Historisch und prophetisch

Kein Zweifel: Das war eine historische Reise

Die Tagespost, 26.09.2011, von Markus Reder

Der  Papst ist wieder in Rom und in Deutschland wird Bilanz gezogen. Kein Zweifel: Das war eine historische Reise. Und dies nicht nur, weil mit Benedikt XVI. ein deutscher Pontifex sein Heimatland besuchte. Historisch muss man diese Tage vor allem wegen ihrer inhaltlichen Botschaft nennen. Klar, deutlich und – wie zu erwarten – kenntnisreich ist der Papst auf die Situation der deutschen Ortskirche eingegangen und hat unmissverständlich den Weg aus der Krise gewiesen. Reich an Strukturen und Institutionellem, arm an Glauben: So lautet der päpstliche Befund. Den Vorrang des Evangeliums wiederherstellen, Jesus Christus zum Massstab allen kirchlichen Handelns machen und in der Verbundenheit mit dem Nachfolger Petri dem Glauben wieder Leben einhauchen, um Sauerteig in einer areligiösen Gesellschaft zu sein: So lautet die Antwort Benedikts.

Das klingt ganz normal katholisch. Doch in einer Situation maximaler Verunsicherung, innerer Zerrissenheit und rapiden Glaubensschwundes ist diese Normalität weitgehend abhanden gekommen. Vor dieser dramatischen Entwicklung gewinnen die werbenden und mahnenden Worte des Papstes nicht nur historische Tragweite, sondern geradezu prophetische Züge. Denn die Wegweisung Benedikts geht weit über die aktuelle Situation hinaus. In seiner Freiburger Konzerthausrede hat der Heilige Vater mit klaren Konturen das Bild der Kirche von morgen entworfen. Er hat weder der Weltflucht das Wort geredet, noch von Gesundschrumpfen gesprochen, wie Kritiker meinen. Beides wäre ganz unkatholisch. Benedikt hat den Wandel skizziert und gezeigt, worauf es ankommt, wenn der Glaube Zukunft haben soll und die Kirche verlorenes Vertrauen zurückgewinnen will. Missionarische Kraft wächst nicht aus staatlichen Privilegien, Machtstreben oder klugen Taktiken, sondern allein aus dem in “totaler Redlichkeit” gelebten Evangelium. Starke Worte, über die noch viel zu reden sein wird.

Auch in Sachen Ökumene war diese Reise ein Fortschritt. Wer das anders sieht, verwechselt Ökumene und Einheit im Glauben mit politischer Kompromisssuche. Ein Fehler, vor dem der Papst in Erfurt mit Nachdruck gewarnt hat. Im Übrigen: Im Lande Luthers braucht es ein neues Bewusstsein dafür, dass Ökumene mehr ist als das Zwiegespräch zwischen Katholiken und Protestanten. Um dies deutlich zu machen, war die Begegnung mit den Vertretern der Orthodoxie und der Orientalen hilfreich. Auf dem Weg zur Einheit ist Rom mit der Orthodoxie ein gewaltiges Stück weiter. Das ist keine Frage von besonderen Vorlieben, sondern der grösseren Nähe im Bekenntnis.

Ja, diese Papstreise war ein grosser Erfolg. Ein Erfolg, mit dem wohl die Wenigsten gerechnet haben. Aber dieser Erfolg ist zerbrechlich. Zwei grosse Gefahren zeichnen sich ab. Gefahr eins: Die Reise wird zerredet und die Worte des Papstes bis zur Unkenntlichkeit durch die Mühlen des deutschen Kirchenbetriebes gedreht. Gefahr zwei: Der Papst wird “totgelobt”. Schön, dass er da war, jetzt ist er wieder weg. Im fernen Rom lässt man ihn einen guten Mann sein und geht eilig zur deutschen Tagesordnung über. Dies zu verhindern, ist vor allem Aufgabe der Bischöfe. An der Prioritätenliste der katholischen Kirche in Deutschland kann es nach dieser Papstvisite keinen Zweifel mehr geben. Alle Kraft, und in Deutschland heisst dies auch Geld, muss in die Erneuerung des Glaubens fliessen. Zurück zum eigentlichen Auftrag der Kirche bedeutet keinen Rückzug aus der Welt. Die von Benedikt leidenschaftliche geforderte Entweltlichung der Kirche ist die Voraussetzung, um unterscheidend anders, unterscheidend christlich diese Welt zu gestalten.

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