Im Blickpunkt: Abrüstung auf beiden Seiten
Die “alte” Messe lebt weiter – den Rest wird die Zukunft zeigen
Die Tagespost, 13. Mai 2001, Von Guido Horst
Vor der Veröffentlichung der Instruktion der Glaubenskongregation zur “alten” Messe, womit das Motu proprio “Summorum Pontificium” von 2007 nun seine Ausführungsbestimmungen erhalten hat, herrschte bei den Anhängern des ausserordentlichen Messritus eine gewisse Unsicherheit. Traditionalistische Kreise schürten Ängste, der Vatikan könne – vielleicht auf Druck nationaler Bischofskonferenzen – den erklärten Willen Papst Benedikts, die Messe nach dem alten Ritus wieder freizugeben, unterlaufen und die Umsetzung des Motu proprio durch entsprechend restriktive Ausführungsbestimmungen de facto verunmöglichen. Diese Ängste haben sich als unbegründet erwiesen.
Die heute veröffentlichte Instruktion schafft Rechtssicherheit. Sie baut keine neuen Hürden auf – etwa durch Mindestzahlen für Gruppen, die die “alte” Messe feiern wollen –, sie verpflichtet die Bischöfe, das Motu proprio umzusetzen, und garantiert für den Fall, dass es Ärger gibt, nach wie vor die Möglichkeit, sein Recht bei der Kommission “Ecclesia Dei” in Rom einzufordern. Es ist also an der Zeit, abzurüsten. Auf Seiten der Anhänger der ausserordentlichen Form des römischen Ritus, die auch nach dem Motu proprio von 2007 die Grundhaltung des Misstrauens nicht aufgeben wollten, wie auch auf Seiten der Gegner der päpstlichen Entscheidung zugunsten der “alten” Messe: Es richtet überhaupt keinen Schaden an, wenn hier und dort Gemeinschaften und Gruppen von Gläubigen nach dem Messbuch von 1962 die Messe feiern. Beide Seiten sollen sich vielmehr befruchten, es herrscht mehr Freiheit und zum Schaden der Liturgie wird das gewiss nicht sein.
Denn ein Streit um das alte Messbuch wäre in den hiesigen Breitengraden geradezu idiotisch. Das Dach brennt, und im Keller streitet man sich, welche Kerzen anzuzünden seien. Die ungeheure Krise, die die Kirche in den ehemaligen Kernländern des Christentums durchlebt und die sicherlich eine Gotteskrise ist, kann nun wirklich keinen Ritenstreit gebrauchen. Keine Angst, kein Misstrauen, keine ewige Besserwisserei auf einem Gebiet, auf dem der Papst ein für alle Mal den Weg gewiesen hat. Ob einer in einer Messe nach altem Ritus die Schönheit der Liturgie und damit den Glauben wieder entdeckt oder beim Gottesdienst in einer Bischofskirche oder in einer Papstmesse – das ist zweitrangig. Wichtig ist, dass die Kirche in ihren Gliedern Glaubwürdigkeit und Ausstrahlungskraft wieder erlangt – und diese sich nicht Gebetbücher an den Kopf werfen. Die Zeit der ideologischen Richtungskämpfe muss zu Ende sein. Die “alte” Messe lebt weiter – den Rest wird die Zukunft zeigen.
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