Priestertreffen der letzten fünf Weihejahrgänge

Bischof Vitus Huonder, Homilie in der Hl. Messe

Chur, Montag, 7. März 2011 

Meine lieben Mitbrüder

heute, in der neunten Woche der Zeit im Jahreskreis, beginnt die Kirche den Lesezyklus aus dem Buch Tobit. Tobit ist der Vater von Tobias, der beherrschenden Gestalt des Buches. Im eben gehörten Abschnitt hat sich Tobit folgendermassen vorgestellt: “Ich, Tobit, habe mich mein ganzes Leben lang an den Weg der Wahrheit und Gerechtigkeit gehalten, und ich habe den Brüdern aus meinem Stamm und meinem Volk, die mit mir zusammen in das Land der Assyrer nach Ninive gekommen waren, aus Barmherzigkeit viel geholfen” (Tob 1,3). Warum setzt der Autor des Buches Tobit diese kurzen biographischen Angaben an den Anfang seiner Schrift? Warum lässt er Tobit seinen gerechten Lebenswandel erwähnen? Wir erinnern uns dabei an die Lehrrede Jesu über den Pharisäer und den Zöllner und an die anschliessende Bemerkung: “Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden” (Lk 18,14). Ist es nicht so, dass sich Tobit erhöht? Brüstet er sich nicht mit seinem Tun? Rechnet Tobit nicht seine Verdienste vor?

Wenn wir eine solche Rede beurteilen wollen, müssen wir uns zunächst fragen, in welchem Geist sie vorgetragen wird. Will sich der Sprecher vor Gott rechtfertigen? Will er gross tun? Will er sich andern gegenüber als der Bessere darstellen? Das wäre allerdings nicht gut. Das wäre jene Haltung, welche Jesus tadelt. Doch eine solche Rede kann auch aus einem anderen Geist kommen und etwas anderes bezwecken. Sie will den Hörer oder den Leser aufrichten. Sie will ihm Mut zusprechen. Sie will sagen: “Ich habe eine gut Erfahrung damit gemacht, dass ich mich an Gottes Wege hielt.”

Die Geschichte des Buches Tobit, die anschliessend über 14 Kapitel hinweg berichtet wird, will zeigen, wie der gesetzestreue Mensch viel zu leiden hat, aber letztendlich doch zu einem glücklichen, von Gott gesegneten Ziel gelangt. Sie will zeigen, dass es sich wirklich lohnt, sich ein “ganzes Leben lang an den Weg der Wahrheit und Gerechtigkeit” zu halten. Das kommt im Lobpreis von Kapitel 13 wunderbar zum Ausdruck, wo Tobit betet: “Wenn ihr zu ihm umkehrt von ganzem Herzen und aus ganzer Seele, und euch an seine Wahrheit haltet, dann kehrt er sich euch zu und verbirgt sein Angesicht nicht mehr vor euch” (Tob 13,7). Mit anderen Worten heisst das: Die Treue zum Herrn bezahlt sich aus. Auf ihr ruht ein grosser Lohn. Niemand wird enttäuscht, der sich an die Wege des Herrn hält.

Meine lieben Mitbrüder, auch Ihr habt durch Euer Weiheversprechen dem Herrn zugesichert, dass Ihr Euch Euer ganzes Leben lang an den Weg der Wahrheit und Gerechtigkeit halten wollt, das heisst an jenen Weg, der für Euer Priestertum vorgezeichnet ist. Auch Ihr sollt einmal am Ende Eures Lebens sagen können: “Ich habe mich mein ganzes Leben lang an den Weg der Wahrheit und Gerechtigkeit gehalten, und ich habe den Brüdern aus meinem Stamm und meinem Volk … aus Barmherzigkeit viel geholfen.” Mit Blick auf den priesterlichen Dienst können wir dieses Bekenntnis auch so ausdrücken: “Ich habe meinen priesterlichen Dienst – trotz vieler Widerstände und Schwierigkeiten – erfüllt und den Menschen kraft meiner mir gewährten Vollmacht geholfen.” In diesem Sinn möchte ich im Hinblick auf Euer Priestertum die Worte wiederholen: Die Treue zum Herrn bezahlt sich aus. Auf ihr ruht ein grosser Lohn. Ihr werdet nicht enttäuscht.

Das Buch Tobit lehrt uns noch etwas. Der Mensch, der wie Tobit sich sein “ganzes Leben lang an den Weg der Wahrheit und Gerechtigkeit” hält, ist nie allein. Der Sohn Tobits, Tobias, wird auf seiner Reise nach Rages in Medien von einer geheimnisvollen Gestalt begleitet und immer wieder unterstützt. Am Ende der Erzählung offenbart sich der Begleiter mit den folgenden Worten: “Ich bin Rafael, einer von den sieben heiligen Engeln, die das Gebet der Heiligen empor tragen und mit ihm vor die Majestät des heiligen Gottes treten” (Tob 12,15). Auch Ihr werdet bei Eurem Dienst begleitet. Ihr seid nicht allein. Die Engel Gottes sind mit Euch. Sie stehen Euch bei und tragen auch Eure Gebete und Bitten empor, vor die Majestät des heiligen Gottes. Lasst euch daher nie entmutigen, wendet euch immer wieder an Eure heiligen Engel und bittet sie um Kraft und Hilfe, damit Ihr euren Dienst, Euren Auftrag als Priester, zu erfüllen vermögt.

Im Evangelium sprach Jesus von seiner Verwerfung: “Die Winzer aber sagten zueinander: Das ist der Erbe. Auf, wir wollen ihn töten, dann gehört sein Erbgut uns” (Mt 12,6). Dabei zitiert der Herr Psalm 118 (117),22: “Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, er ist zum Eckstein geworden.” Priester sein heisst immer auch an dieser Verwerfung Jesu teilnehmen. Irgendwann kommt für jeden Priester der Augenblick, da er vor der Entscheidung steht, mit Jesus das Schicksal zu teilen – oder sich auf die andere Seite zu schlagen. Da braucht der Priester auch den Beistand der Engel, die ihn stützen, die ihm Raten. Da braucht er auch einen Engel Rafael, der auf die Gefahren hinweist und Wunden heilt. Dabei achtet auf den zweiten Teil von Psalm 118 (117),22: “… er ist zum Eckstein geworden.” Mit Christus werdet auch Ihr Ecksteine, wenn Ihr es mit ihm wagt, auch dann wagt, wenn es um Euer Leben geht, es darum geht, dieses Leben ganz für den Herrn einzusetzen. So bitte ich Euch, Euer Priesterleben wiederum in die Hände des Herrn zu legen und ihm zu sagen: “Ja, Herr, mein ganzes Leben lang will ich mich an den Weg der Wahrheit und Gerechtigkeit halten … an den Weg, den ich mit dir begonnen habe, den ich mit dir gehen will, den ich einst in dir vollenden möchte.” Amen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Chur

bischof_vitus01

Kategorien

Die drei Säulen der röm. kath. Kirche

monstranz maria papst-franziskus

Archiv

Empfehlung

Ausgewählte Artikel