Das Internet im Einsatz der Priester
Ergebnisse einer Internationalen Studie über die Nutzung des Internets durch Priester
Warschau, Die Tagespost, 09.03.2011, Von Stefan Meetschen
Spätestens seit der Botschaft des Papstes zum 44. Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel 2010 zum Thema “Der Priester und die Seelsorge in der digitalen Welt – die neuen Medien im Dienst des Wortes” steht fest: Nicht nur die spätmodernen Gesellschaften sind angesichts der neuen digitalen Informations- und Kommunikations-Technologien (ICT) mit einem neuen “Kontinent” konfrontiert, auch die Priester der Kirche befinden sich im Zuge dieser Entwicklung wie am Beginn einer “neuen Epoche”. Was den Papst in der Botschaft hellsichtig zu der Reflexion veranlasste, dass die Priester gefordert sein werden, sich seelsorgerlich mit diesen Entwicklungen zu befassen und “das eigene Engagement zu steigern, um die Medien in den Dienst des Wortes zu stellen”.
Wie dies konkret geschieht, darüber geben nun die Ergebnisse einer Untersuchung Auskunft, die vom November 2009 bis zum Februar 2010, also zeitgleich mit der Veröffentlichung der Päpstlichen Botschaft von einem internationalen Forscherteam der schweizerisch-italienischen Universität von Lugano in Zusammenarbeit mit der Fakultät für Soziale Institutionelle Kommunikation der Päpstlichen Universität Santa Croce in Rom durchgeführt wurde. Befragt wurden annähernd 5 000 Priester aus 117 Ländern aus allen Erdteilen. Grundlage war ein in sieben Sprachen erstellter Fragebogen, der online als auch auf Papier an alle Bischofskonferenzen der Welt, zahlreiche Diözesen und Orden gesandt worden war. Nicht um die Internet-User unter den Priestern zu zählen, sondern um eben ein möglichst genaues Bild davon zu bekommen, wie Priester bei ihren religiösen Erfahrungen das Internet nutzen. Genau dafür steht das der Untersuchung den Namen gebende Akronym “Picture”: Priests’ ICT Use in their Religious Experience.
Auf Augenhöhe mit den globalen Trends
Aus Sicht von Professor Daniel Arasa (40), der bei der päpstlichen Universität als Experte für die sogenannte e-Kommunikation tätig ist, lässt sich aus der Untersuchung (deren komplette Daten unter “pictureproject.info” zu finden sind) allgemein der Schluss ziehen, dass Priester, welche die neuen Technologien nutzen, die sogenannten “e-Priester”, “auf Augenhöhe mit den globalen Trends sind und von daher durchaus fähig, die Evangelisierung des digitalen Kontinents erfolgreich durchzuführen”. Was jedoch, so Arasa gegenüber dieser Zeitung, nicht bedeute, dass katholische Priester die neuen Technologien aus Naivität als die Lösung aller Probleme ansehen würden. “Die persönliche Begegnung von Angesicht zu Angesicht, das sakramentale Leben kann durch neue Technologien nicht ersetzt werden. Es ist aber wichtig für Priester, dass sie sich in den Lebenswelten der Menschen auskennen, die sie zu einem spirituellen Leben anleiten.”
Tatsächlich nutzen 94, 7 Prozent der befragten e-Priester das Internet täglich. Wobei 72, 9 Prozent, also drei Viertel der e-Priester, mit der Aussage einverstanden sind, “dass die neuen Technologien es ermöglichen, den Glauben in die heutige Welt und Kultur zu bringen”. Dennoch sind e-Priester offensichtlich weniger dazu geneigt, soziale Netzwerke zu nutzen: Obwohl 26, 4 Prozent der e-Priester weltweit soziale Netzwerke täglich aufrufen, greifen doch auch 35, 3 Prozent niemals auf diese zu.
Bei der Nutzung von sozialen Netzwerken treten 29, 8 Prozent in Kontakt mit ein bis zehn anderen Priestern und sogar 2,8 Prozent erklären, dass sie mit mehr als hundert anderen Priestern in Verbindung stehen. Dennoch zeigt die Untersuchung, dass die Mehrheit, nämlich 41 Prozent der e-Priester, soziale Netzwerke nicht nutzt, um mit anderen Priestern Kontakt aufzunehmen. Wer als e-Priester beispielsweise bei facebook präsent ist, scheint mehr das Seelenheil seiner elektronischen Laien-Freunde im Blick zu haben, als nach dem theologisch anregenden, aber nicht unbedingt evangelistisch-orientierten innerpriesterlichen Gespräch zu suchen. Ganz so also, wie der Papst es sich wünscht.
Ob der deutsche Heilige Vater jedoch auch Grund zur besonderen Zufriedenheit mit den e-Priestern in der Heimat hat? Das ist eine andere Frage, ein anderes Thema. Arasa zufolge steht jedenfalls fest, dass deutsche e-Priester, wenn es darum geht, online zu beten, was sich vorwiegend auf die Stundenliturgie bezieht, die über ein tragbares Gerät heruntergeladen und abgerufen wird, deutlich unter dem weltweiten Durchschnitt liegen. 18, 8 Prozent der deutschen e-Priester tun dies wöchentlich, vom Rest der Welt immerhin 35, 9 Prozent.
Die Mehrheit der deutschen e-Priester, nämlich 64, 4 Prozent, nutzt das Internet der Studie zufolge hingegen zur Vorbereitung ihrer Predigten. Womit sie um fast zwanzig Prozent über dem weltweiten Durchschnitt liegen. Die Suchmaschine als Wissensbeschaffer spielt für zwanzig Prozent der deutschen e-Priester eine wichtige Rolle, noch vor persönlich begleiteten Weiterbildungen. Weltweit gelten bei e-Priestern jedoch Bücher und Magazine als wichtigste Lerninstrumente. Der deutsche e-Priester also ein Lesemuffel, was klassische Printmedien anbelangt? Vermutlich ja, dann überraschenderweise in Verbindung mit einer gewissen Technologie-Skepsis. Dazu Arasa: “Die grundsätzliche Einstellung der deutschen e-Priester zu den neuen Technologien ist positiv, aufgrund der vorliegenden Daten können wir jedoch den Schluss ziehen, dass diese Einstellung im weltweiten Vergleich weniger enthusiastisch geprägt ist.”
Somit überrascht es auch nicht, dass deutsche e-Priester im Durchschnitt keine besonders auffällige Lust daran haben, in sozialen Netzwerken präsent zu sein. Ganz im Unterschied etwa zu den afrikanischen e-Priestern, von denen 87, 6 Prozent ganz allgemein der Ansicht sind, dass die Nutzung des Internets für die Kommunikation mit anderen Personen nützlich oder besonders nützlich sei. Doch auch in Afrika gibt es gegenüber sozialen Netzwerken offenbar eine gewisse Distanzhaltung: Obwohl 21, 4 Prozent diese täglich abrufen, greifen doch 37, 9 Prozent niemals darauf zu. Eine hohe Zahl angesichts des Hypes um twitter, facebook und Co.
Um schliesslich doch noch einen echten Spitzenplatz der deutschen e-Priester auszumachen: Sie sind überdurchschnittliche User von mobilen Technologien, wie Handy, iPod, MP3-Geräten. Was, so kann man vermuten, vielleicht auch daran liegt, dass die wachsenden Pfarreigebiete aufgrund der Gemeindefusionen und niedrigen Priesterzahlen eine grössere Mobilität verlangt. Im Unterschied zu Ländern, wo der priesterliche Dienst noch an stabileren, überschaubaren Orten ausgeübt werden kann.
Lernen, neue Technologien vernünftig zu nutzen
Ängstlich vor möglichen Risiken der neuen Technologien sind die deutschen e-Priester mehrheitlich nicht – auch wenn diese Mehrheit mit 54 Prozent nur knapp ausfällt. Der Glaube an die neuen technologischen Möglichkeiten ist gross. Diese Auffassung unterstreicht auch Daniel Arasa: “Wenn wir den Menschen zeigen, wie man die neuen Technologien ordentlich nutzt, dann können wir sie vielleicht auch dazu bewegen, die Lehre und die Verlautbarungen der Kirche direkt im Netz abzurufen. Ohne den Filter der Medien.” Eine wissenschaftlich abgeleitete Hoffnung, die ganz auf Linie mit der pastoralen Hoffnung des Papstes liegt, wenn dieser die Priester bittet, “mit Weisheit die aussergewöhnlichen Gelegenheiten zu ergreifen, die sich durch die moderne Kommunikation bieten. Der Herr mache Euch zu leidenschaftlichen Verkündern der frohen Botschaft auch auf der neuen “Agora”, die von den aktuellen Kommunikationsmitteln geschaffen wird.” Der Priester von morgen wird deshalb wohl auch immer ein e-Priester sein – weltweit und digital im Einsatz.
Pictureproject
44.Welttag-für-soziale-Kommunkationsmittel: Vatikan
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