Papst bei der Audienz für die Mitglieder des Gerichtshofes der Römischen Rota

Die Auslegung des kanonischen Rechtes muss innerhalb der Kirche stattfinden

Vatikanstadt, 23. Januar 2012, zenit.org

Anlässlich der Eröffnung des Gerichtsjahres im Vatikan hat Papst Benedikt XVI. zu einer korrekten Auslegung der Gesetze im Sinne des natürlichen und des göttlichen Rechts aufgerufen.

Gestern Vormittag hat der Papst in der Sala Clementina des Apostolischen Palastes den Auditoren, Offizialen und Anwälten der Römischen Rota anlässlich der feierlichen Eröffnung des Gerichtsjahres eine Audienz gegeben.

Die Arbeit der Mitglieder des Gerichtshofes der Römischen Rota hat der Papst als “schwieriges und wertvolles Amt” bezeichnet, das im Dienst der Kirche ausgeübt werde und für die ” ‘salus animarum‘ des Volkes Gottes” von besonderer Wichtigkeit sei.

Dann hat der Papst das Jahr des Glaubens erwähnt, das am kommenden Oktober beginnen wird und das sein Vorgänger Paul VI. im Jahr 1967, kurz nach Abschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils, zwecks einer “korrekten Auslegung” des Glaubens schon einmal einberufen hatte.

Ganz ähnlich befindet sich auch wer ein Richteramt innerhalb der Römischen Kirche ausübt vor dem entscheidenden Problem der “Auslegung des kanonischen Gesetzes hinsichtlich seiner Anwendung”. In diesem Sinn, so Benedikt XVI., “kann die ‚lex agendi‘ nur die ‚lex credendi‘ wiederspiegeln”.

Weiter hat der Heilige Vater gesagt, dass der kanonische Jurist es sich nicht leisten kann, auf vereinfachende Weise “das kanonische Recht mit dem System der kanonischen Gesetze” gleichzusetzen. Wenn man das “natürliche Recht” und das “göttliche Recht” vergisst, komme es vor, dass “der Arbeit des Auslegers der belebende Kontakt mit der kirchlichen Realität entzogen wird”.

Der Papst hat vor einer “übertriebenen Abhängigkeit von den Gesetzen der Kirche” gewarnt, die als “ein Ausdruck von Legalismus” anzusehen sei. Im Sinne mancher neuerer Betrachtungsweisen empfiehlt Benedikt XVI. daher “hermeneutische Wege, die einen Ansatz erlauben, der besser mit den theologischen Grundlagen und mit den auch seelsorgerischen Absichten der kanonischen Gesetze übereinstimmt und eine juristische Kreativität erlaubt, in welcher die jeweilige Situation zum entscheidenden Faktor wird, um die wahre Bedeutung der gesetzlichen Vorschrift im konkreten Fall zu ermitteln”.

Die “Barmherzigkeit”, die “Gerechtigkeit”, die ” ‘Oikonomia’ ” sind die Grundlagen dieser juristischen Auffassung, die jedoch allein nicht in der Lage ist, den rechtlichen Positivismus zu überwinden, gegen den sie sich wendet.

Daher kann die kanonische Vorschrift “nicht in ein rein menschliches Gesetzsystem eingeschlossen werden, sondern muss mit der gerechten Ordnung der Kirche verbunden sein, in der ein höheres Gesetz gilt”. Die Wirklichkeit, die jede Auslegung der Gesetze beeinflusst, “enthält immer einen Kern natürliches und göttliches Gesetz, mit dem jede Vorschrift im Einklang sein muss, um rational und wahrhaft gerecht zu sein”.

Die Auslegung der kanonischen Gesetze, so Benedikt XVI. weiter, “muss innerhalb der Kirche stattfinden”. “Die christliche Reife”, hat der Papst weiterhin gesagt, “führt dahin, dass man das Gesetz immer mehr liebt und den Willen spürt, es zu begreifen und mit Treue anzuwenden”. Ausserdem sei “Fügsamkeit nötig, um die Gesetze aufzunehmen”, indem man ehrlich und mit Hingabe die juristische Tradition der Kirche studiert.

Zum Abschluss hat der Heilige Vater auf eine Neuerung hingewiesen, kraft derer die Zuständigkeit für die Verfahren zur Dispens von geschlossenen und nicht vollzogenen Ehen und die Verfahren zur Ungültigkeitserklärung heiliger Weihen an eine eigene Amtsstelle beim Gerichtshof der Römischen Rota verlegt worden ist. “Ich bin sicher, dass diese neue kirchliche Aufgabe eine grosszügige Antwort finden wird”, hat der Papst noch gesagt, bevor er allen Anwesenden seinen Apostolischen Segen erteilte.

Übersetzung des italienischen Originals von Alexander Wagensommer

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