Organentnahme nach Sterbehilfe
Mindestens vier Fälle in Belgien
Organentnahme nach Sterbehilfe Mindestens vier Fälle in Belgien – Kritik aus dem Europaparlament Von Freddy Derwahl Brüssel
14. Februar 2011, Die Tagespost.de/zenit.org.
– In Kliniken der belgischen Städte Antwerpen und Lüttich sind durch Sterbehilfe getöteten Patienten in mindestens vier Fällen Organe zu Transplantationszwecken entnommen worden. Über dieses bioethisch fragwürdige Verfahren haben diese Woche mehrere belgische Zeitungen berichtet. Die Nachricht hatte einen längeren Umweg über ein Symposium der belgischen Medizin-Akademien gemacht, auf dem die sensiblen Fälle bereits im Dezember zur Sprache gekommen waren. Viele Ärzte hatten dazu kritische Fragen geäussert, die der Öffentlichkeit bislang jedoch vorenthalten wurden. Erst ein Bericht des Europäischen Instituts für Bioethik machte den Vorgang jetzt publik. Demnach haben die Fachmediziner und die Zentrale von “Eurotransplant” mit Sorge reagiert.
Diese Einrichtung koordiniert die Organspenden für die Benelux-Staaten Belgien, Holland und Luxemburg sowie für Deutschland, Österreich, Kroatien und Slowenien. Vor allem richteten sich die Blicke nach Belgien, dessen Medien jedoch darauf hinwiesen, dass die Organentnahme nach dem Tod durch Sterbehilfe gesetzlich zulässig sei. Belgien und die Niederlande zählen zu den europaweit liberalsten Staaten im Umgang mit dieser Problematik. Weiter hatten die Ärzte auf dem Symposium gefordert, alles zu tun, um die Verfahren der Sterbehilfe und der Organspende zu trennen, um ethische Konflikte auszuschliessen. “Eurotransplant” falle die Rolle zu, streng darauf zu achten, dass die heiklen Organspenden nur solchen Staaten zugeteilt werden, die auch Organe von Sterbehilfen-Patienten akzeptieren. Die in den beiden belgischen Städten zuständigen Ethikkomitees hatten zwar den Organentnahmen an den Toten zugestimmt, räumten jedoch zugleich ein, dass es sich dabei um eine “ethisch sensible” Frage handele. Mit derartigen Eingriffen sollten keine zusätzlichen Anreize für Sterbehilfe geschaffen werden. Man wies allerdings daraufhin, dass es in allen Fällen den Wunsch und die Zustimmung der schwerkranken Patienten gegeben habe, nach ihrem Ableben Organe zu spenden. Die neu aufgeflammte Debatte über die Brisanz der Sterbehilfe hat unterdessen auch die europäischen Institutionen in Brüssel erreicht. Der CDU-Sprecher für bioethische Fragen und Europaparlamentarier Peter Liese lehnte Organspenden nach Sterbehilfe ab, da somit “subtiler Druck” auf die Patienten ausgeübt werden könne. In Deutschland müsse sichergestellt werden, dass solche Spenden ebenso wie aus Organhandel stammende Transplantate nicht akzeptiert würden. Bei allem Verständnis für auf eine Spende wartende Patienten müssten die ethischen Grenzen respektiert werden. In diesem Kontext hat der EU-Gesundheitskommissar John Dalli in Brüssel eine bessere Koordination von Organtransplantationen in Deutschland gefordert. Dazu bedürfe es geschulter Krankenhausexperten. Liese unterstützt diesen Standpunkt und betonte, den Ärzten in Deutschland fehle nach dem Tod eines Patienten die Zeit, sich damit zu beschäftigen, ob er als Organspender in Frage komme. Derweil hat der liberale belgische Senator Patrik Vankrunkelsven kritisiert, dass jährlich 90 bis 100 Organe, was etwa zehn Prozent des belgischen Gesamtaufkommens entspricht, ins europäische Ausland geliefert werden. Diese unverhältnismässige Solidarität vergrössere in Belgien Wartelisten und Sterbefälle.
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