Stift Heiligenkreuz
Pater Kilian: Klosterkomik
Jugendvigil am 2. September 2011
Im Kloster zu leben ist ein Lebensprogramm. Es ist nicht immer leicht, aber so ist das eben – auch asserhalb des Klosters. Und doch: Im Kloster zu leben ist auch ein Leben in einer grossen Freude und Heiterkeit, denn auch die ist ein Zeichen der Erlösung. Unser Tagesablauf im Ordo, dem Orden, nämlich der Zisterzienser, kennt eine feste Ordnung, und die ist nicht langweilig, sondern sie bringt die Seele zur Ruhe. Aber wie das immer so ist, wenn Menschen am Werk sind: die Ordnung wird auch dauernd durchbrochen. Und so ist der Alltag im Kloster dicht bepackt mit einer feinen Situationskomik. Da es also bei uns durchaus nicht immer todernst zugeht, und da es besonders im geistlichen Leben sehr wichtig ist, lachen zu können, vor allem auch über sich selbst, will ich heute mal von den komischen Seiten des Klosterlebens erzählen.
Im 7. Kapitel der Benediktsregel geht es um die verschiedenen Stufen der Demut, die der Mönch in seinem klösterlichen Leben wie eine Leiter erklimmen soll.
Dort steht: “Die zweite Stufe der Demut: Der Mönch liebt nicht den Eigenwillen, und hat deshalb keine Freude daran, sein Begehren zu erfüllen”.
Vor etwa zwei Jahren ging es unserem ältesten Mitbruder, Pater Alberich, sehr schlecht. Die Lage war wirklich ernst, und wir haben tagelang darum gebangt, ob er sich überhaupt wieder erholen wird. So stattete ich ihm einen Krankenbesuch ab. Er lag matt in seinem Bett, und konnte nur ganz leise und wenig sprechen. Ja, es schien wirklich so, als würde er bald vom Herrn heimgerufen. Ich las ihm gerade etwas vor, als plötzlich sein Telefon klingelte. Verunsichert sah ich ihn an, und er murmelte leise “Bitte, gehen’s dran!”
So ging ich also zum Schreibtisch und nahm den Hörer ab. “Frater Kilian hier, hallo?” Am Telefon war ein anderer alter Mitbruder, selbst nur wenig jünger als der Patient. Mit lauter Stimme rief er ins Telefon: “Wie geht’s ihm denn?”
“Naja,” flüsterte ich in den Hörer, “es sieht ehrlich gesagt nicht so gut aus.” Nach einer kurzen Pause tönte es aus dem Hörer: “Aha! Na, dann sagen’s ihm, ich krieg noch fünf Euro von ihm!”, und mit einem lauten Knall legte er auf. Als ich mich halbwegs gefangen hatte, berichtete ich dem Kranken von dem Anliegen des Anrufers. Mit geschlossenen Augen sagte er gelassen, “I hob’s ihm ja eeeh scho geb’n. Des hat er wieder vergess’n…”
Tagtäglich passieren etliche solcher kleinen Dinge, die einen irgendwie zum Lachen bringen. Pater Bernhard nimmt zum Beispiel den beiden an der Sakristeitür zum Einzug bereit stehenden Ministranten kurz vor Beginn der Messe noch schnell die Beichte ab. Einer hält die Lesung in der Heiligen Messe, schaltet zu Beginn das Mikrofon aus, und rechtzeitig nach dem Abschluss “Wort des lebendigen Gottes” dann wieder ein, so dass man dazwischen kein Wort gehört hat. Mitten im Eucharistischen Hochgebet brüllt irgendein Mitbruder auf einmal irrtümlicherweise laut “AMEN!”- und fünf andere gleich hinterher.
Beim Hinsetzen im barocken Chorgestühl kracht die Sitzfläche unter einem etwas stärkeren Mitbruder durch und der liegt plötzlich auf dem Boden wie ein Käfer auf dem Rücken. Ein anderer veranstaltet am Ende der Komplet, unserem letzten Chorgebet des Tages, wo dann eigentlich das Licht ganz ausgehen und nur noch zwei Kerzen auf dem Altar brennen sollen, eine wirre Light-Show, in der es abwechselnd vollbeleuchtet und stockdunkel wird, bis dann am Ende das Licht auf der linken Seite des Chorgestühls brennt, auf der rechten nicht. Und wieder einer lässt aus Versehen die Kirchturmglocke eine halbe Stunde in die Nacht hinein läuten.
Während der Heiligen Messe an einem Hochfest durchquerte gerade ein Priester zum Kommunionspenden den Altarraum, als plötzlich sein schwarzes Zingulum, also der Gürtel, den wir zu unserem Ordenshabit tragen, unter dem Messgewand und der Albe hervor rutschte und auf seinen Schuhen landete. Er blieb kurz stehen, schnickte es mit einem Fuss lässig zur Seite und liess es dort als schwarzes Häuflein mitten auf dem Teppich liegen.
Und neulich in der Früh nach den Vigilien in der grossen Kirche, ungefähr um 5.53 Uhr, während wir auf die Laudes um 6.00 Uhr warteten und wie immer ein paar Minuten stille Betrachtung, oder auch ein kurzes Nickerchen, hielten, knallte plötzlich die Tür hinter der Orgel zu. Dann hörte man die Schritte von Stöckelschuhen, und in der Vierung – wo wir uns gerade vor einigen Minuten auch gesammelt und mit dem Rosenkranz begonnen haben – tauchte eine Frau um die 60 auf, mit wildkrausen Haaren, in einem knallroten Abendkleid mit einer grossen Mohnblume vornedran, machte eine wackelige Kniebeuge und marschierte dann in der Mitte des Chorgestühls entlang, an den staunenden Mönchen vorbei. Beim Abt bekreuzigte sie sich, wobei ihre vielen Armreifen kräftig klimperten, und wünschte uns mit kräftiger Stimme von dort aus allen einen guten Morgen, dann setzte sie sich in die Kirchenbank.
Die Dame ist schon bekannt, und man merkt ihr ziemlich schnell an, dass sie wirklich krank ist. Ein Mitbruder meinte hinterher zu mir:
“Viel gefährlicher sind die, bei denen du genau das nicht auf Anhieb merkst…”
Und dann sind da die kleinen Dinge des Alltags: Tischleser quälen sich mit englischen und französischen, mit polnischen und manchmal auch mit deutschen Wörtern und lesen dann “Autoren-Bahn”, statt “Auto-Rennbahn”, andere Mitbrüder müssen angesichts mancher Namen im Nekrologium, dem Verzeichnis der Verstorbenen, für die wir täglich beten, zum Lachen anfangen, zum Beispiel bei Vinzenz Winzig oder Nachnamen wie Kitzmüller, Zeislmair, Scheupflug, Knakser, Pfaffenwimmer, Kitzmantel, Schneckenleitner, Katzenschlager oder Semmelzipf.
Mögen sie alle in Frieden ruhen!
Auf jeden Fall kann ich euch eines mit Sicherheit sagen: Fad wird einem im Kloster nicht! Und spätestens, wenn man unter der Dusche nicht mehr die Ö3-Popcharts runtersingt, sondern ein Halleluja im gregorianischen Choral trällert – dann ist man wirklich im Kloster angekommen.
HERR JESUS,
danke, dass du uns inmitten der Ernsthaftigkeit der Kreuzesnachfolge in vielen kleinen Dingen immer auch die Freude schenkst!
Hilf uns, dass wir immer auch über uns selber lachen können, damit die Bitterkeit keinen Platz in unserem Herzen bekommt.
Amen
Stift.Heiligenkreuz im Wienerwald
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