Im Dienst am Menschen

– gedrängt von der Liebe Christi

Rückblick Kongress Freude am Glauben 2011

Kaufering, 19. September 2011, zenit.org, von Raymund Fobes 

Immer wieder erzählen mir die Bischöfe, zuletzt aus Afrika, bei ihren Ad-limina-Besuchen dankbar von der Grossherzigkeit der deutschen Katholiken und beauftragen mich, diesen Dank weiterzugeben, was ich hiermit einmal öffentlich tun möchte.

Dann und wann aber sagt ein afrikanischer Bischof zu mir: ‚Wenn ich in Deutschland soziale Projekte vorlege, finde ich sofort offene Türen. Aber wenn ich mit einem Evangelisierungsprojekt komme, stosse ich eher auf Zurückhaltung.‘ Offenbar herrscht da bei manchen die Meinung, die sozialen Projekte müsse man mit höchster Dringlichkeit voranbringen; die Dinge mit Gott oder gar mit dem katholischen Glauben seien doch eher partikulär und nicht so vordringlich. Und doch ist es gerade die Erfahrung dieser Bischöfe, dass die Evangelisierung vorausgehen muss; dass der Gott Jesu Christi bekannt, geglaubt, geliebt werden, die Herzen umkehren muss, damit auch die sozialen Dinge vorangehen; damit Versöhnung werde … Das Soziale und das Evangelium sind einfach nicht zu trennen. Wo wir den Menschen nur Kenntnisse bringen, Fertigkeiten, technisches Können und Gerät, bringen wir zu wenig. … Man geht so nur immer weiter fort von der Versöhnung, vom gemeinsamen Einsatz für die Gerechtigkeit und die Liebe.

Die Massstäbe, nach denen Technik in den Dienst des Rechts und der Liebe tritt, gehen dann verloren, aber auf diese Massstäbe kommt alles an: Massstäbe, die nicht nur Theorien sind, sondern das Herz erleuchten und so den Verstand und das Tun auf den rechten Weg bringen.”

Wert und Würde des Menschen

Es war eine wichtige Botschaft, die Papst Benedikt XVI. während der Heiligen Messe in München bei seinem Deutschlandbesuch 2006 den Menschen ans Herz gelegt hat – und der Heilige Vater hat hier auch den Finger auf eine Wunde gelegt, die leider seit Jahren in der deutschen katholischen Kirche klafft: die Wahrnehmung – aber auch mitunter Selbstdarstellung – der Kirche als in erster Linie sozialer Institution. Natürlich ist der Dienst am Nächsten wichtig, aber er darf nie getrennt werden von der Beziehung zu Gott.

Der Kongress “Freude am Glauben” hat sich in diesem Jahr dieses wichtige Anliegen, das der Heilige Vater 2006 ausgesprochen hat, zu Herzen genommen. Unter dem Motto “Die Sorge der Kirche für den Menschen” wurde deutlich, wie wahre Diakonie geschieht. Der Kongress, der vom 9. bis zum 11. September in Karlsruhe stattfand, behandelte umfassend eines der für das Christentum zentralsten Themen schlechthin, nämlich die “Liebe” — und zwar in ihrer zweifachen Funktion als Gottes- und Nächstenliebe. Zudem wurde deutlich, dass diese Liebe, die Gott schenkt und die wir ihm demzufolge schulden und an die Mitmenschen weitergeben sollen, auch zur Würde des Menschen hinführt. Diese Würde des Menschen ist darin begründet, dass der Mensch Würde vor Gott hat.

Sehr prägnant brachte dies beim Kongress Schwester Anneliese Mader in ihrem Referat auf den Punkt. Die Vinzentinerin, die sich unermüdlich in der Hospizarbeit und der Pflege sowie Seelsorge von kranken und sterbenden Menschen engagiert, erinnerte an ihren Ordensvater, den heiligen Vinzenz von Paul. Er betonte, dass in der karitativen Sorge um den Menschen nicht nur der Leib, sondern auch die Seele und damit die Beziehung zu Gott wichtig sind. Wie dies konkret geschieht und welche wertvollen Früchte ein solches Handeln bringt, machte Schwester Anneliese eindrucksvoll in ihrem Referat deutlich. Gerade das Handeln in der Christusnachfolge führt dazu, den anderen Menschen – besonders auch den Schwerkranken – als wertvolle Persönlichkeit anzusehen, die bis zum Lebensende ihre Würde hat. Diese Haltung fordert auch dazu heraus, die Wünsche des Kranken zu sehen und zu respektieren. Und Schwester Anneliese machte schliesslich darauf aufmerksam, dass viele Schwerkranke den Wunsch nach der Eucharistie in der Krankenkommunion und der Krankensalbung haben. Dass Gott bei und mit den Kranken ist, dass er sie stärkt, ist für viele Menschen wichtig.

Wie wichtig und wertvoll diese Gottesbeziehung für ein gelingendes Leben ist, machte auch Prof. P. Dr. Karl Wallner in seinem Referat deutlich, dem ersten der Akademie. Der Zisterzienser im Stift Heiligenkreuz und Leiter der ordenseigenen Hochschule regte durch den mit vielen persönlichen Erfahrungen bereicherten Vortrag sehr zur Glaubensfreude an. Sein guter Rat: immer das Ganze zu erfassen, ein Anliegen, das auch im Zentrum der Verkündigung des Heiligen Vaters steht. Eine innerweltliche Welterklärung indessen sei im Grunde wie ein Betonsarg. Hier werde nämlich das Wesentliche ausgeklammert. Und um dieses Wesentliche geht es. In Anlehnung an ein Zitat des grossen schlesischen Dichters Angelus Silesius sagte Prof. Wallner: “Christ, werde wesentlich!” Aber dieses Wesentliche geht verloren, wenn man sich an den allbekannten kirchlichen Reizthemen wie etwa dem Zölibat abarbeitet. Viel wichtiger sei zu zeigen, dass die Freude des Christen eine wirklich begründete ist. Und aus vielen Erfahrungen konnte P. Karl sagen: Die Menschen suchen nach dieser endgültigen Freude. Leider seien viele auf den Irrweg der Esoterik gelangt. Der Zisterzienserpater bat aufgrund dieser Situation auch nachdrücklich die Laien als Mitglieder des Gottesvolkes darum, die Priester bei der Aufgabe der Verkündigung der christlichen Frohbotschaft zu unterstützen.

Die Gottesbeziehung gibt dem Leben Erfüllung

Die Glaubensfreude weiterzugeben war auch das Anliegen, das im Zentrum der Predigt von Erzbischof Robert Zollitsch beim Eröffnungsgottesdienst in der Pfarrkirche St. Bernhard, stand. Der Freiburger Oberhirte und Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz stellte heraus, dass wir gerufen sind, uns in unserem Tun in den Dienst Gottes zu stellen. Immer und überall gehe es darum, sich an Jesus Christus auszurichten – auch im gegenseitigen innerkirchlichen Dialog, der zudem in Einheit mit dem Heiligen Vater geschehen müsse. Erzbischof Zollitsch machte deutlich, dass man früher zu viel über Strukturen und Versorgung gesprochen habe. Notwendig sei aber, dass die Kirche die Menschen für Christus begeistere.Und auch wenn es dem Christen nicht darum gehen soll, den Glauben deswegen zu praktizieren, weil er etwas bringt, sondern vielmehr darum, Gott zu dienen, gibt letztlich diese Bereitschaft zum Dienst wahre Erfüllung.

Wie sehr die Beziehung zu Jesus Christus wirkliche Erfüllung gibt, machte sehr anschaulich die Schauspielerin und Dichterin Inge M. Hugenschmidt-Thürkauf, Ehefrau des verstorbenen Physikers Max Thürkauf, in dem von ihr verfassten Theaterstück “Ein Feuer, das brennt” deutlich. Im Zentrum des sehr tiefgehenden Werks standen die Frauen Marie Curie, Naturwissenschaftlerin und Atheistin, und Dorothee von Flüe, tieffromme Ehefrau des heiligen Einsiedlers und Schweizer Nationalheiligen Bruder Klaus. Als Erfinderin des Radiums, das letztlich die Atombombe ermöglichte, macht sich in dem Schauspiel Marie Curie grosse Vorwürfe. Andererseits ist sie begeistert von der Naturwissenschaft und ihren Entdeckungen. Den Glauben an Gott indessen hat sie verloren — auch aufgrund mancher schwerer Schicksalsschläge wie etwa dem frühen Unfalltod des Ehegatten. Dorothee von der Flüe antwortet der in sich zerrissenen Atheistin einfühlsam, indem sie ihre Erfahrungen mit dem lebendigen Gott weitergibt. Sie berichtet auch davon, dass Gott ihr schwere Prüfungen nicht erspart hat — vor allem, dass ihr geliebter Ehemann in die Einsamkeit fortgegangen ist, um sich ganz und gar dem Leben mit Gott zu widmen. Aber am Ende siegt bei Dorothee von Flüe doch das “Ja” zum Willen Gottes. Sie weiss, dass ihr Ehegatte Recht hatte mit seinem Gebet, das er auch seine Ehefrau lehrte: “Mein Herr und mein Gott, nimm alles von mich hindert zu dir — mein Herr und mein Gott, gib alles mir, was mich fördert zu dir — mein Herr und mein Gott, mach mich ganz zu eigen dir.”

Bekenntnis zum Heiligen Vater

Es ist nicht zuletzt auch der Wille Gottes, dass wir uns in unserem Handeln an der Botschaft der Kirche und an den Worten des Lehramts orientieren. Ein ganz bewusstes Ja zu Papst Benedikt XVI. demonstrierte der Kongress mit einer Kundgebung “pro Papa”, bei der der Historiker, Buchautor und Journalist Michael Hesemann, der frühere Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Prof. Dr. Werner Münch, und der Salzburger Weihbischof Andreas Laun referierten. Deutlich wurde, dass Papst Benedikt XVI. wirklich ein Segen für die Kirche ist, weil er die Menschen zu Gott und damit zu ihrer wahren Bestimmung führt. Musikalisch umrahmt wurde die Kundgebung, die bei herrlichem Wetter stattfand, durch eine Gruppe der Katholischen Pfadfinder Europas.

Der Ruf zu Vergebung und Nächstenliebe

Weihbischof Andreas Laun feierte auch eine heilige Messe mit der am Kongress teilnehmenden Jugend in der Pfarrkirche “Unserer lieben Frau”. In seiner Predigt sprach er über das Thema Versöhnung und Feindesliebe und gab den jugendlichen Teilnehmern zwei ganz konkrete Tipps, wie man sich gegenüber Mitmenschen verhalten soll, mit denen man Probleme, ja vielleicht sogar denen gegenüber man eine regelrechte Abneigung hat: Man solle für sie beten und ihnen Gutes tun. Das brauche zwar viel Geduld und gelinge auch nicht immer – aber es sei trotzdem der beste Weg und auch im Sinne des Evangeliums. Das Thema Versöhnung und Vergebung kam auch bei einem Podiumsgespräch zum Tragen, bei der es um Probleme von Frauen und Männern in der Situation einer Trennung oder Scheidung vom Ehepartner ging. Neben Bischofsvikar Christoph Casetti aus Chur, der seit vielen Jahren intensiv in der Begleitung von Menschen in diesen Situationen tätig ist und hier Wege aufzeigt, wie Heilung aus dem Glauben an Jesus Christus möglich ist, kamen betroffene Eheleute zu Wort. Sie berichteten beeindruckend davon, wie sie trotz tiefer Verletzungen die Liebe Christi erfahren konnten und sich auch innerlich mit dem getrennten Ehepartner versöhnen konnten. Alle waren sie sich allerdings auch einig, dass die von der Kirche geforderte Unauflöslichkeit der Ehe der richtige Weg ist. Und es wurde auch in den Statements deutlich, dass dieses Bewusstsein, also das Fühlen mit der Kirche, umso mehr wuchs, je mehr man sich von Jesu Liebe ergreifen liess und sich auf sie einliess. Dabei spielten Gebet und Eucharistiefeier eine grosse Rolle.

Dieser Bedeutung von Gebet und Eucharistie für das christliche Leben trug auch der Kongress wie in jedem Jahr Rechnung. Neben den Feiern des heiligen Messopfers, davon eine im ausserordentlichen Ritus, fand eine Lichterprozession durch das Stadtviertel nahe der Kongresshalle mit Marienweihe statt.

Den Abschlussgottesdienst hielt der Präfekt des päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen Kardinal Kurt Koch. Mehr als 1000 Gläubige besuchten diese heilige Messe in  der Kirche St. Bernhard. In einer sehr tiefgehenden Predigt stellte der frühere Bischof von Basel heraus, dass wahre Freude und grosser, ja geradezu tödlicher Ernst im Christentum in einem eigentümlichen Zusammenhang stehen. Tatsächlich findet der Mensch gerade im Kreuz Jesu Christi die umfassende Liebe Gottes. Wir haben allen Grund uns über diese Liebe zu freuen – sind aber auch gerufen und herausgefordert, eben jene Liebe weiterzuschenken. Kardinal Koch wörtlich: “Freude am Glauben bewährt sich darin, dass die Kirche sich für die Menschen sorgt, weil sie darum weiss, dass sie an den Sorgen Gottes selbst um den Menschen teilnehmen und ihren Beitrag leisten darf, damit die Menschen von jener Freude erfüllt werden, die das schönste Markenzeichen des christlichen Glaubens ist.” Treffender kann man kaum das Anliegen des Kongresses ausdrücken.

Abschliessend darf auch wieder einmal mehr Dank für diesen Kongress in Karlsruhe gesagt werden, der von vielen Helfern, die wirklich zur Ehre Gottes und zum Segen der Menschen gearbeitet haben, hervorragend gestaltet worden war. Diesem selbstlosen Einsatz gilt ein ganz aufrichtiges “Vergelt’s Gott.”

Freude am Glauben

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