Die Früchte sind sichtbar
Die Saat des nun seligen Papstes aus Polen ist reichlich aufgegangen
Rom, Deutsche Tagespost, 02.05.2011, Guido Horst
Glanzvoller hätte die Seligsprechung von Johannes Paul II. nicht sein können. Die Zahl der Teilnehmer hat alle Rekorde gebrochen. Das Wetter hat mitgespielt. Ein Traum. Und doch gab es Dinge, die der in- oder ausländische Zuschauer in seinem warmen Fernsehsessel kaum gesehen hat – und die man dennoch festhalten sollte: Es war kühl, fast kalt, in der Nacht vom Samstag auf den Seligsprechungssonntag. In den Strässchen und Gässchen rund um den Petersdom und die Via della Conciliazione sassen und lagen sie. Andere hielten sich auf den Beinen, weil der Schlaf nicht kommen wollte. Junge Eltern hatten ihre kleinen Kinder dabei. Hunderttausende mögen die Nacht so verbracht haben.
Als dann am Sonntagmorgen die Meldung kam, über eine Million Menschen hätten den Weg zur Seligsprechung gefunden – gestern dann sprach man nach Auswertung der Helikopter-Bilder von anderthalb Millionen –, war die Erleichterung gross. Vier- bis fünfmal so viel Menschen hat der polnische Papst angezogen, als die kirchlichen Stellen in Rom ursprünglich erwartet hatten. Mindestens doppelt so viele waren gekommen wie bei Pater Pio, auch das Konzert der italienischen Gewerkschaften am gleichen Tag vor der Lateranbasilika wurde locker geschlagen. Doch geht es in der Kirche um Zahlen? Ist es das Ziel von Mission und Verkündigung, immer nur Millionengrenzen zu knacken?
Zurück zu der feucht-kühlen Nacht, in der Hunderttausende auf die Öffnung des Petersplatzes warteten. Bunt gemischt, keine Hautfarbe fehlte, aus aller Herren Länder waren sie gekommen, bei weitem nicht nur aus Polen und den italienischen Regionen. Das waren keine Vertreter der Hip-Hop-Generation, die bei dreissig Grad im Schatten auch mal einen Weltjugendtag mitnehmen als spassigen event. Denen hier war es ernst. Vielleicht hatten viele von ihnen beim Requiem 2005 auch spontan “Santo subito” gerufen, als dieser Slogan die Runde machte – oder sich ihm im Geiste angeschlossen. Jetzt lösten sie ihn ein. Sechs Jahre, das ist eine lange Zeit, in der flüchtige Begeisterung verfliegt – oder aber eine klare Überzeugung sich festigt und reift. Die “Generation Wojtyla”, sie hat sich nicht verflüchtigt, sie ist mit dem Tod “ihres” Papstes nicht in ein Taufschein-Christentum zurückgefallen, sondern gab jetzt auf den harten und kühlen “Sanpietrini”den kleinen römischen Pflastersteinen, ein beredtes Zeugnis dafür, dass es sie noch gibt – nicht nur jetzt, bei der Seligsprechung in Rom, sondern sicherlich noch in viel grösserer Zahl in allen Teilen der Welt. Und wer auf nacktem Boden das Opfer einer gequälten Nacht bringen kann, wird in der Heimat, auf Dauer, noch ganz anders wirken.
Es ist somit keine Nostalgie, die vom Pontifikat Wojtylas übriggeblieben ist, es ist kein Goldglanz des Vergangenen, der sich längst schon über die charismatischen Auftritte Johannes Pauls II. gelegt hätte. Die Früchte sind da, und sie haben sich als dauerhaft erwiesen. “Die Kirche ist jung – und sie ist lebendig”, rief Benedikt XVI. zu Beginn seiner Amtszeit aus. Die Saat des nun seligen Papstes aus Polen ist reichlich aufgegangen. In Rom hat sie jetzt ihr reif gewordenes Gesicht gezeigt.
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