Stelldichein der Suizidbegleiter

“Wie viel Selbstbestimmung am Lebensende? – Das Schweizer Modell”

Die Tagespost, 13. Juni 2012, von  Stefan Rehder

In Zürich tagen derzeit die Delegierten von 55 Organisationen, die mit dem Tod anderer Menschen Geschäfte machen. Von Stefan Rehder

In Zürich, der Hauptstadt des internationalen Sterbetourismus, haben sich derzeit jene, die mit dem Tod fremder Menschen Geschäfte machen, zu einem Stelldichein der besonderen Art eingefunden. Bis zum kommenden Montag noch tagen in den Räumlichkeiten des “Swissôtel” im Zürcher Stadtteil Oerlikon die rund 100 Delegierten von 55 Organisationen, die in vielen Ländern der Erde die lebensmüden und sterbenskranken Menschen einen begleiteten Suizid offerieren. Veranstaltet wird der Kongress von der “World Federation of Right-to-Die-Societies (WFRtDS)” sowie den beiden Schweizer Organisationen “Exit Deutsche Schweiz” und “Exit Französische Schweiz”.

Für morgen, (14.06.2012) dem sogenannten “Public Day”, hat sich auch Besuch aus Deutschland angekündigt. Um 9.30 Uhr soll dann der ehemalige Hamburger Justizsenator Roger Kusch, Vorsitzender des Vereins “Sterbehilfe Deutschlan”, zu den Delegierten und den rund 500 Kongressteilnehmern, die die Veranstalter für diesen Tag erwarten, sprechen. Der Titel seines Vortrags “Fälle von assistiertem Suizid in Deutschland” lässt vermuten, dass der ehemalige CDU-Politiker über seine reiche Erfahrung Auskunft geben wird, die er in der Begleitung von Suiziden lebensmüder und schwerkranker Menschen in den letzten Jahren gesammelt hat. Der Verein will allein im vergangenen Jahr 27 Menschen bei einem Suizid begleitet haben.

Juristen setzen sich für Legalisierung ein

Neben Kusch werden auch andere prominente Verfechter eines Rechts auf einen begleiteten Suizids in Zürich erwartet. Auf dem Programm des Kongresses stehen auch Vorträge des an Alzheimer leidenden britische Beststeller-Autors Terry Pratchett, die an Multiple Sklerose erkrankte Sterbehilfe-Aktivistin Debbie Purdy, die Witwe des ehemaligen Fussballers und Schützen des ersten Bundesliga-Tores Timo Konietzka, dessen von Exit betreuter Suizid im März diesen Jahres international für Schlagzeilen gesorgt hatte. Mit von der Partie sind auch zahlreiche Juristen, die sich für die Legalisierung des assistierten Suizids oder anderer Formen sogenannter Sterbehilfe einsetzen, darunter der leitende Züricher Oberstaatsanwalt Andreas Brunner, der US-amerikanische Anwalt George Felos, der im Fall der Wachkoma-Patientin Terri Schiavo deren Mann vertrat, der die Einstellung der künstlichen Ernährung verlangte sowie der Deutsche Wolfgang Putz. Der Münchner Rechtsanwalt hatte im Jahr 2007 einer Mandatin geraten, den Schlauch der Magensonde zu durchtrennen, mit dem ihre komatöse Mutter versorgt wurde und war daraufhin im April 2009 vom Schwurgericht Fulda wegen versuchten Totschlags zu einer Bewährungsstrafe von neun Monaten verurteilt worden. Der Anwalt ging in Revision und wurde am 25. Juni 2010 vom 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in einer als Grundsatzurteil begriffenen aufsehenerregenden Entscheidung vom Vorwurf der aktiven Sterbehilfe freigesprochen. Der Vortrag von Putz auf dem Kongress, der laut den Veranstaltern in englischer, französischer und deutscher Sprache simultan übersetzt wird, steht unter der Überschrift “Euthanasie in Deutschland – Recht gegen Realität”. Auch “Dignitas”-Gründer Ludwig Amadeus Minilli sowie zahlreiche Funktionäre der Organisation Exit, die in diesem Jahr ihr 30-jähriges Bestehen feiert, werden den Kongress nutzen, um für ihre Ziele zu werben. Mit Spannung erwartet wird auch der Auftritt der Schweizer Justizministerin Simonetta Sommaruga, deren Regierung im vergangenen Jahr noch Einschränkungen der liberalen gesetzlichen Regelung in der Schweiz abgelehnt hatte. Sie spricht auf dem Kongress zum Thema: “Wie viel Selbstbestimmung am Lebensende? – Das Schweizer Modell”.

In der Schweiz ist die Beihilfe zum Suizid nur dann verboten, wenn diese aus “selbstsüchtigen Beweggründen” geleistet wird. Sind diese nicht vorhanden oder können sie nicht nachgewiesen werden, gilt die Beihilfe zum Suizid als legal. So lautet Artikel 115 des Schweizerischen Strafgesetzbuches: “Wer aus selbstsüchtigen Beweggründen jemandem zum Selbstmorde verleitet oder ihm dazu Hilfe leistet, wird, wenn der Selbstmord ausgeführt oder versucht wurde, mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.”

Der Bischof von Chur, Vitus Huonder, warnte im Vorfeld des Kongresses, der am Dienstag begann, vor der möglichen Signalwirkung, die ein “Recht auf einen assistierten Selbstmord” entfalten könne. “Wer als Schwerkranker” ein angebliches “Recht auf Tötung ablehnt”, der “könnte gerade in einer überalterten Gesellschaft bald als egoistisch gelten”, erklärte Huonder. “Vor einem Kongress, der den Selbstmord propagiert, wollen wir die Standpunkte der Kirche in Erinnerung rufen”, sagte Huonder und verriet, sein Bistum verschicke daher derzeit an seine Mitarbeiter ein Argumentarium zur Sterbehilfe. Diskutiert werde auch die Einrichtung eines Lehrstuhls für “Spirtual Care” an der Universität Zürich, mit dem sich die Kirche für eine Stärkung der Palliativmedizin einsetzen wolle.

In Deutschland dürfte der Kongress mit besonderem Interesse verfolgt werden. Wird hier doch derzeit ein von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger vorgelegter Gesetzentwurf diskutiert (DT vom 12. Juni), der nach Ansicht vieler Experten ungeeignet ist, um Organisation wie denen, die in dieser Woche in Zürich tagen, das Handwerk zu legen. Fuldas Bischof Heinz Josef Algermissen nahm diese Diskussion jetzt zum Anlass, um ähnlich wie sein Churer Mitbruder Huonder, an die Prinzipien der katholischen Kirche im Umgang mit Tod und Sterben zu erinnern. Der Tagespost sagte Algermissen, ein “Schwerkranker” dürfte “in seiner seelischen Not nicht allein gelassen” werden. Gerade der Glaube könne “eine wirksame Hilfe” sein, “die Angst vor dem Tod durchzustehen, ja zu überwinden”. So schenke der Glaube “dem Sterbenden auch im Angesicht des Todes eine feste Hoffnung” und könne dem “Leiden, das uns unverständlich erscheint, seinen Sinn” geben, wenn es als “Teilnahme am Leiden Jesu Christi selbst” verstanden werde. “Aktive Sterbehilfe, gleich welcher Art” sei dagegen “ein tragischer Irrtum”. “Statt das Töten zur Therapie zu erheben” sei eine “umfassende Zuwendung als Antwort auf den Schrei nach Hilfe auf der letzten Etappe des Lebens notwendig”. Die diesbezügliche Haltung der Kirche nannte der Bischof “unaufgebbar” und “eindeutig”: “Willentliche Euthanasie, gleich in welcher Form und aus welchen Beweggründen, ist Mord. Sie ist ein schwerer Verstoss gegen die Würde des Menschen und gegen die Ehrfurcht vor dem lebendigen Gott, seinem Schöpfer”, so Algermissen.

Vatikan: Die Achtung vor dem menschlichen Leben
Vatikan: Erklärung zur Euthanasie
Ichwasche meine Hände in Unschuld
Was ist aus den Geboten Gottes in unserem Lande geworden?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kategorien

Die drei Säulen der röm. kath. Kirche

monstranz maria papst-franziskus

Archiv

Empfehlung

Ausgewählte Artikel