Homilie an Pfingsten 2011

Dr.Vitus Bischof Huonder von Chur

Brüder und Schwestern im Herrn,

“Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen” (Lk 12,49). Das ist ein Wort des Herrn, welches uns der Evangelist Lukas berichtet. Damit befinden wir uns im gleichen theologischen Umfeld wie der Abschnitt aus der Apostelgeschichte, den wir eben in der Lesung gehört haben und der uns das Ereignis von Pfingsten schildert. Das Wort: “Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen”, muss in diesen Zusammenhang gestellt werden. Es ist ein Wort, das der Erklärung bedarf.

“Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen”. Dieses Wort bedarf der Erklärung: Das Feuer hat verschiedene Bedeutungen. Es kann verbrennen und vernichten und ist Ausdruck der Zerstörung. Durch das Feuer zerstört Gott das sündhafte Treiben der Menschen, wie uns dies etwa im Zusammenhang mit Sodoma und Gomorra bekannt ist. In Lk 12,49 meint Jesus jedoch nicht dieses Feuer. Er meint ein anderes Feuer.

Das Feuer hat auch die Bedeutung des Göttlichen. Es zeigt die göttliche Gegenwart an. Gott erscheint im Feuer. Gott ist von Feuer umgeben. Das weist einerseits auf die Erhabenheit Gottes hin. Gott steht über dem Feuer. Das Feuer kann ihm nichts anhaben. Anderseits zeigt das Feuer auch das göttliche Leben, die göttlichen Gnade an. Vom göttlichen Feuer entfacht werden, bedeutet die Gnade Gottes empfangen. Wir erhalten göttliches Leben. “Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen.” Jesus möchte in uns das göttliche Leben bewirken. Er möchte, dass wir vom göttlichen Leben erfasst werden, dieses göttliche Leben in uns tragen und selber zu Feuerwerfern der göttlichen Gnade werden, zu Menschen, die in dieser Welt das göttliche Feuer entfachen.

Am Pfingstfest erfüllte sich der Wunsch unseres Herrn. Der Heilige Geist kam in Feuerzungen auf die Apostel herab: “Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus , in dem sie waren. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder” (Apg 2,2-3). Wenn Jesus sagt: Wie froh wäre ich, es würde schon brennen, dann sehnt er sich gewiss auch nach Pfingsten, nach dem Augenblick, da der Heilige Geist vom Himmel her auf die Apostel herabkommt und durch die Apostel die Welt mit seinem Feuer, dem göttlichen Feuer erfüllt. An Pfingsten beginnt dieses Feuer zu brennen, und es brennt bis zur Stunde; denn der Glaube, den Jesus verkündet und uns geschenkt hat, ist bis zur Stunde in den Herzen der Menschen lebendig. Ja, das Feuer, von dem der Herr sprach, ist nichts anderes als dieser Glaube, der vom Heiligen Geist gewirkte Glaube, der sich trotz vieler Widerstände, Rückschläge und Feindseligkeiten ausbreitet und die ganze Erde erfüllt.

In der jüngsten Vergangenheit war immer wieder die Rede davon, dass die Kirche, dass der Glaube der Kirche mehr und mehr abnimmt, und dass wir einer kirchlichen Katastrophe entgegengehen. So hat der bekannte Theologe Hans Küng vor kurzem ein Buch mit dem Titel herausgegeben “Ist die Kirche noch zu retten?” Er meint, vor allem die katholische Kirche sei krank, vielleicht sterbenskrank. Dazu möchte ich festhalten: Vergessen wir nicht, die Kirche ist in dieser Welt nie die vollkommene Kirche. Sie ist hier auf Erden nicht die himmlische Kirche, auch wenn sie mit der himmlischen Kirche verbunden ist. Sie ist immer die Kirche mit Wunden und Fehlern, die Kirche in Gefahr, die Kirche in Krise, die kranke Kirche. Die Kirche ist wie eine grosse Stadt, mit den verschiedenen Lebensräumen, mit schönen Wohnvierteln, mit Bauplätzen, mit Geschäftshäusern, mit Schulen, mit Altenheimen, mit Spitälern, ja sogar mit Gefängnissen. So begegnen wir immer wieder der leidenden Kirche. Aber das ist nur die eine Seite. Die Kirche ist immer auch die heilige, die aufblühende, die siegreiche. Das ist sie auch in unserer Zeit. Sie ist es deshalb, weil in ihr bis zur Stunde jener Geist wirkt, der an Pfingsten die Herzen der Apostel erfüllt hat. Das Feuer, das Christus gebracht hat, brennt bis heute und wird auch weiterbrennen, weil wir als Kirche nicht allein sind, sondern weil der Heilige Geist mit uns geht und das Feuer des Glaubens immer neu in den Herzen der Menschen entfacht. Ja, arbeiten wir an der Erneuerung der Kirche, an ihrer Gesundung, eine Arbeit, die nie zu Ende geht; aber arbeiten wir mit Hoffnung und im Bewusstsein, dass der Heilige Geist uns ebenso stärkt und erfüllt, wie die Apostel am ersten Pfingsten.
Amen.

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