Den Menschen den Zugang zu Gott zu öffnen

Buch zum Thema “Mission Neuevangelisierung”

Das Buch sucht nicht nur nach den Ursachen für die gegenwärtige Krise des katholischen Glaubens in Europa, sondern gibt auch Ansatzpunkte für eine wirksame Neuevangelisierung.

Linz, kath.net, 7. Mai 2012

Was sind die Ursachen des Glaubensniederganges? Wie kann man ihnen wirksam begegnen? Diesen Fragen geht der Theologe Michael Gurtner in seinem Buch “Mission Neuevangelisierung” nach und versucht so die Ansatzpunkte für eine wirksame Neuevangelisierung des Westens offenzulegen. Das Buch ist Seiner Heiligkeit Papst Benedikt XVI. zum 85. Geburtstag gewidmet.

Das Buch ist in insgesamt vier Teile gegliedert: Grundlage, Kirche, Theologie und Tradition. Die insgesamt 28 Kapitel sind grösstenteils eine Zusammenstellung überarbeiteter Beiträge für verschiedene Medien, unter anderem auf kath.net publizierte Artikel, welche zu einem grossen Gesamt zusammengefügt wurden, so dass die Einzelbeiträge durch einen roten Faden verbunden wurden und ein ganzheitliches Werk geworden sind.

Vorwort und Nachwort des Buches von Michael Gurtner: “Mission Neuevangelisierung“

Vorwort: Die Kirche sieht sich in weiten Teilen des Westens mit einst deutlich katholischer Gesellschaftsprägung in einer tiefen Krise stehen. Der regierende Pontifex, Papst Benedikt XVI feliciter regnans, hat es daher zu einem seiner Schwerpunkte gemacht, diesem massenhaften Glaubensverlust entgegenzuwirken. Während es einerseits zu einem rasanten Glaubensverlust und damit einhergehend zu einer zunehmenden Gottlosigkeit kommt, verbunden mit einem ebenso rasanten Geburtenrückgang der europäisch-christlichen Bevölkerung, gewinnt gleichzeitig der Islam an immer mehr Einfluss, und die Mehrheitsverhältnisse beginnen sich bereits zu verschieben. Diese Entwicklung gibt in vielerlei Hinsicht Anlass zur Sorge, nicht zuletzt weil die Schwäche des katholischen Glaubens die Stärke des Islam ist.

Ebenfalls gibt das mit dem rechten Glauben verbundene Seelenheil vieler Menschen Anlass zur Sorge: die Kirche ist nicht dazu da um sich selbst zu erhalten, sondern um für das Seelenheil der Menschen zu sorgen. Es ist statistisch normal geworden so zu leben, zu denken und zu argumentieren, als ob es Gott nicht gäbe – und dies beschränkt sich keinesfalls allein auf eine erklärt agnostische oder atheistische Gesellschaftsschicht, sondern ist ebenso auch unter erklärten Katholiken und Kirchgängern zu beobachten.

Sünde hat es freilich immer gegeben, deshalb ist ja auch die Kirche eingesetzt worden. Aber bei aller Sündhaftigkeit der Menschen war es ihnen doch meist klar, dass Sünde eben Sünde ist, und hatten doch weitgehend das rechte Ziel vor Augen und strebten danach, auch wenn sie auf dem Weg dorthin oftmals fielen. Die Sünde als solche ist also nicht so sehr das Problem, sondern dass man heute das Sündhafte als Recht und Norm darstellt und rechtfertigt. Das eigene Tun wird so zum Massstab an dem sich Recht und Unrecht, Sünde und Tugend misst.

Nicht so sehr die einzelnen Sünden die begangen werden sind also das Problem, sondern vielmehr der breite Glaubensabfall und der Unwille zur Wahrheit – und das sind viel grundlegendere Probleme, weil es diesmal die Ausrichtung selbst ist, welche in weiten Teilen des Westens abhanden gekommen ist. Daraus ergibt sich eine dringende Handlungsnotwendigkeit, doch wenn wir uns selbst fragen wie es in der Realität um unsere Bereitschaft bestellt ist, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt die uns erfüllt (vgl. 1 Petr 1,13), so wird die Antwort wohl meist eher besorgniserregend ausfallen.

Es macht zwar keinen Sinn Strategien im Sinne einer PR-Kampagne zu entwerfen, als ob es darum ginge einen Grosskonzern vor dem Untergang zu retten. Ein solches Unterfangen würde eher schaden. Aber dennoch muss man sich gut und vor allem ohne Ideologien überlegen woran diese Entwicklung wohl liegen mag, man muss die Situation gut und vor allem aufrichtig analysieren und dann, von Glaube und Gebet geleitet, entsprechende Gegenmassnahmen treffen. Dabei muss man sich jedoch immer im Klaren darüber sein, dass sich nicht die Kirche einem mehrheitlichen Wollen anpassen darf, weil dies erstens übermorgen schon wieder ganz anders sein wird als heute, und zweitens, was noch viel wichtiger ist, der Kirche direkte sowie indirekte Vorgaben gemacht sind welche deren Identität ausmachen und nicht änderbar sind. Die Frage ist also weniger, welche Lehre die Kirche in welcher Form vertreten müsse, sondern wie sie die in Tradition, Schrift und Lehramt bestehende Lehre so vermittelt, dass die Form der Vermittlung dem Inhalt (und damit dem Herrn) gerecht wird, und zugleich möglichst viele Menschen zu genau diesem Glauben geführt werden können. Nicht die Kirche muss sich dem Menschen anpassen, sondern der Mensch muss sich dem Willen Gottes anpassen, und die Kirche als heilige Mutter, die um sein Heil besorgt ist, ist ihm dabei in vielfacher Hinsicht behilflich.

Darum geht es letztlich in der Neuevangelisierung, was aber auch impliziert, vergangene Fehlentwicklungen aufzuzeigen und zu beheben. Darin besteht die gegenwärtige Herausforderung der Kirche, und der Heilige Vater stellt sich diesen – Grund genug, dass auch wir diese Sorge des Papstes teilen und das kleine Unsrige dazu beizutragen versuchen, solange es nur konstruktiv und nicht destruktiv ist.

Dieses Buch möchte den Ansatz des Heiligen Vaters aufgreifen, welchen er uns als Kardinal und Papst vorgelegt hat, und einige grundlegende Vorüberlegungen über die Neuevangelisation des Okzidents anstellen. Dieser Anspruch bringt es angesichts der heutigen inner- wie ausserkirchlichen Umstände mit sich, mitunter Dinge sagen zu müssen welche nicht populär sind und noch weniger populär machen. Aber es geht nicht darum Applaus zu ernten, sondern “Mitarbeiter der Wahrheit” zu sein (3 Joh 8).

In zahlreichen Artikeln, welche ich auf Internetportalen wie kath.net oder kathnews.de veröffentliche, habe ich im Laufe der Zeit immer wieder einzelne Punkte herausgegriffen, von denen ich merkte, dass das jeweilige Thema oft mit Irrtümern oder Missverständnissen behaftet ist. Bei den meisten dieser Artikeln hatte ich jedoch immer ein spezielles Thema im Hinterkopf, auf welches ich im letzten hinauswollte, ohne es dabei jedes Mal explizit zu benennen: Hintergrund war meist die Frage, was in diesem oder jenen Bereich gesagt oder getan werden müsse, um die Neuevangelisierung voranzutreiben.

Auf Grund dieses gemeinsamen Hintergrundes entstand die Idee, die einzelnen Artikel – mitunter leicht adaptiert – miteinander zu verbinden und zu einem grösseren Gesamt zusammenzufassen und mit deren Herausgabe einen kleinen, bescheidenen Beitrag zum grossen Thema zu leisten welches das gegenwärtigen Pontifikat wie ein roter Faden durchzieht, nämlich der Neuevangelisierung des Okzidents.

Dies ist das wahrhaft grosse Thema der heutigen Zeit, nicht oberflächliche Reformen oder Strukturdebatten, sondern wie wir es schaffen, das kleingewordene Flämmchen des Glaubens nicht ganz auslöschen zu lassen, um ein Bild aufzugreifen welches der Heilige Vater Papst Benedikt XVI in seinem Brief an die Bischöfe vom 10. März 2009 anlässlich der Aufhebung der Exkommunikation der Bischöfe der Priesterbruderschaft St. Pius X. gezeichnet hat. Die entsprechende, zentrale Stelle des Briefes sei als gedanklicher Leitfaden meiner Überlegungen an den Anfang dieses Buches gestellt, von hier aus nehmen unsere Erörterungen und Ausführungen ihren gedanklichen Anfang. Hier ist gleichsam die Grundfrage formuliert, welche mich leitete:

“In unserer Zeit, in der der Glaube in weiten Teilen der Welt zu verlöschen droht wie eine Flamme, die keine Nahrung mehr findet, ist die allererste Priorität, Gott gegenwärtig zu machen in dieser Welt und den Menschen den Zugang zu Gott zu öffnen. Nicht zu irgendeinem Gott, sondern zu dem Gott, der am Sinai gesprochen hat; zu dem Gott, dessen Gesicht wir in der Liebe bis zum Ende (Joh 13, 1) – im gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus erkennen. Das eigentliche Problem unserer Geschichtsstunde ist es, dass Gott aus dem Horizont der Menschen verschwindet und dass mit dem Erlöschen des von Gott kommenden Lichts Orientierungslosigkeit in die Menschheit hereinbricht, deren zerstörerische Wirkungen wir immer mehr zu sehen bekommen.

Die Menschen zu Gott, dem in der Bibel sprechenden Gott zu führen, ist die oberste und grundlegende Priorität der Kirche und des Petrusnachfolgers in dieser Zeit. Aus ihr ergibt sich dann von selbst, dass es uns um die Einheit der Glaubenden gehen muss. Denn ihr Streit, ihr innerer Widerspruch, stellt die Rede von Gott in Frage.”

Sich dieser durchwegs drängenden Frage zu stellen, und dies im Rahmen des Lehramtes und auf dieses bezogen zu tun, bedeutet ein wahrliches Mit-Denken mit der Kirche. Viel wird heute nämlich auch gegen die Kirche gedacht, zahlreiche Vorschläge, die teilweise sogar aus klerikalen Kreisen kommen, dienen nicht Erbauung und der Verbreitung, sondern dem weiteren Abriss des Glaubens. Was von vielen als Medizin verkauft wird, ist in Wirklichkeit oft das eigentlich krankmachende Gift. Nach der Überschrift eines jeden Kapitels habe ich bei der Zusammenstellung dieses Buches jeweils nachträglich noch ein Zitat des Heiligen Vaters oder Kardinal Ratzingers eingefügt, welches zumindest grosso modo auf die jeweils behandelte Thematik Bezug nimmt. Es war für mich auch eine Art Prüfstein, ob mein Denken und die Theologie welche ich vertrete zumindest einigermassen dem Denken und der Theologie des Papstes entspricht. Ich hoffe seinen gedanklichen Spuren in der grossen und spannenden Landschaft der heiligen Theologie nachgewandert zu sein – versprechen kann ich es nicht, doch freute es mich stets wenn ich beim Suchen und Einfügen der entsprechenden Zitate meint erkennen zu dürfen, dass es doch den einen oder anderen ähnlichen oder deckungsgleichen Gedanken gab.

Schliesslich habe ich dieses bescheidene Werk Seiner Heiligkeit Papst Benedikt XVI anlässlich seines 85. Geburtstages widmen wollen, als bescheidenes, symbolisches Zeichen dafür, dass die Impulse seines Pontifikates keineswegs verhallen und vornehmlich auf Ablehnung stossen, so wie es uns viele Medien und auch manche Theologen immer wieder mit lauter Stimme weissmachen wollen. Ebenso sei es als Ausdruck der Dankbarkeit verstanden, sehen doch gerade junge Theologen im Denken und Regieren des gegenwärtigen Pontifex dankbar einen wirklich gangbaren Weg, der, wenn man ihn nur konsequent und geduldig verfolgt, auf lange Sicht aus der grossen Krise, welche wir in der Kirche heute durchleben, herausführen kann. Das Miteinander von Theologie, Vernunft, Kult und Kultur stellt uns den Glauben in einer Art und Weise vor Augen, die bestechend ist, weil so der Wahrheit des katholischen Glaubens wieder neuer Glanz verliehen wurde.

In diesem Sinne sei dem Heiligen Vater, aber auch der ganzen Kirche gewünscht, dass dieses für die Kirche so segensreiche Pontifikat noch viele viele Jahre andauern möge.

Sancte Pater, ad multos annos!

Mag. theol. Michael Gurtner, am Feste Cathedra Petri A.D. 2012

Schlusswort: Am Ende unserer Grundsatzüberlegungen zur Neuevangelisierung des Westens bleibt uns nur noch, einige Schlussgedanken zusammenzufassen.

Die Glaubens- und Kirchenkrise hat als einen zentralen Faktor die grosse Unwissenheit in Glaubensdingen. Deshalb muss dem Bildungssektor grosse Aufmerksamkeit geschenkt werden.

Als zweiten grossen Ansatzpunkt, der damit Hand in Hand einhergehen muss, scheint mir die Belebung des Liturgischen eine wichtige Rolle zu spielen: in der Liturgie muss das Heilige durch den Kult selbst als solches erscheinen, in der Liturgie dürfen wir nicht dem Priester oder dem Nächsten Begegnen, sondern die Liturgie – vor allem im Heiligen Messopfer aber nicht nur in diesem – muss ein deutlicher Ort der Gottesbegegnung sein.

Des weiteren müsste man auch bei den Personalentscheiden ansetzen: die zentralen Stellen in den diözesanen Kurien, den Priesterseminaren, den katholischen Schulen und den Universitäten müssten mit kirchentreuen Priestern besetzt werden, da nur so die rechte Glaubensverkündigung, die ehrfurchtsvolle Liturgie und die praktischen Massnahmen im Sinne der Universalkirche ermöglicht und gefördert werden: es braucht die Stärkung und die Weisung von oben her, damit dort, wo Seelsorge betrieben wird, die kirchliche Lehre auch wirklich umgesetzt und entfaltet werden kann.

Wir bedürfen dringendst einer neuen theologischen Bildung, und diese Theologie muss auch auf allen Ebenen umgesetzt werden: von der Liturgie über die Katechese, von der Pastoral bis hin zum Kirchenrecht und dessen Umsetzung.

Zum Schluss scheint es mir noch wichtig darauf hinzuweisen, dass pastorale Erfolge nur schwer messbar sind, somit auch der Erfolg der Neuevangelisierung nur schwer in Zahlen fassbar sein wird, zumindest kurzfristig. Die Anzahl der Menschen in einer Kirche ist noch kein Erfolg – Erfolg ist es erst dann, wenn sie den wahren Glauben annehmen, ein kirchliches Leben aus den Sakramenten führen und ihre Seele für die Ewigkeit retten. Darin liegt ja auch der grosse Fehler mancher Pastoralkonzepte welche meinen, je mehr Leute zu Discomessen oder zu Messen mit eingebauten Choreographien oder Theaterinszenierungen kommen desto grösser sei der Erfolg und dies daher als das anzustrebende Ziel ansehen und dabei den Glauben ausser acht lassen. Wichtig ist nicht nur dass möglichst viele Leute zusammenkommen, sondern wozu sie kommen.

Die Erfolge werden in einem ersten Moment also nicht wirklich messbar sein. Sie werden erst mittelfristig erkennbar sein, wenn die Gesellschaft wieder mehr durch Katholisches geprägt ist. Das wird sich in der Gesetzgebung manifestieren, das wird sich auch in dem zeigen was man als “Weltbild des Durchschnittsbürgers” bezeichnen könnte. Dies alles braucht Zeit und Entwicklung, deshalb bedarf es auch eines langen Atems und man darf sich nicht von einer anfänglichen scheinbaren Erfolgslosigkeit entmutigen lassen. Schnelle Erfolge sind nicht zu erwarten, dazu ist der Glaube schon zu sehr erloschen, schon gar keine messbaren Erfolge. Darum darf man aber auch nicht voreilig aufgeben weil man meinen würde, die Mühen würden nicht fruchten.

Eine zweite Sache, die nur fehlschlagen kann, wären “Strategien”. Glaubenserneuerung lässt sich nicht planen wie ein militärischer Feldzug. Es bedarf jedoch eines scharfen, analytischen Verstandes der ausfindig macht, wo die Ursachen des Glaubensverlustes liegen und der an diesen Stellen, gemäss den Gesetzen des vernünftigen Glaubens ansetzt, und nicht gemäss den Gesetzen von PR-Strategien, welche sich schon sehr bald als Bumerang erweisen könnten, weil sie sich zu schnell überholen und dann im Rückblick als lächerlich und abstossend gelten.

Deshalb werden wir nur dann Erfolg erzielen, wenn wir das natürlichste machen was man nur machen kann: den Glauben erforschen, ihn den Menschen geduldig und so oft als nötig erklären, dabei uns weder der Welt anbiedern noch aus dieser verabschieden, den Glauben durch unser eigenes Leben bekunden und vor allem mit beständigem Gebet begleiten.

Lesetipp: “Mission Neuevangelisierung” Michael Gurtner ISBN: 978-3-905953-33-6 340 Seiten Benedetto Verlag Preis: 23,80 €

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Brief Papst Benedikt XVI., 10. März 2009

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