Bedenkliches Niveau in der Seelsorge

Und dies in Anbetracht des katastrophalen Zustandes des katholischen Glaubens in unserem Lande

“Schon immer allergisch gegen klerikale Machtallüren”

Flüeli-Ranft  |  01. September 2010

Obwaldner Seelsorger wegen möglichem Weihbischof besorgt

Der Konflikt innerhalb der katholischen Kirche des Bistums Chur geht weiter. Nun hat die Dekanatsversammlung Obwalden die Initiative ergriffen und Bischof Vitus Huonder eine Absage erteilt. Auch der Lungerer Kirchenhistoriker Albert Gasser geht mit der Kurie hart ins Gericht. Handkehrum wehrt sich der als Weihbischof gehandelte Martin Grichting.

In der Kirche in Flüeli-Ranft, hinter der Statue von Bruder Klaus, trafen sich die Obwaldner Seelsorgerinnen und Seelsorger.

“Die Schweizer Kirche muss aufpassen, dass sie nicht aus der Kurve fliegt”, sagte Martin Grichting gegenüber der Tageszeitung “Südostschweiz”. Die entsprechende Aussage machte der 43-jährige Generalvikar im Zusammenhang mit dem schweizerischen Kirchenrecht, bei dem Landeskirche und Kirchgemeinden zur “Einheit der Kirche” gehören, wovon der Generalvikar wenig hält. Solche staatskirchlichen Organisationen sind für ihn fehl am Platz; gleichzeitig betont er allerdings, dies als geltendes Recht trotzdem zu respektieren und zu befolgen. Klar besser wäre seiner Ansicht nach jedoch, wenn die Kirche in der Schweiz völlig eigenständig und ohne derartige Strukturen organisiert wäre.

Obwaldner Dekanat besorgt

Anderseits verpasste Grichting der Opposition innerhalb der Diözese einen Seitenhieb, die von einer breiten Ablehnung des Generalvikars und der Personalpolitik von Bischof Vitus Huonder geredet hatte. “Wenn ich die Leserbriefspalten in den verschiedenen Publikationen der Bistumskantone anschaue, erkenne ich keine grosse Protestwelle.” Heftige Ablehnung gegen eine Wahl Grichtings durch den Bischof hatten die Kantonalkirchen geäussert, dann auch die fünf Dekane der Urschweiz. Die Proteste gehen nun weiter. Gerade hat das Dekanat Obwalden dezidiert Stellung bezogen, als es sich zur jährlichen Augustinusjahrzeit, die dem Patron des Dekanats gewidmet ist, in der Kirche in Flüeli-Ranft getroffen hat. In einem Pressecommuniqué machte es nach der Versammlung deutlich, wie sehr die Seelsorgerinnen und Seelsorger des Kantons besorgt sind: “Das Dekanat Obwalden erachtet das Risiko eines neuen Bistumsstreites, der durch die Ernennung von Dr. Martin Grichting ausgelöst werden könnte, als nicht verantwortbar.” Weiter ersucht die Dekanatsversammlung den Bischof “dringlich, auf die Ernennung eines zweiten Weihbischofs definitiv zu verzichten”.

Dekane übergangen

Bisher war das trotz der Proteste kein Thema. Als “innerkirchliche Diktatur” hat der aus Lungern stammende Kirchenhistoriker Albert Gasser die derzeit herrschenden Zustände bezeichnet. Gasser lehrt als Honorarprofessor an der Theologischen Hochschule Chur (THC) und hatte unter Bischof Haas seinen Sessel als deren Rektor räumen müssen. Der Vatikan lehne das duale System ab, weil man nicht wolle, dass andere mitentscheiden. Diese Haltung dominiert auch an der Spitze des Bistums Chur, wo auf dem Weg zur Ernennung eines zweiten Weihbischofs der Priesterrat nicht zugezogen worden sei. Gasser kritisierte Bischof Vitus Huonder zudem, weil er in seiner nach einiger Bedenkzeit in Form eines offenen Briefes erfolgten Antwort auf die Vorwürfe zur Wahl eines zweiten Weihbischofs die Dekane schlichtweg übergangen habe. Die fünf Dekane der Zentralschweiz hatten eindringlich vor einer Wahl Grichtings gewarnt, weil dadurch eine Zerreisprobe drohen würde.

Kirchenhistoriker Albert Gasser nimmt kein Blatt vor den Mund.

Geschlossene Haltung bei Klerus

Dass die Dekanatsversammlung Obwalden jetzt aus eigenem Antrieb mit Kritik nachdoppelt, überrascht Albert Gasser keineswegs. «”ch bin überhaupt nicht erstaunt”, sagt der 72-Jährige gegenüber der ONZ. “Das Volk war hier schon immer allergisch gegen klerikale Machtallüren”. In Nidwalden und Obwalden stehe der Klerus geschlossen hinter dieser Position. Wenn gegen Treu und Glauben verstossen werde, dann wehrten sich die katholischen Stammlande eben. Anderswo hätten die Gläubigen resigniert. Solche trifft Gasser, der in Chur lebt, derzeit häufig. “Menschen, die stets voll in der Kirche gelebt haben”, betont er. Als beispielhaft erwähnt er eine rund 70-jährige, “urkatholische Frau”, mit der er in diesen Tagen in der Stadt gesprochen habe: “Sie hat mir gesagt, sie habe ihre Heimat verloren”.

Sektiererische Züge

Dass Generalvikar Grichting antönte, es habe keine grossen, sichtbaren Proteste ausser den angesprochenen Medienmitteilungen gegeben, nervt Kirchenhistoriker Gasser: “Als es während dem Konflikt um Bischof Haas Leserbriefe hagelte, war vom bösen Volk die Rede. Jetzt ist das plötzlich anders, jetzt stützt man sich auf das Volk.” Ihn stört, dass sich Bischof Huonder und seine Getreuen sektiererisch gebärden: “Wer sich Gehör verschaffen will, kann dies deshalb nur über die Öffentlichkeit tun. Intern zu diskutieren, ist nicht möglich.” Grundlegende Differenzen gibt es im Churer Kirchenkonflikt schon darüber, wie in der Schweiz das kirchliche Zusammenspiel aufgebaut ist. Die Landeskirche mit den entsprechenden Organen hat einiges an Gewicht, der Klerus hat nicht allein das Sagen. Dass Gläubige mitbestimmen, damit tut sich auch Generalvikar Martin Grichting schwer, was ihm angekreidet wird. Wobei er zuletzt betonte, er sei Demokrat und akzeptiere das staatskirchenrechtliche System der Schweiz – obwohl er damit eigentlich nicht einverstanden ist. Ob Bischof Vitus Huonder an Grichtings Berufung zum Weihbischof festhält, ist offen. Die klaren Signale, dass ein bedeutender Teil des Klerus dies keinesfalls akzeptieren wird, könnten ihn dazu verleiten, keine Eskalation wie zu Zeiten von Bischof Haas zu riskieren und auf den umstrittenen Personalentscheid zu verzichten.

Quelle
Kirchenrecht

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