Sonderversammlung: Bischofs-Synode für den Nahen Osten

Vom 10. bis 24. Oktober 2010 in Rom
“Lebendige Steine” im Nahen Osten:
Predigt von Papst Benedikt XVI. zur Eröffnung der Nahost-Synode: “Alle müssen ihren Beitrag für den Frieden im Nahen Osten leisten”

Rom, 11. Oktober 2010 Übersetzung ZENIT
Papst Benedikt XVI. hat mit einer Eucharistiefeier im Petersdom die Sondersynode für den Mittleren Osten eröffnet, die sich vierzehn Tage lang mit den schwierigen Herausforderungen beschäftigen wird, denen die Kirche in dieser Region der Erde gegenüber steht. 

Sehr geehrte Damen und Herren,
Liebe Brüder und Schwestern! 

Die Eucharistiefeier, die eine Danksagung an Gott schlechthin ist, ist für uns, die wir heute am Grab des heiligen Petrus versammelt sind, von einem außerordentlichen Anlass bestimmt: der Gnade, dass hier zum ersten Mal bei einem synodalen Treffen um den Bischof von Rom und Hirten der Weltkirche die Bischöfe des Nahen Ostens versammelt sind. Dieses so einzigartiges Ereignis spricht für das Interesse der ganzen Kirche an diesem wertvollen und geliebten Teil des Volkes Gottes, das im Heiligen Land und im gesamten Nahen Osten lebt. 

Zunächst richten wir unsere Dankbarkeit an den Herrn der Geschichte, weil er es erlaubt hat, dass es trotz so vieler schwerer und leidvoller Ereignisse im Nahen Osten von der Zeit Jesu bis heute eine beständige Präsenz von Christen gibt. In diesen Ländern drückt sich die einzige Kirche Christi in einer großen Vielzahl von liturgischen, spirituellen, kulturellen Traditionen und Lehrtraditionen aus, die sich in den sechs ehrwürdigen katholischen Ostkirchen sui iuris ausdrückt, zu der auch die lateinische Tradition gehört. 

Dieser brüderliche Gruß, mit dem ich mich in großer Zuneigung an jeden dieser Patriarchen richte, möchte ich auf all jene Gläubige ausgedehnt wissen, deren Seelsorge ihnen in ihren eigenen Ländern und auch in der Diaspora anvertraut ist. 

An diesem Sonntag, dem 28. im Jahreskreis, stellt uns das Wort Gottes ein Thema zur Betrachtung vor, das uns auf bedeutungsvolle Weise näher zu dem Ereignis der Synode bringt, die wir heute eröffnen. 

Die fortlaufende Lesung des Lukasevangeliums bringt uns zur Perikope von der Heilung der zehn Aussätzigen, von denen nur einer, ein Samariter, zu Jesus zurückkehrt. Im Zusammenhang mit diesem Text erzählt die erste Lesung aus dem Zweiten Buch der Könige von der Heilung Naamans, des Hauptmannes der aramäischen Armee. Auch er war ein Aussätziger, der nach siebenmaligen Eintauchen in die Gewässer des Jordans durch den Propheten Elischa geheilt worden war. Auch Naaman kehrte zum Propheten zurück, erkannte ihn als Mittler Gottes an und bekannte seinen Glauben an den Herrn. So haben wir zwei Menschen mit Lepra, zwei Nicht-Juden, die geheilt worden, weil sie an das heilende Wort des Botschafters Gottes glaubten. Ihre Körper wurden geheilt, aber sie waren offen für den Glauben, und dies heilt ihre Seele, erlöst sie. 

Der Antwortpsalm besingt diese Wirklichkeit: “Der Herr hat sein Heil enthüllt vor den Augen der Völker. Singt dem Herrn ein neues Lied, denn er hat wunderbare Taten vollbracht. Er mit seiner Rechten geholfen und mit seinem heiligen Arm. Der Herr hat sein gerechtes Wirken enthüllt vor den Augen der Völker. Er dachte an seine Huld und an seine Treue zum Hause Israel.” (Ps 98,1-3). Hier also sehen wir das Hauptthema: Die Rettung ist universell, aber sie erfolgt durch eine bestimmte historische Vermittlung: die Vermittlung des Volkes Israel, das dann das Volk Jesus Christi und schließlich zur Kirche wird. 

Das Tor des Lebens steht für alle offen, aber in der Tat ist sie eine “Tür”, das heißt ein eindeutiger und notwendiger Durchgang. Das bestätigt auch die paulinische Formulierung, die wir im zweiten Brief an Timotheus gehört haben: “Die Rettung ist Christus Jesus” (2 Tim 2,10). Das Tor ist das Geheimnis der Universalität des Heils und gleichzeitig das notwendige Bindeglied zur historischen Vermittlung in Jesus Christus. Ihm geht das Volk Israel voraus und durch die Kirche wird es verlängert. 

Gott ist Liebe und will, dass alle Menschen sein Leben teilen. Um diesen Plan zu vollbringen, schuf er, der Eine und Dreifaltige in der Welt ein Geheimnis der Gemeinschaft, das sowohl menschlich als auch göttlich ist, historisch und transzendent. Er schafft das sozusagen mit der “Methode” des Bündnisses – der Allianz, indem er sich mit treuer und unerschöpfliche Liebe an die Menschen bindet und so ein heiliges Volk bildet, das ein Segen für alle Geschlechter der Erde werden soll (vgl. Gen 12,3). So offenbart er sich als der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs (vgl. Ex 3, 6), der sein Volk ins “Land” der Freiheit und des Friedens führen will. Dieses “Land” ist nicht von dieser Welt. Der gesamte göttliche Plan übersteigt die Geschichte; aber der Herr will mit den Menschen handeln, für den Menschen und zusammen mit den Menschen in den Koordinaten von Raum und Zeit, in denen sie leben und die er selbst ihnen gegeben hat. 

Teil dieser Koordinaten ist ein Land von ganz eigenen Besonderheit, den wir als “Nahen Osten” bezeichnen. Gott sieht diese Region der Welt auch aus einer anderen Perspektive. Man könnte sagen, “von oben aus”: Es ist das Land Abrahams, Isaaks und Jakobs, das Land des Exodus und der Rückkehr aus dem Exil, das Land der Tempel und Propheten. Das Land, wo der eingeborene Sohn der Maria geboren wurde, lebte, starb und auferstanden ist; das Land der Wiege der Kirche, die begründet worden ist, um das Evangelium Christi bis an die Enden der Welt zu bringen. Und auch wir als Gläubige schauen auf den Nahen Osten mit diesem Blick, aus der Perspektive der Heilsgeschichte. 

Und es ist “dieses innere Licht”, das mich während der apostolischen Reisen in die Türkei, in das Heilige Land – Israel, Jordanien, Palästina – und Zypern geführt hat, wo ich die Freuden und Sorgen der christlichen Gemeinden kennen gelernt habe. Deshalb habe ich gerne den Vorschlag des Patriarchen und der Bischöfe akzeptiert, eine Synode einzuberufen, um gemeinsam, im Licht der Heiligen Schrift und Tradition der Kirche, auf die Gegenwart und Zukunft der Gläubigen und der Völker im Nahen Osten zu schauen. Auf diesen Teil der Welt aus der Sicht Gottes zu schauen, bedeutet, es als „Wiege” des universalen liebevollen Heilsplanes Gottes, einem Geheimnis der Gemeinschaft anzuerkennen, die sich in Freiheit vollzieht und daher vom Menschen eine Antwort erfordert. Abraham, die Propheten, die Jungfrau Maria: Sie alle sind Vorkämpfer dieser Antwort. Diese aber hat ihre Erfüllung in Jesus Christus gefunden, dem Sohn des gleichen Landes, der aber vom Himmel herabgekommen ist. Aus ihm und aus seinem Herzen und seinem Geist, wurde die Kirche geboren, die als Pilgerin in dieser Welt lebt, aber schon jetzt zu ihm gehört. 

Die Kirche ist geschaffen worden, um unter den Menschen, Zeichen und Werkzeug der Einheit und des universellen Heilsplans Gottes zu sein. So erfüllt sie ihre Aufgabe, indem sie selbst einfach “Gemeinschaft und Zeugnis” ist, wie das Thema der Synode, die heute eröffnet wird, es zeigt. Wenn wir die berühmte Definition des Lukas über die erste christlichen Gemeinde heranziehen: “Die Gemeinschaft der Gläubigen war ein Herz und eine Seele” (Apg 4,32), sehen wir: Ohne Gemeinschaft kann es kein Zeugnis geben: Das Leben in Gemeinschaft ist eben das große Zeugnis. Jesus sagte es deutlich: “Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt” (Joh 13,35). Diese Gemeinschaft ist das Leben Gottes, der sich selbst im Heiligen Geist durch Jesus Christus mitteilt. Es ist daher ein Geschenk, nicht etwas, das wir zunächst mit unseren Kräften schaffen müssen. Es ist genau aus diesem Grund, dass dies unsere Freiheit herausfordert und unsere Antwort braucht: Die Gemeinschaft verlangt von uns immer eine Bekehrung, wie ein Geschenk, das erst angenommen und umgesetzt immer wertvoller wird. 

Die ersten Christen in Jerusalem waren wenige. Niemand konnte sich vorstellen, was damals geschah. Die Kirche lebt fortwährend aus dieser gleichen Kraft, die sie entstehen und wachsen ließ. Pfingsten ist das Ur-Ereignis, aber auch ein dynamisches Werden, und die Bischofssynode ist ein bevorzugter Moment, in dem sich Kirche aus der Gnade des Pfingstfestes erneuern kann, damit die Frohbotschaft immer offener verkündet werden und dadurch von allen Nationen akzeptiert werden kann. 

Die Synode verfolgt in erster Linie pastorale und kirchliche Anliegen. Jedoch kann man dabei nicht die mitunter dramatische soziale und politische Situation in einigen Ländern der Region ignorieren. Deshalb wollen sich die Hirten der Kirchen im Nahen Osten auf bestimmte Aspekte ihrer eigenen Mission konzentrieren. 

In dieser Hinsicht unterstreicht das “Instrumentum Laboris”, das von einem Prä-Synodalrat erarbeitet worden ist und dessen Mitgliedern ich für die Arbeit danken möchte, die kirchliche Absichten dieser Versammlung und stellt fest, dass es beabsichtigt, unter der Führung des Heiligen Geistes, die Gemeinschaft der katholischen Kirche im Nahen Osten zu beleben. Vor allem soll dies innerhalb der einzelnen Kirchen geschehen, einschließlich aller ihrer Mitglieder: Patriarchen, Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien, und dann auch in ihren Beziehungen zu den anderen Kirchen. Das Leben der Kirche, das so unterstützt wird, kann eine sehr positive Entwicklung nehmen, wenn es sich auf dem ökumenischen Weg mit den anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften im Nahen Osten begibt. 

Dieser Anlass ist auch günstig, um einen konstruktiven Dialog mit den Juden aufzunehmen, mit denen uns untrennbar das Band der langen Geschichte des Bundes verbindet, genauso wie mit den Muslimen. Die Arbeiten der Synode sind auf das Zeugnis der Christen auf persönlicher, familiärer und gesellschaftlicher Ebene gerichtet. Dies erfordert eine Stärkung ihrer christlichen Identität, indem das Wort Gottes und die Sakramente gestärkt werden. Wir alle hoffen, dass die Gläubigen die Freude eines Lebens im Heiligen Land spüren dürfen, ein Land das von der Gegenwart und Herrlichkeit der österlichen Geheimnisses des Herrn Jesu Christi gesegnet ist. 

Im Laufe der Jahrhunderte haben jene Orte Massen von Pilgern angezogen und auch Ordensgemeinschaften von Männern und Frauen, die es als ein großes Privileg ansahen, in der Lage zu sein Zeugnis im Land Jesu zu geben. Trotz aller Schwierigkeiten, denen die Christen im Heiligen Land gegenüberstehen, sind sie dazu berufen, erneut das Bewusstsein lebendig werden zu lassen, dass sie lebendige Steine für die Kirche im Nahen Osten sind. Und dies an den heiligen Orten unseres Heiles. 

Aber in Würde in ihrem Heimatland zu leben, ist vor allem ein grundlegendes Menschenrecht: So müssen wir die Bedingungen für Frieden und Gerechtigkeit fördern, die unverzichtbar für die harmonische Entwicklung aller Einwohner der Region sind. 

Daher sind alle aufgerufen, einen Beitrag dazu zu leisten: Die internationale Gemeinschaft muss konstruktiv für dauerhafte Friedenslösungen eintreten. Auch die anderen Religionen sollen etwas dazu tun, indem sie geistige und kulturellen Werte fördern und jede Form von Gewalt ablehnen. 

Die Christen selbst werden sich weiter bemühen, nicht nur mit Einrichtungen im Sozial-, Bildungs- und Gesundheitswesen, sondern im Geist der Bergpredigt die Vergebung und Versöhnung zu fördern. Bei diesem Einsatz werden sie immer die Unterstützung der ganzen Kirche haben, wie die Anwesenheit der Delegierten der Diözesen aller Kontinente hier besiegelt. 

Liebe Freunde, vertrauen wir die Arbeit der Synode für den Nahen Osten den vielen Heiligen dieses gesegneten Landes an; lasst uns den ständigen Schutz der Allerseligsten Jungfrau Maria erflehen, damit die kommenden Tage des Gebetes, der Reflexion und Gemeinschaft ein Nährboden guter Früchte für die Gegenwart und die Zukunft der geliebten Völker des Nahen Ostens sein möge. Ihnen gelten von Herzen unsere besten Wünsche: “Der Friede sei mit euch. Friede in euren Häusern und Friede allem, was euer ist!” (1 Sam 25,6).

Übergabe des Instrumentum Laboris für die Sonderversammlung der Bischofssynode für den Nahen Osten
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Bischofs-Synode für den Nahen Osten
Eröffnungs-Feier kathTube
Papst: “Schauen wir auf die Christen im Nahen Osten”
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Nahost ist kein Paradies”: Synode im Vatikan

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