Betrifft: Pornografie

Pornografie ist weltweit ein Riesengeschäft

Sie schädigt die Gesellschaft, belegen Wissenschaftler in den USA – auch weil sie sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen stimuliert.

Die Tagespost, 21.10.2011, von Jürgen Liminski

Weniger Missbrauchsfälle meldete jetzt das Kriminologische Institut Niedersachsen. Und das sowohl bei Mädchen als auch bei Jungen. Die Gründe sind einfach: Höheres Risiko für die Täter, höhere Anzeige-und Abwehrbereitschaft bei den Opfern. Auf eine Ursache für Missbrauchsfälle geht allerdings auch diese Studie nicht ein: Die Porno-Industrie.

Dazu passt: Das öffentlich-rechtliche Fernsehen, in dem die erfreuliche Meldung verbreitet wird, präsentierte in denselben Tagen einen als Doku-Fiktion verkleideten Soft-Porno-Film über die Zustände im Vatikan und in Rom im fünfzehnten Jahrhundert: “Borgia”. Dasselbe Motiv inspirierte natürlich auch das Privatfernsehen, nicht weniger pornografisch. Und geradezu eine Verherrlichung der Porno-Industrie bot das ZDF mit dem Zweiteiler über das Leben der Beate Uhse. Offensichtlich ist es vielen Journalisten ein persönliches Anliegen, bei der Aufklärung und “sexuellen Befreiung” mitzuwirken. Es entspricht der Oberflächlichkeit der elektronischen Medien, dass sie nur anklagen und verzerren, jedoch nicht nach Ursachen suchen. Aber auch in seriösen Print-Medien bleibt der Blick auf die Porno-Industrie als Ursache für Missbrauch blass.

Pornografie ist in den vergangenen Jahrzehnten zu einem Industriezweig ausgebaut worden, der die Hemmschwellen gesenkt und so den Missbrauch mental befördert hat. Neuerdings erst befassen sich Wissenschaftler ernsthaft mit diesem Phänomen und es ist das Verdienst vor allem amerikanischer Forscher, die Folgen der Pornografie für den Einzelnen, Ehe, Familie und die Gesellschaft genauer untersucht zu haben.

Auch Geistliche machen im Internet Porno-Erfahrungen

Laut dem Howard Center, das den Weltkongress für Familie unterstützt, besitzt der Markt für Pornografie ein Volumen von etwa 97 Milliarden Dollar. Mehr als 420 Millionen Pornoseiten im Internet zählte das Howard Center. Danach enthielten zwanzig Prozent dieser Seiten Bilder von Kindern. Jedes fünfte Kind in den USA sei Opfer ungewollter sexueller Angriffe im Internet, vierzig Prozent des Kindesmissbrauchs würden über Internet-Kontakte angebahnt. 87 Prozent der College-Studenten berichten laut Howard Center, dass sie über Internet Sex-Erfahrungen gemacht hätten – und selbst 54 Prozent der Geistlichen, also Priester, Prediger und Pastoren in den USA geben demnach zu, dass sie online pornografische Seiten besucht hätten. Umfragen hätten auserdem ergeben, dass für 51 Prozent christlicher Familien in den USA Pornografie für Probleme in ihren Haushalten sorge. Weshalb es nicht verwundert, dass in zwei von drei Scheidungsfällen in den USA Pornografiekonsum eine Rolle spiele.

Das Howard Center arbeitet zudem mit christlichen Familien zusammen und bietet ihnen besondere Internetfilter an, durch die pornografische Seiten geblockt werden können. Das ist dringend geboten. Denn Pornografie macht süchtig, wie andere Wissenschaftler festhalten. So schreibt Professor Norman Doidge von der Columbia University: “Pornografie hyperaktiviert das Appetit-System des Gehirns. Porno-Betrachter entwickeln neue Bilder und Verknüpfungen im Hirn, die sich auf Fotos und Videos stützen.” Der Gebrauch dieser Verknüpfungen verlange nach “mehr Aktivität, so wie die Muskeln, wenn wir den ganzen Tag herumgesessen haben”. Es entstehe so etwas wie “Hunger der Sinne”, wenn sie erst einmal in einer Richtung stimuliert worden seien. Professor Mary Anne Layden, Direktorin eines Programms, das sich mit sexuellen Traumata und Psychopathologien am Zentrum für kognitive Therapie an der Universität von Pennsylvania beschäftigt, warnt: “Es ist erwiesen, dass Pornografie im Leben von Kindern und Jugendlichen eine viel grössere Bedeutung hat als die meisten Erwachsenen ahnen. Pornografie deformiert die gesunde sexuelle Entwicklung dieser jungen Betrachter und wird gebraucht, um Kinder und Jugendliche später sexuell auszubeuten.”

Und Pamela Paul, Autorin des Buchs “Pornified”, schreibt: “Vor allem im Internet, wo heute viel Pornografie konsumiert wird, ist der Typus von Sexualität anzutreffen, der mehr zu tun hat mit Gewalt und gegenseitiger Erniedrigung als mit sexueller und emotionaler Begegnung.” Damit benennt sie auch die Grenze zwischen Pornografie und Sexualität, zwischen Pornografie und Erotik. Eigentlich evident: Gewalt und Erniedrigung haben mit Liebe, auch mit körperlicher Liebe, nichts zu tun. Aber sie gehören zum Wesen der Pornografie. Lust begleitet die erotische Beziehung, bei der Pornografie wird sie verabsolutiert. Diese Lust und Kraft ist gut. Schon Thomas von Aquin nennt die Geschlechtskraft ein “überragendes Gut” und meint, dass auch ohne den Sündenfall die Fortpflanzung des paradiesischen Menschen durch die geschlechtliche Vereinigung geschehen wäre und dass das Erlebnis der Sinne dabei tiefer gewesen wäre als heute, weil der Mensch eine reinere Natur und einen sensibleren Leib gehabt hätte.

Aber es geht bei der Geschlechtskraft nicht allein um die Zeugung, sondern auch um die gegenseitige Hingabe – zwei Begriffe, die der Pornografie völlig fremd sind. Sie ist fixiert auf biologische Instinkte und Mechanismen. Erotik und Liebe erhöht den Menschen, Pornografie erniedrigt ihn. Liebe bringt den Menschen ins geistige und seelische Lot, Pornografie gefährdet seine psychische Gesundheit und die Stabilität der Gesellschaft.

Patrick Fagan, Familienforscher in den USA, fasst in einem Bericht viele Ergebnisse der Forschungen über Pornografie in den vergangenen zehn Jahren zusammen. Der Bericht ist nachzulesen auf der Seite der Stiftung für Familienwerte (www.values4europe.net). Ein Auszug: “Pornografie ist eine visuelle Darstellung von Sexualität, die die Vorstellung des Betrachters von der Natur der ehelichen Beziehung verändert und verfälscht. Dadurch werden die Einstellung und das Verhalten auf sexuellem Gebiet verändert. Sie ist eine erhebliche Bedrohung für Ehe, Familie, Kinder und persönliches Glück. Indem sie die Ehe gefährdet, ist sie eine der Hauptgefährdungen für die Stabilität der Gesellschaft.”

Sozialwissenschaftler, klinische Psychologen und Biologen haben laut Fagan angefangen, einige der sozialen und psychologischen Auswirkungen zu untersuchen, und Neurologen begännen nun, die biologischen Mechanismen zu beschreiben, aufgrund derer die Pornografie ihre verhängnisvollen Wirkungen erreiche. In Bezug auf die Familie fasst Fagan die wichtigsten Ergebnisse so zusammen: “Ehemänner, die sich mit Pornografie befassen, werden durch die ehelichen Beziehungen weniger befriedigt und fühlen sich ihren Ehefrauen weniger zugetan. Die Frauen spüren das und sind unglücklich. Der Gebrauch von Pornografie führt direkt zu Untreue und Scheidung und ist oft ein wichtiger Faktor bei diesen familiären Katastrophen. Bei zwei Dritteln aller Paare, bei denen ein Partner süchtig ist, wird die Lust am ehelichen Verkehr geringer. Beide Partner beurteilen das Anschauen von Pornografie als gleichwertig zu Untreue. Das Anschauen von Pornografie lässt den Betroffenen das Interesse an guten Familienbeziehungen verlieren.”

Konsum von Cybersex verändert die Persönlichkeit

Auch auf die Struktur des Denkens und der Persönlichkeit wirkt sich Pornografie aus. Neurologen erforschen die biologisch-neuronalen Substrate der Pornografie als Sucht. Pornografie-Konsumenten verlieren, so Fagan, “ihre Sensibilität für die von ihnen zunächst verwendete Art von Pornografie, langweilen sich und suchen dann nach immer perverseren Arten von Pornografie. Bei Männern, die sich Pornografie regelmässig anschauen, wird die Toleranz für anormale Sexualität grösser, zum Beispiel für Vergewaltigung, sexuelle Aggression und sexuelle Promiskuität. Der Konsum von Pornografie über längere Zeit führt dazu, dass Männer Frauen als beliebig verfügbar und als ,Sexobjekte’ betrachten. Pornografie führt zu vermehrter sexueller Permissivität, die dann wieder vermehrte aussereheliche Geburten und sexuell übertragene Krankheiten zur Folge hat. Diese verursachen auch wieder stärkere Schwächungen und Verirrungen.” Und für die Debatte hierzulande ist diese Erkenntnis Fagans wichtig: “Wer Missbrauch an Kindern verübt hat, wird mit grosser Wahrscheinlichkeit auch regelmässig Pornografie anschauen und weiterverbreiten.”

Hochinteressant und wirtschaftlich bedeutsam sind die Folgen von “sexuell orientierten Unternehmen” (Bordelle, Sexshops, etc.) für die nähere Umgebung. Es lasse sich nachweisen, dass in dieser Umgebung Verbrechen signifikant häufiger verübt werden und der Wert der Grundstücke falle.

Fagan, der mit seiner Frau Theresa sieben Kinder hat und katholisch ist, ist sicher kein prüder Amerikaner. Er beschreibt die Sexualität wie folgt: „”Durch den ehelichen Akt kommen die Menschen ins Dasein. Der Geschlechtsakt ist wie die Atomkraft eine machtvolle Energie für das Gute, wenn sie in die richtigen Bahnen geleitet wird; geschieht das nicht, kann sie Schaden anrichten. Gesunde Gesellschaften erhalten ihre Stabilität, indem sie die sexuellen Energien junger Erwachsener in die Ehe lenken, eine Institution, die den Geschlechtsakt legalisiert, die Kinder, die daraus erwachsen, schützt und das Geben und Empfangen von sexueller Lust in Bahnen lenkt, die zum Aufbau der Gesellschaft beitragen.”

Fagans Bericht ist eine Fundgrube für die Prävention in diesem Bereich. Er hat an die 160 Fussnoten und fasst den aktuellen Stand der Forschung zusammen. Zwei kürzlich erschienene Berichte etwa, einer von der American Psychological Association zum Thema übersexualisierter Mädchen, der andere von der National Campaign to Prevent Teen Pregnancy (Nationale Bewegung zur Verhütung von Schwangerschaft bei Teenagern) über die pornografischen Telefontexte bei Teenagern, machen deutlich, dass die digitale Revolution von immer jüngeren Kindern genutzt wird. So würden die schützenden Barrieren abgebaut, die die Sexualität in die Bahnen des Familienlebens leiten sollten. Das Betrachten von Pornografie unter Teenagern führe zu “Desorientierung in der Entwicklungsphase, wenn sie lernen müssen, mit ihrer Sexualität umzugehen und wenn sie am verletzlichsten sind”. Sie würden unsicher in ihren sexuellen Überzeugungen und moralischen Werten. Aus einer Studie an 2 343 Teenagern gehe hervor, dass eindeutig sexuelles Internetmaterial die Unsicherheit gegenüber Sexualität beträchtlich vergrösserte. Die Studie zeigte weiterhin, “dass vermehrte Beschäftigung mit eindeutig sexuellem Internetmaterial die Lust an vermehrten sexuellen Erkundungen mit anderen ausserhalb der Ehe steigerte und die eheliche Verbundenheit verringerte”.

Eine weitere Studie von Todd Morrison, Professor an der Universität von Saskatchewan und Kollegen zeigte, dass bei Heranwachsenden, die viel Pornografie gesehen hatten, die sexuelle Selbstachtung geringer war. Es bestehe auch ein signifikanter Zusammenhang zwischen häufigem Gebrauch von Pornografie und Einsamkeitsgefühlen bis zu tiefer Depression. Denn Pornografie habe die Macht, Einzelne, Paare und Familien in ihren Bann zu ziehen, auch wenn vorher liebevolle Beziehungen bestanden, sei es zwischen Mutter und Vater oder zwischen Eltern und Kindern. Aber liebevolle Beziehungen in der Familie können dazu beitragen, viele der Faktoren zu neutralisieren, die den Einsatz von Pornografie fördern.

Beste Vorbeugung: Ein intaktes Familienleben

Als beste Vorbeugung gegen Pornografie bezeichnet Fagan “ein gesundes Familienleben, eine gute Ehe und herzliche Beziehungen zwischen Eltern und Kindern, verbunden mit elterlicher Überwachung des Internetgebrauchs”. Eine Studie an 1 300 acht bis vierzehn Jahre alten Mädchen habe ergeben, dass 95 Prozent der Eltern derjenigen, die sich “Cybersex” ansahen, überhaupt nichts von dieser Beschäftigung ihrer Kinder wussten. Die gesamte Gesellschaft sei von der überbordenden Pornografie und den Auswirkungen der Übersexualisierung der Gesellschaft erfasst. Der Staat habe sexuelle Aktivitäten und Geschäfte immer überwacht, aber bei der Pornografie habe er resigniert und die Folgen seien der Anstieg von sexueller Kriminalität. Nur bei der Kinderpornografie leiste er noch Widerstand. Angesichts der massiven schädlichen Auswirkungen der Pornografie sowohl auf das Leben des Einzelnen wie auf Partnerschaft, Familie und Gesellschaft sei es höchste Zeit für Bürger, Gemeinden und Regierung, ihre Nachlässigkeit auf diesem Gebiet zu überdenken. Den Schlüsselfaktor bei der Prävention habe die Familie. Wenn ein Gemeinwesen gegen Pornografie vorgehen wolle, sollte es den Zusammenhalt in der Familie fördern. Fagan: “Die erste, wichtigste Beziehung ist die zwischen Vater und Mutter. Die zweite ist die von engagierten Eltern, die ihre Kinder lieben. Starke Familien sind der beste Schutz vor den negativen Auswirkungen der Pornografie, besonders wenn sie unterstützt werden durch regelmässigen Kirchgang mit all den damit verbundenen Vorteilen.”

Von diesen Ergebnissen und Forschungen ist die deutsche Debatte noch weit entfernt. Umso wichtiger wäre es, dass die Kirche sich mit dieser Ursachenforschung befasst. Anlass und Material gäbe es genug.

Stiftung-Familienwerte

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kategorien

Die drei Säulen der röm. kath. Kirche

monstranz maria papst-franziskus

Archiv

Empfehlung

Ausgewählte Artikel