“Humanae vita” Prophetie Papst Paul VI.
Leitartikel: Einstieg in die Menschenzucht
Die Tagespost, 08.07.2011, von Stefan Rehder
Von welcher Tragweite die Entscheidung des Bundestags ist, die PID zuzulassen, kann nur ermessen, wer sie in die eigentliche Tragödie des Menschengeschlechts einordnet. Diese besteht im Kern darin, dass sich der Mensch immer wieder anschickt, das Erlösungswerk Gottes zurückzuweisen und stattdessen versucht, sich und seine Mitmenschen selbst zu erlösen. Entscheidend ist dabei weniger, ob ein Staat sich – wie in der Ära des Nationalsozialismus oder des Kommunismus – die Rolle des Erlösers anmasst und sie mit Macht gegen Widerstände verteidigt oder ob er seine Bürger per Gesetz ermächtigt, in die Rolle des Erlösers zu schlüpfen. Entscheidend ist, dass der Mensch sich dabei übernimmt und bestenfalls Gutgemeintes schafft.
Die Alternative zu dieser Tragödie besteht nicht, wie die Verfechter der PID glauben zu machen versuchen, in einer unaufgeklärten, blinden Schicksalsergebenheit, die das Leben klag- und tatenlos nimmt, wie es kommt, sondern in einem sicheren Gespür für die Möglichkeiten und Grenzen verantwortbaren Handelns. Dazu gehört, dass das Recht, Leid abzuwehren, seine Grenze dort finden muss, wo es nur um den Preis der Vernichtung von Menschen durchgesetzt werden könnte.
Wie weit dieses Gespür der Mehrheit der Volksvertreter abhanden gekommen ist, lässt sich auch daran ablesen, dass das künftige Gesetz die PID selbst in Fällen erlaubt, in denen die Eltern kein besonderes Risiko besitzen, genetisch bedingte Krankheiten zu vererben. Von “engen Grenzen” kann, trotz gebetsmühlenartiger Wiederholung, also keine Rede sein. Zu befürchten ist vielmehr, dass die PID bei der künstlichen Befruchtung in Kürze genauso zum Standard zählt, wie die Pränatale Diagnostik (PND) bei natürlicher Zeugung.
Ist das der viel zitierte Dammbruch? Die Antwort hängt davon ab, wie eng der Blick ist, mit dem man auf das Fortpflanzungsgeschehen schaut. Nimmt man nur die 200 Paare in den Blick, für die die PID nach den Beteuerungen ihrer Befürworter in Frage kommen soll, erscheint die Rede vom Dammbruch natürlich übertrieben. Dass dies jedoch unangemessen wäre, belegen die Erfahrungen, die wir mit der Liberalisierung der Abtreibung und der Zulassung der PND gemacht haben. Rund 120 000 “sichere Abtreibungen” pro Jahr, das kommt einer Ausrottung ganzer Städten von der Grösse wie Ingolstadt gleich. Erschwerend kommt hinzu, dass die Zulassung der PID nur als erster Schritt einer Reihe von Gesetzesvorhaben betrachtet werden muss, die in Vorbereitung sind. Dazu gehört etwa die von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen befürwortete Förderung der In-vitro-Fertilisation (IVF) aus Steuergeldern. Würde diese, wie von der Leyen wünscht, nicht nur in Sachsen, sondern bundesweit praktiziert, würden die Leistungen der Reproduktionsmedizin, die sich nur Gutbetuchte leisten können, für alle erschwinglich. Und weil die Menschen heute immer später Kinder bekommen, wird die IVF für viele zum Mittel der Wahl. Je weiter die Technik fortschreitet, desto übermächtiger wird die Versuchung, Kinder tatsächlich zu designen. Und wer dann fragt, wieso es so weit kommen konnte, dem wird man antworten, weil der Bundestag im Sommer 2011 die PID zuliess.
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