte auch an das Gute, doch das allsehende Auge der Ewigkeit wusste, dass dieser Mensch sich vor der bösen Macht beugen werde, wenn sie ihn nur zu bestechen verstehe – nicht durch Befriedigung von Gefühlen und niederen Leidenschaften und sogar nicht einmal durch die hohe Versuchung der Macht, sondern einzig und allein, indem sie sich seine grenzenlose Selbstliebe zunutze machte. Diese schien dabei durchaus nicht blosser Instinkt oder sinnlose Anmassung zu sein; denn ausser einer seltenen Genialität, Schönheit und Vornehmheit bewies dieser “Uebermensch” in höchstem Masse Enthaltung und Uneigennützigkeit. Auch übte er eine umfassende Wohltätigkeit aus, und das alles schien die gewaltige Selbstliebe dieses grossen Spiritualisten, Asketen und Philanthropen zu rechtfertigen. Wie hätte man denn auch daraus einen Vorwurf machen können, das ein so überreich mit Gottesgaben begnadeter Mensch in diesen seinen Gaben deutliche Zeichen dafür erblickte, dass ihm ein ganz besonderes Wohlwollen von oben her zuteil geworden sei und er sich für den Zweiten nach Gott hielt, für den einzigen Sohn Gottes in seiner Art? Mit einem Wort, er hielt sich für den, der in Wahrheit Christus allein ist.” (Kap.5)
Kurze Erzählung vom Antichrist
Autoren: Wladimir S. Solowjew, Ludolf Müller
Broschiert: 128 Seiten
Verlag: Sankt Ulrich Verlag; Auflage: 10., unveränderter Nachdruck (1. Januar 2009)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3879042829: amazon
ISBN-10:3-87904-282-9: buch.ch
Wladimir Solowjew
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