Jahrzeit aller Bischöfe

Diözese Chur: Off 14,13/2 Kor 5,1.6-10/Joh 6,37-40/

Chur, 10. Februar 2012

Liebe Mitbrüder, Brüder und Schwestern im Herrn,

für Martin Luther war das Fegfeuer ein Gespenst des Teufels. Diese Ansicht mag damit zusammenhängen, dass zu seiner Zeit die Lehre der Kirche über das Fegfeuer verdunkelt und verworren dargestellt wurde, obwohl es schon als Dogma vorlag. Das Konzil von Trient (1545 – 1563) hat unter anderem auch darauf reagiert und am 3. Dezember 1563 in einem Dekret folgendes festgehalten:

“Da die katholische Kirche, vom Heiligen Geist belehrt, aufgrund der heiligen Schriften und der alten Überlieferung der Väter auf den heiligen Konzilien und zuletzt auf diesem ökumenischen Konzil gelehrt hat, es gebe einen Reinigungsort (purgatorium) und den dort festgehaltenen Seelen werde durch die Fürbitte der Gläubigen, vor allem aber durch das wohlgefällige Opfer des Altares geholfen: so gebietet das heilige Konzil den Bischöfen, sorgsam darum bedacht zu sein, dass die von den heiligen Vätern und den heiligen Konzilien überlieferte gesunde Lehre vom Reinigunsort von den Christgläubigen geglaubt, festgehalten, gelehrt und überall verkündet werde.” Das Konzil fügt sodann die Worte bei: Sie – die Bischöfe – sollen “nicht zulassen, dass Unsicheres oder was am Schein der Falschheit krankt, unters Volk gebracht und behandelt wird. Das aber, was zu einer gewissen Neugierde oder zum Aberglauben gehört oder nach schändlichem Gewinn schmeckt, sollen sie als Ärgenis und Anstoss für die Gläubigen verbieten.”

Die Lehre der Kirche über das Fegfeuer, das Purgatorium, ist eine Lehre de fide, ein Dogma, eine unveräusserliche Glaubenswahrheit. Je mehr wir uns in diese Lehre vertiefen, desto mehr wird uns bewusst, dass die Wirklichkeit des Purgatoriums nicht ein “Gespenst des Teufels” ist, sondern ein Ausdruck und Erweis von Gottes Bamherzigkeit und Liebe. Denn, wie wir es in der Lesung aus der Offenbarung des Johannes eben gehört haben, werden die Toten von ihren Werken begleitet (Offb 14,13). Das, was der Mensch in diesem Leben getan hat, wirkt über dieses Leben hinaus. Natürlich meint Johannes damit die guten Werke, welche von den Mühen dieses Lebens Ruhe verschaffen. Ergänzend dazu stehen die Worte des Apostels Paulus aus dem Zweiten Korintherbrief (5,6 -10). Er spricht vom Richterstuhl Christi, vor dem wir offenbar werden müssen, damit jeder seinen Lohn empfängt für das Gute und das Böse, das er im irdischen Leben getan hat. Es begleiten uns somit nicht nur die guten sondern auch die bösen Werke. Der Mensch wird auf Grund dieser Werke gerichtet.

Es ist nun trostvoll zu wissen, dass für den Menschen auch vor dem Richterstuhl Christi nicht alles verloren ist. Der Herr offenbart auch da seine Barmherzigkeit, die sich eben darin erweist, dass die Seele, die noch von der Sünde gezeichnet ist, die aber in Reue über das Böse in ihrem Leben aus der Welt geschieden ist, die Gnade der Läuterung empfängt. Das ist auch der Grund, weshalb die Kirche seit ihren Anfängen für die Verstorbenen betet. Würde diese Gnade der Läuterung nicht gewährt, wäre das Gebet für die Verstorbenen unnütz. Da die Kirche aber durch den Heiligen Geîst geführt und geleitet wird, ist diese Lehre, die ihre Grundlage im Alten Testament findet (vgl. 2 Makk 12,45), eine sichere Lehre, aber ebenso eine trostvolle Lehre.

Zum Schaden der Seelen wird die Lehre der Kirche über das Purgatorium heute oft in den Hintergrund gedrängt, so dass das Gebet und das Messopfer für die Verstorbenen vernachlässigt werden. Wir dürfen nicht in einer unheilvollen Oberflächlichkeit die Meinung vertreten, das Totengedenken müsste zu einer Auferstehungsfeier werden, und das Fürbittgebet für die Verstorbenen wäre durch den Osterjubel zu ersetzen. Der Tod soll im Licht der Auferstehung betrachtet werden, und wir müssen auch im Angesicht des Todes auf den Auferstandenen blicken, da wir zur Auferstehung mit ihm bestimmt sind. Doch eben weil wir zur Auferstehung bestimmt sind, sind wir zur Heiligkeit bestimmt, und die Heiligkeit wiederum erfordert den sündenlosen Zustand der Seele, worüber nur Gott urteilen kann. Uns ist es dagegen aufgetragen für die Lebenden und für die Verstorbenen zu beten, damit sie, von Sünde und Schuld befreit, das Ziel erreichen, von dem der Herr eben im Evangelium gesprochen hat: ” denn es ist der Wille meines Vaters, dass alle, die den Sohn sehen und an ihn glauben, das ewige Leben haben und dass ich sie auferwecke am Letzten Tag” (Joh 6,40). In diesem Willen des Vaters finden wir den letzten Grund für das Gebet zur Heiligung der Seelen im Fegfeuer und zu ihrer Befreiung aus dem Zustand der Läuterung.

Möge der Herr die Seelen unserer Verstorbenen in den Chor der Heiligen aufnehmen und ihnen Anteil am ewigen Lobe Gottes schenken, an jenem dreifachen Sanctus, das die Engel in Ehrfurcht und Liebe in ununterbrochenem Gesang bekennen. Amen.

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