Und nach uns das Nichts ?

Von Christa Meves

Die Eltern sind die Versager – so schallt es heute einmal wieder von den Dächern, nachdem es sich nicht mehr verdrängen lässt, dass die Zahl der seelisch gesunden, kraftvollen, einsatzbereiten jungen Erwachsenen bedrohlich klein geworden ist und Suchtanfälligkeit aller Art unter den Jugendlichen grassiert. 10 % der Hauptschulabgänger sind für den Arbeitsprozess überhaupt nicht mehr vermittelbar!

Aber es ist billig, den Eltern allein die Schuld dafür in die Schuhe zu schieben. Wie groß ist die Fülle der Schwierigkeiten, mit denen sie heute zu kämpfen haben! Wer hilft ihnen bei der schwer gewordenen Kindererziehung? Wie bläst der Familie der Gegenwind des Zeitgeistes ins Gesicht! Was alles soll – von ihm unangefochten – bewältigt werden!

Die Hirnforschung mahnt bereits für die Säuglinge und Kleinkinder full-time-action für die Eltern an: Persönliche Zuwendung, Ansprache und Beschäftigung sei nötig, sonst entfalte sich das Gehirn nur unzureichend. Die Medienforscher warnen einhellig vor undifferenziertem Fernsehkonsum und aggressiven Videospielen – vor Reizüberflutung und unbekömmlicher Beeinflussung.

Den Kindern Grenzen zu setzen, wurde zu lange als “autoritär” verteufelt und lässt wildwüchsigen Egoismus geradezu wuchern. Auch die Schule glaubte viel zu lange sich der Sorge um die Disziplin im Klassenzimmer entheben zu dürfen und erntete im Verein mit so belehrten Eltern eine Kindergeneration, die viel zu unruhig und oft auch nicht leistungsfähig genug ist, wie die Pisa-Vergleichsstudien bewiesen hat.

Die Gossensprache – in den 70er Jahren mit viel Medienanstrengung hoffähig geworden – hat, nach dem lange vorherrschenden analen Grundtenor, jetzt dem sex-getönten den Vorzug gegeben. Mütter und Lehrerinnen als “Nutten” und “Huren” zu bezeichnen gehört ebenso zum Alltag wie Entsprechendes für männliche Bezugspersonen… Die Erziehung zur Respektlosigkeit, zu rücksichtsloser Selbstdurchsetzung als erstrebenswerte Prämissen jugendlichen Verhaltens hat sich viel zu breit gemacht. Mehr als 50 % der Lehrer halten deshalb ihre Berufstätigkeit nicht bis an die Pensionierungsgrenze durch.

Das hat oft sehr viel zu tun mit der Diskrepanz zwischen der Schulunlust der Jugendlichen und der Elternangst, ihre Kinder könnten schulisch auf der Strecke bleiben. Erbarmungslos fordert unsere Leistungsgesellschaft das Abitur als Garanten des Ansehens, was dazu geführt hat, dass in Deutschland pro Jahr Hunderte Millionen Euro für Nachhilfestunden ausgegeben werden. Ohne Schulsorgen mit mehreren Kindern die Schulzeit zu überstehen, fordert den Eltern hellhöriges Dazwischen-Sein ab; denn das Zensurensystem mit den obligatorischen, sich vor den Zeugnissen zusammenballenden Klassenarbeiten ist zu konkurrierendem Disstress entartet. Aber es ist nicht dieser Druck allein, der auf Eltern und Lehrern lastet.

Wie vieler, oft vergeblicher Anstrengung der Eltern bedarf es, ihre Kinder vor all den lauernden Verführungen im Jugendalter zu bewahren, vor all den Angeboten tödlicher Gifte und vor den inner- und außerschulischen Indoktrinationen durch esoterische, sektiererische, marxistische, satanistische, atheistische oder zu Sexualsucht führenden Einflüsterungen! Und bei diesem täglichen Kampf gegen Schlammfluten trifft die Eltern dann auch noch das abschätzige Lächeln der Karrieristinnen, die sich in flotter Voraussicht mit so etwas Überforderndem wie Familie gar nicht erst eingelassen haben.

Aber es wäre klüger, darüber nachzudenken, wie sie zu unterstützen, wie die Kinder zu beschützen seien; denn ohne eine hinreichende Zahl von gesundem Nachwuchs werden die Politiker – welcher Couleur auch immer – weder das Arbeitslosen-, noch das Rentenproblem, weder die zu hohen Krankenkosten noch die Zahl der Sozialhilfeempfänger nachhaltig dezimieren können.

Es ist der Zeitgeist der Beliebigkeit, der unsere Kinder leichtfertig orientierungslos werden lässt. Niemand steht es an, die Eltern als Versager zu beschimpfen, solange man die Mütter als “Nur-Hausfrauen” diffamiert und die Väter als viel zu wenig anwesend anklagt, jede Einschränkung kindlicher Selbstbezogenheit als “Machtmissbrauch” der Eltern verteufelt und sie dann mit dem verwöhnten, immer respektloser, immer aggressiver werdenden Nachwuchs allein lässt.

Eltern brauchten umfängliche verantwortungsbewusste Unterstützung durch die Gesellschaft, damit ihnen eine Erziehung der Kinder zu kraftvoller Menschlichkeit gelingen kann – durch die Medien, durch den Staat, durch die Schule, durch gezielt orientierenden Einsatz der Kirchen -, um den Eltern ihre Überforderung von den Schultern zu nehmen. Hier muss von Grund auf saniert werden. Vor allem muss die ideologische Fehlvorstellung aus dem Gefieder, dass der Mensch sich von allein zum anständigen, liebevollen Menschsein entfaltet. “Tugend will ermuntert sein, Bosheit kann man schon allein”, hat uns der kluge Humorist Wilhelm Busch bereits vor 150 Jahren ins Stammbuch geschrieben. Kinder wollen phasenspezifisch gekonnt geführt sein, so wie es ihre seelischen und geistigen Wachstumsbedingungen erfordern – sonst geht die Zukunft verloren!

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