Ein Wort zum Sakrament der Ehe
“Als Mann und Frau schuf er sie” (Gen 1,27)
Hirtenbrief zur Fastenzeit 2011, von Msgr. Dr. Vitus Huonder, Bischof von Chur
Brüder und Schwestern im Herrn
Heute, am ersten Fastensonntag, führt uns die Lesung aus dem Buch Genesis zum Schöpfungsmorgen zurück: “Gott, der Herr, formte den Menschen aus Erde vom Ackerboden und blies in seine Nase den Lebensatem. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen”. Die Fastenzeit ist eine Zeit der Besinnung und der Erneuerung des Glaubens. Sie soll uns daher auch daran erinnern, dass wir Gottes Schöpfung sind und unser Leben von Gott empfangen haben. Sie soll uns helfen, unsere Wurzeln wieder zu finden und den Schöpfungsplan Gottes neu zu entdecken.
Mann und Frau im Schöpfungsplan Gottes
Der Schöpfungsplan Gottes umfasst auch die Existenz von Mann und Frau. So lesen wir im ersten Kapitel des Buches Genesis: “Gott schuf also den Menschen als sein Abbild, als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie”. (2) Mit der Erschaffung des Menschen wird die einzigartige Gemeinschaft von Mann und Frau grundgelegt: die Ehe. Der zweite Schöpfungsbericht hält diese Wahrheit mit dem eindrücklichen Bild fest, dass Mann und Frau ein Fleisch werden. (3) Diese Formulierung unterstreicht die lebendige Einheit, welche durch die eheliche Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau entsteht. Mann und Frau bilden einen einzigen Lebensorganismus. Darin liegt der Grund für die Unauflöslichkeit der Ehe. Das Einssein im einen Fleisch macht anderseits deutlich, dass die Sexualität des Menschen der Ehe zugeordnet ist.
1) Gen 2.7
2) Gen 1.27
3) Gen 2.24
Die Ehe nach der Lehre Christi
Im Brief an die Römer erinnert uns der heilige Paulus daran, dass die Sünde des einen Menschen den guten Schöpfungsplan Gottes verdunkelt und das Böse in die Welt hineingetragen hat: “Durch einen einzigen Menschen kam die Sünde in die Welt und durch die Sünde der Tod…” (5)
Vom Bösen berührt wurde auch das Verhältnis von Mann und Frau. Der Mensch bedarf auch in Hinblick auf die Ehe der Heilung und der Erlösung. Das gibt unser Herr zu erkennen, als die Pharisäer darauf hinweisen, dass Moses erlaubt habe, eine Frau aus der Ehe zu entlassen. Jesus antwortet: “Nur weil ihr so hartherzig seid, hat er dieses Gebot gegeben. Am Anfang der Schöpfung hat aber Gott sie als Mann und Frau geschaffen. Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen, und die zwei werden ein Fleisch sein. Sie sind also nicht mehr zwei, sondern eins.. Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen”. (6) Jesus führt die Ehe zum Ursprung zurück und weist auf den Schöpfungsplan Gottes hin. Er legt frei, was durch die Willkür und Herzenshärte des Menschen verschüttet war.
4) Gen 3.3
5) Röm 5.12
6) Mk 10.5-9; vgl. auch Mt 19.1-8 und Lk 16.18
Die Ehe im Rang eines Sakraments
Der erlösende Tod unseres Herrn wirkt sich auch auf den Stand der Ehe aus. Darauf verweist der heilige Paulus, da er die Ehe ein Geheimnis nennt. Mit diesem Ausdruck bezeichnet er eine göttliche Wirklichkeit, eine Wirklichkeit, die Gottes Heil schenkt. (7) Die Ehe erhält den Rang eines Sakraments. Sie wird in Christus zu einem Ort der Gnade. Christliche Eheleute sind berufen, die Treue und Liebe Christi bis zum Tod am Kreuz, in ihrer Ehe erfahrbar zu machen. Deshalb leitet die Kirche die Getauften an, sich auf der Grundlage des Glaubens auf die Ehe vorzubereiten und sie vor dem Bischof, dem Priester oder dem Diakon zu schliessen. Das gemeinsame Leben soll unter dem Segen des Sakraments stehen.
Die lebendige Beziehung der Eheleute zu Christus
Der Sinn der Ehe besteht in der beständigen Lebensgemeinschaft von Mann und Frau, in der gegenseitigen Liebe und Treue und in der Weitergabe des Lebens. (8) Dieses Ziel werden Eheleute erreichen, wenn sie in einer tiefen Beziehung zum Herrn stehen, sich in Christus annehmen und aus seiner Gnade leben. Anderseits erhält die Ehe als Abbild der Liebe Christi zu seiner Kirche und der Hingabe der Kirche an ihren Herrn letzte Tiefe und Würde. (9)
Aus dem Glauben an Christus werden Mann und Frau ihr gemeinsames Leben gestalten und Kraft schöpfen. Hier finden sie die Quelle, um die Tugenden des ehelichen Lebens zu festigen, nämlich ausschliessliche Liebe zum Ehepartner, Hingabe, Treue, Rücksicht, Teilnahme am Schöpfungswerk Gottes durch die Weitergabe des Lebens und die vom Glauben geprägte Erziehung der Kinder. Eine grosse Hilfe ist die Erneuerung der sakramentalen Gnade und des Eheversprechens. Dies geschieht durch das tägliche gemeinsame Gebet und die Teilnahme am Leben der Kirche, insbesondere durch den Besuch der sonntäglichen Eucharistiefeier und die regelmässige heilige Beichte. Gerne gebe ich Ehepaaren auch die Gelegenheit zu einem jährlichen Tag der Einkehr zusammen mit dem Bischof, zu einem Tag der Ehe, an welchem sie die Werte des Ehebundes wiederentdecken und das Eheversprechen feierlich erneuern können.
7) Vgl. Eph 5.32
8) Vgl. Katechismus der katholischen Kirche 1643-1654
9) Vgl. Eph 5.25-27
Die Erziehung zur Ehe
Die Ehe ist der Ursprung der menschlichen Gesellschaft und der Kern der Familie. Dem muss die Erziehung und Formung der Kinder und Jugendlichen entsprechen. Im Fastenhirtenbrief des vergangenen Jahres habe ich darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, dass wir der Jugend die Werte des christlichen Lebens nicht vorenthalten. (10) Die Eltern insbesondere sollen diese Werte weiter vermitteln. Dazu gehört auch die Berufung zu einer christlichen Ehe. Es ist Aufgabe der Eltern, ihren Kindern und Jugendlichen diese Berufung vorzuleben und mit ihnen über deren Bedeutung und Schönheit zu sprechen. Sie werden andererseits für und mit ihren Kindern um eine gute Standes- oder Partnerwahl beten.
Ebenso darf in den christlichen Gemeinschaften vor Ort die Reflexion über die Ehe mit den Jugendlichen und jungen Erwachsenen nicht fehlen. Vor allem bei der Jugendarbeit soll die Gelegenheit wahrgenommen werden, jungen Menschen die Bedeutung einer christlichen Ehe zu eröffnen. Schliesslich wird man der unmittelbaren Vorbereitung auf den Empfang des Ehesakramentes genügend Zeit einräumen, damit die jungen Paare im Glauben gefestigt den Bund der Ehe eingehen können.
10) Ein Wort für die Jugend – ein Wort an die Jugend, S 4
Die Tugend der Keuschheit
Die Erziehung zur Ehe hängt eng mit der Anleitung zu einem geordneten und aus dem Glauben verantworteten sexuellen Leben zusammen. Sie hat ihren Ort zuerst in der Familie und darf nicht dem vom Glauben losgelösten Geist der öffentlichen Sexualerziehung überlassen werden. Die Eltern werden auf ihrem Recht auf die Sexualerziehung ihrer Kinder und Jugendlichen beharren und es auch wahrnehmen. Sie können sich dabei von Personen unterstützen lassen, welche sich der Lehre der Kirche verpflichtet wissen. Die jungen Menschen sollen lernen, ihre Geschlechtlichkeit als Gabe Gottes zum Aufbau der Schöpfung anzunehmen und in Ehren zu halten. Zur Erziehung gehört daher auch die Anleitung zur Enthaltsamkeit, zur Tugend der Keuschheit. Um seine Geschlechtlichkeit geordnet und im Sinne des Schöpfers leben zu können, muss sich der junge Mensch in die geschlechtliche Enthaltsamkeit einüben. Erfreulich ist, dass es an vielen Orten auf der Welt Zusammenschlüsse von Jugendlichen und Familien gibt, welche sich für eine gute und dem christlichen Glauben entsprechende Vorbereitung auf die Ehe einsetzen, auch für die voreheliche Enthaltsamkeit.
Brüder und Schwestern im Herrn, die Berufung zu einer christlichen Ehe soll viele Menschen begeistern und ihrem Leben Sinn und Inhalt geben. Es soll andererseits für Ehepaare eine Grundlage sein, als Hauskirche zu leben und sich immer wieder unter den Schutz der heiligen Familie, Jesus, Maria und Josef, zu stellen. Ihre Fürbitte erwirke allen eine tiefere Erkenntnis des Schöpfungsplanes Gottes und die Kraft, diesem Plan zu entsprechen. So wünsche ich von Herzen eine gesegnete Zeit der Vorbereitung auf das Fest der Auferstehung unseres Herrn und erteile gerne allen meinen bischöflichen Segen.
Euer Bischof Vitus
Hirtenbrief-2010
Familiaris-Consortio: Apostolisches Schreiben über die Aufgabe der christlichen Familie in der Welt von heute
Ehe-Vorbereitung
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