Don Bosco und der Bischof von Chur

Homilie anlässlich der Eucharistiefeier beim Pastoralbesuch in Kollbrunn
30. Januar 2011

Brüder und Schwestern im Herrn,

wir haben es eben in der Lesung gehört. Der heilige Paulus sagt uns: “… ihr seid in Christus Jesus, den Gott für uns zur Weisheit gemacht hat, zur Gerechtigkeit, Heiligkeit und Erlösung” ( 1 Kor 1,30). Das ist eine etwas ungewohnte Sprache. Der Apostel ist Hebräer, denkt hebräisch und schreibt auch entsprechend. Gott hat Christus für uns zur Weisheit gemacht. Das heisst, wir empfangen die Weisheit durch Christus. Dabei müssen wir wissen, dass mit Weisheit vor allem die Glaubensweisheit gemeint ist. Durch Christus empfangen wir die Glaubensweisheit, welche die eigentliche Weisheit ist, der Ursprung aller Weisheit. Wir empfangen die Weisheit, die uns mit Gott verbindet und eint. Das ist für unser Leben ausschlaggebend.
Weiter sagt uns der Apostel, Gott hätte Christus für uns zur Gerechtigkeit gemacht, zur Heiligkeit und zur Erlösung. Das können wir in unserer Kultur auch einfach so ausdrücken: Gott macht uns durch Christus gerecht, Gott macht uns durch Christus heilig, Gott schenkt uns durch Christus die Erlösung.

Durch Christus treten wir in ein einmaliges Verhältnis zu Gott. Durch Christus ist uns der Zugang zu Gott ganz neu erschlossen. Christus ist für uns entscheidend. Der Glaube an Christus ist das grosse Geschenk Gottes für uns Menschen.

Nun, unter diesen Umständen, stellt sich die Frage: Nehmen wir dieses Geschenk des Glaubens auch wirklich an? Sind wir Gott dafür dankbar? Leben wir mit dieser grossen Gabe Gottes? Oder sind wir dem Glauben gegenüber gleichgültig? Lassen wir uns mehr von der Weisheit dieser Welt als von Gottes Weisheit leiten.

Wir feiern morgen den heiligen Johannes Bosco, kurz Don Bosco genannt. Er wurde am 16. August 1815 in der Nähe von Turin geboren und erhielt den Taufnamen Giovanni – eben Johannes. Er hatte eine sehr schwere Jugend, da sein Vater früh verstarb, er musste bereits mit zwölf Jahren sein Heim verlassen, um bei einem Bauern zu arbeiten. Er hatte aber von seiner Mutter einen starken Glauben mitgenommen. Wir können sagen, für ihn wurde Christus durch die Mutter zur Weisheit, zur Gerechtigkeit, zur Heiligkeit und zur Erlösung, wie es der heilige Paulus formuliert. Das zeigt sich zum Beispiel an der folgenden Antwort, welche er eben als Zwölfjähriger einem Onkel des Bauern Luigi gab, bei welchem er arbeitete. Giovanni hatte von seiner Mutter die Gewohnheit übernommen, den Engel des Herrn zu rezitieren. Heute noch verrichten viele Gläubige dreimal täglich dieses Gebet: am Morgen, am Mittag, am Abend. Der Onkel – der Giuseppe hiess – kam einmal dazu, als Giovanni beim Mittagsläuten im Gebet versunken war. Da machte er die etwas bissige Bemerkung: “Schau her, der Meister unternimmt vom Morgen bis zum Abend alles, um auf einen grünen Zweig zu kommen. Der Knecht aber steht herum, betet und hat den Frieden.” Darauf antwortete ihm der Junge: “Mein lieber Giuseppe, du weisst genau: Wenn es ums arbeiten geht, halte ich sehr wohl mit. Aber meine Mutter hat mich gelehrt, wenn man bete, würden aus zwei Körnern vier Ähren wachsen, wenn man hingegen nicht bete, würden aus vier Körnen nur zwei Ähren wachsen. Deshalb will mir scheinen, dass auch du beten solltest.” Diese Antwort enthält die Glaubensweisheit einer Mutter, die es verstand, diesen Schatz ihrem Kind mit auf den Weg zu geben. Durch dieses einfache Beispiel spüren wir, was gelebter Glaube ist, Glaube, der in unseren Alltag hineinreicht und diesen Alltag mitgestaltet, verändert und auf Gott hin ausrichtet.

Giovanni wurde Priester. Er hatte eine seltene pädagogische Begebung und stellte sie in den Dienst der Kinder und Jugendlichen. Er gründete eine Ordensgemeinschaft, die für verwahrloste, arme Jugendliche bis heute Grossartiges leistet. Wirklich, da sind aus zwei Körnern vier Ähren gewachsen.

Die Weisheit von Don Bosco und seiner Mutter möge uns helfen, die Bedeutung des Betens, ja, die Bedeutung des Glaubens ganz allgemein, für unser Leben zu erkennen, oder uns dieser Bedeutung neu innezuwerden. Wir müssen immer wieder entdecken, dass Gott Christus Jesus für uns “zur Weisheit, zur Gerechtigkeit, Heiligkeit und Erlösung” ( 1 Kor 1,30) gemacht hat; dass uns alles Entscheidende in Christus geschenkt wird, der im Glauben der Kirche und in ihren heiligen Handlungen weiterlebt. Gott helfe Euch auf diese Weise, Euren Alltag ganz in seinem Sinn zu leben, um einst das ewige Heil zu erlangen. Amen.

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