Das Doppelgesicht der Armut
Geistlicher und wirtschaftlicher Mangel
Würzburg, Tagespost 21.3.2011, Von Regina Einig
In Lateinamerika geht die Kirche gegen die Ursachen des geistlichen und wirtschaftlichen Mangels an.
Doch Moderator Martin Sonneborn lässt den Kardinal trotz ungeduldiger Zwischenrufe aus dem Publikum erst in der zweiten Halbzeit zu Wort kommen. Am Themenmangel kann es nicht liegen. Seitdem der Vatikan unlängst die Wiederwahl der Generalsekretärin Lesley-Anne Knight verhindert hatte, beschäftigt die Debatte um die Ausrichtung von Caritas Internationalis die Organisation. Der Dachverband müsse einerseits eine katholische Identität bewahren und missionarische Ziele verfolgen, beschrieb Maradiagas Mitbruder, der Präsident des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden, Kardinal Peter Turkson, diese Gratwanderung kürzlich in der Londoner katholischen Wochenzeitschrift “The Tablet”. Andererseits gelte es aber auch, staatlichen Vorgaben gerecht zu werden, wobei von dieser Seite die Caritas nur als Nichtregierungsorganisation und nicht als Teil der Kirche angesehen werde.
Mit keiner Silbe spricht Sonneborn das aktuelle Thema an und thematisiert Altbekanntes. Die Entschuldungsbewegung “Jubilee 2000” für Entwicklungsländer, die der Kardinal zum Jahrtausendwechsel mit anstiess. Maradiagas Bilanz fällt durchwachsen aus: In einigen Ländern habe sie gefruchtet, in anderen nicht. Kritik übt der Kardinal an der “Verschuldungssucht” und der Korruption in vielen Dritte-Welt-Ländern. Mit Nachdruck spricht sich der Kardinal für eine Finanztransaktionssteuer zur Armutsbekämpfung aus. Die Steuer soll helfen, Spekulationen insbesondere im Derivathandel zu begrenzen, dadurch den Finanzmarkt zu sichern und gleichzeitig die Märkte zu stabilisieren. Die Erlöse dieser Steuer sollen den Ärmsten dieser Welt zugute kommen.
Beim Stichwort “Armut” hat der Erzbischof von Tegucigalpa jedoch nicht nur leere Konten und Portemonnaies vor Augen. Den geistlichen Mangel der Christen in Honduras, die zu 97 Prozent katholisch sind und mehrheitlich auf dem Land leben, macht der Kardinal vor allem an der Bildungsfrage fest: Nach der Taufe werde das Glaubenswissen oft nur unzureichend vertieft. Die grösste Herausforderung sehe die Kirche in Honduras darin, den Gläubigen grundlegende Kenntnisse über ihren Glauben zu vermitteln.
Selbstkritische Töne schlägt auch der deutschstämmige Bischof Kay Martin Schmalhausen aus Ayaviri in Peru an: Er beurteilte die in Peru einst virulente Befreiungstheologie marxistischen Zuschnitts als den falschen Weg. Vieles müsse sich noch ändern: “Wir haben ein verschlafenes soziales Bewusstsein und ein verschlafenes Glaubensbewusstsein”, analysiert er die Kluft zwischen Stadt- und Landbevölkerung in seiner Heimat. Der familiäre Zusammenhalt durch die Kirchengemeinde sei daher unverzichtbar. “Wo die Kirche darauf keine Antwort gibt, entsteht eine Leere, in der sich Sekten einnisten”, so Bischof Schmalhausen.
Vom schwierigen Überlebenskampf der Christen in Lateinamerika weiss auch Pater Richard Ho Lung MOP, Gründer und Generaloberer der “Missionare der Armen” zu berichten. Die Spiritualität des Kreuzes ist die geistliche Säule der Gemeinschaft. “Selbst in der katholischen Kirche geht man dem Kreuz aus dem Weg”, stellt der Geistliche fest. Doch komme die Freude im Dienst an den Armen nicht zu kurz. Im Gegenteil: Die Treue zu Christus in den Armen ist für ihn und seine Brüder eine Quelle der Inspiration und Lebensfreude. Eine musikalische Kostprobe karibischer Reggaes am Samstagabend liess keinen Zweifel daran aufkommen.
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