Der mutmassliche Wille

Schweizer Bevölkerung will auch heute verbotene Schritte erlauben NZZ 2. Sept. 2010

Mutmasslicher Wille
In der Schweiz will eine Mehrheit der Bevölkerung eine weitere Lockerung bei der Sterbehilfe. Für todkranke Patienten soll laut einer Umfrage auch direkte aktive Sterbehilfe erlaubt werden. Die Tötung auf Verlangen ist bisher nur in wenigen Ländern legal.

Schweizerinnen und Schweizer wollen mehrheitlich selbst bestimmen, wann sie ihr Leben beenden. Eine Mehrheit der Bevölkerung will nicht nur die Suizidhilfe, sondern auch die bisher verbotene direkte aktive Sterbehilfe bei todkranken Patienten gesetzlich erlauben. Dies geht aus einer nationalen Studie der Universität Zürich hervor, die am Donnerstag veröffentlicht wurde. Die direkte aktive Sterbehilfe, die Tötung auf Verlangen, ist bis jetzt nur in den Niederlanden, Belgien und Luxemburg gestattet.

Lediglich eine Minderheit der Bevölkerung erachtet gemäss der landesweiten Umfrage Sterbehilfe und Suizidbeihilfe generell als moralisch falsch und befürwortet entsprechend scharfe Verbote.

Im Rahmen der Studie zur Sterbehilfe hat das Kriminologische Institut der Universität Zürich in der Schweiz 1500 Personen zu konkreten Sterbehilfe- und Suizidbeihilfefällen befragt. Bei den Fragen ging es um sechs Fälle von Menschen, die an einer tödlichen Krankheit im Endstadium leiden. Die Befragten mussten eine rechtliche und moralische Bewertung auf einer Skala von eins bis zehn vornehmen. 

Die vorgefundenen Einstellungen korrespondierten mit einer positiven Sicht auf das selbstbestimmte Sterben und einer schwach ausgeprägten Religiosität, erklärte Rechtsprofessor Christian Schwarzenegger in der Medienmitteilung der Universität Zürich. Konkret heisst dies: Je wichtiger Gott im Leben eines Menschen sei, desto eher beurteile die Person Sterbehilfe- und Suizidbeihilfehandlungen als moralisch falsch.


In einigen Fragen gehen die Meinungen extrem weit auseinander. So erachten über 28 % die Suizidbeihilfe bei einem Alzheimerpatienten als “völlig richtig”, über 22 % Prozent hingegen bewerten sie als “völlig falsch”.

Bestimmte Grenzen sollen jedoch keinesfalls überschritten werden dürfen. Dass auch psychischkranke und ältere, lebensmüde Menschen ohne körperliche Beschwerden Suizidbeihilfe erhalten sollen, findet keine breite Unterstützung.

Angehörige entscheidend 
Bei Personen, die nicht mehr selbst über einen Behandlungsabbruch entscheiden können, kommt es wesentlich auf die Zustimmung und Einigkeit der Angehörigen an. So wird die Sterbehilfe am stärksten befürwortet, wenn alle Angehörigen der Ansicht sind, ein Koma-Patient ohne Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins hätte in diesem Zustand nicht weiterleben wollen.

“Sind sich die Angehörigen darüber nicht einig, ist die Befürwortung der Sterbehilfe am geringsten”, hält Schwarzenegger fest. Aus Sicht der Bevölkerung dürften Ärzte bei dieser Form der Sterbehilfe nicht eigenmächtig handeln und die Gefühl der Angehörigen sollten respektiert und ihre Auseinandersetzung mit dem Tod berücksichtigt werden.

Unterstützung durch Exit und Dignitas
Die Mehrheit der Bevölkerung ist der Ansicht, dass Suizidhilfe-Organisationen wie Exit oder Dignitas ein würdevolles Sterben im Beisein der Angehörigen ermöglichen.
Aber 41 Prozent der Befragten könnten sich “auf keinen Fall” oder “eher nicht” vorstellen, selbst einmal auf die Hilfe einer Sterbehilfe-Organisation zurückzugreifen. 36 Prozent könnten sich vorstellen, dies zu tun.

86 Prozent der Befragten wollen, dass primär Ärzte bei der Selbsttötung mitwirken oder dann speziell ausgebildetes Pflegepersonal. Weniger als die Hälfte der Befragten, nämlich 43 Prozent, sind der Ansicht, dass Suizidbeihilfe auch durch ausgebildete Mitarbeiter von Sterbehilfe-Organisationen durchgeführt werden sollte. Die Schweizerinnen und Schweizer bevorzugen also ein Modell des ärztlich aisstierten Suizids.

Gegen Sterbetourismus
52.5 Prozent der Befragten wären gemäss der Umfrage einverstanden, wenn in ihrer direkten Nachbarschaft Sterbehilfe durch eine Sterbehilfe-Organisation durchgeführt würde. Personen, die sich vorstellen können, in Zukunft selbst eine organisierte Suizidhilfe in Anspruch zu nehmen, stimmen der organisierten Suizidbeihilfe in der Nachbarschaft eher zu. Eine Mehrheit der Befragten ist aber gegen organisierte Suizidbeihilfe an im Ausland wohnhaften Ausländern. Rund 66 Prozent lehnen den Sterbetourismus “voll” oder “eher” ab.

Regelung in der Schweiz
Derzeit  ist die direkte aktive Sterbehilfe in der Schweiz verboten. Wer also einen Menschen gezielt tötet, um dessen Leiden zu verkürzen, macht sich strafbar.
Anders sieht es aus, wenn etwa Mittel verabreicht werden, welche die Lebensdauer verkürzen oder wenn darauf verzichtet wird, lebenserhaltende Massnahmen zu ergreifen. Solche Handlungen können in der Schweiz unter gewissen Voraussetzungen straflos sein.

Nicht strafbar ist in der Schweiz auch die Hilfe zur Selbsttötung, sofern kein egoistisches Motiv vorliegt. Diese Regelung erlaubt es Organisationen wie Dignitas oder Exit, Hilfestellung beim Suizid zu leisten.
Fettdrucke im Text: redaktionell katholisch-informiert

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