Festivitäten mit grosser Unbekannte

Wie viele Besucher fluten zu Ostern und zur Heiligsprechung die Ewige Stadt?

Für Franziskus hat der Höhepunkt des Kirchenjahrs längst schon begonnen.

Die Tagespost, 17. April 2014, Von Guido Horst

Während der Osterfeiern und Heiligsprechung wird es auf der Via della Conciliazione eng zugehen. Ob die Pilger so zahlreich nach Rom strömen wie zu der Trauerfeier für Johannes Paul II. 2005 – damals kamen rund vier Millionen Gläubige – ist unklar.

Foto: dpa

Ein Hauch von Spannung liegt über der Ewigen Stadt: Rom bereitet sich auf eine festliche Osterwoche vor, die in der Heiligsprechung zweier Päpste gipfelt – und niemand weiss genau, was in den kommenden Tagen wirklich geschehen wird. Um die Kassen der hochverschuldeten Stadt doch noch ein wenig mit Staatsgeldern zu füllen, hatte der Herr auf dem Kapitol, Bürgermeister Ignazio Marino, die Zahl der zu erwartenden Gäste wohl etwas zu hoch getrieben. Zunächst war von sieben Millionen Menschen die Rede, die die Strassen und Plätze rund um den Vatikan fluten werden, um mitzuerleben, wie Franziskus seine beiden Vorgänger Johannes Paul II. und Johannes XXIII. in das Buch der Heiligen einschreibt. Dann sprach Marino von fünf, zuletzt von drei Millionen Besuchern – und den Hoteliers und Gaststättenbetreibern platzte schliesslich der Kragen: Sie warfen der Stadtverwaltung “Panikmache” vor, wie italienische Zeitungen berichteten. Mit den zu hoch gegriffenen Schätzungen habe vor allem der Bürgermeister einen “unbegründeten Medienwirbel” ausgelöst. Manche hätten ihre bereits gebuchte Reise daraufhin aus Sorge vor langen Warteschlangen und schlechtem Service verschoben oder den Besuch ganz abgesagt, klagte der römische Hotelverband “Assohotel Confesercenti“. Leere Betten statt prall gefüllter Pensionen – und Hotelkassen? Niemand weiss es zu sagen. Der Vatikan hat darauf verzichtet, für die Heiligsprechungsfeier Einlasskarten auszugeben. So kann man nur abwarten, wie viele Menschen schliesslich am Barmherzigkeitssonntag die Viertel zwischen Vatikan und Tiber sowie die Plätze Roms aufnehmen werden, auf denen Grossbildschirme das Geschehen vom Petersplatz übertragen.

Während es bei den Schätzungen der römischen Stadtverwaltung um Millionen geht, ist man im Vatikan vorsichtiger. Sprecher Federico Lombardi SJ nannte die Zahl von fünfhunderttausend Besuchern, aber allein die nicht in Gruppen organisierten Pilger aus Polen, von denen die wenigsten eine Voranmeldung schicken, stellen einen grossen Unsicherheitsfaktor dar. Dass es auf dem Petersplatz und der Via della Conciliazione bis hin zur Engelsburg eng werden wird, gilt als ausgemacht. Auch der Verkehr wird in einem weiten Umkreis um den Vatikans herum zum Erliegen kommen. Wer die Zeremonie der Heiligsprechung etwas entspannter, aber aus der Ferne verfolgen will, muss mit Grossbildschirmen vorlieb nehmen. Schon gestern konnte man den Kreuzweg mit Papst Franziskus im Kolosseum auf drei grossen Leinwänden auf der durch das Forum Romanum führenden Via dei Fori Imperiali verfolgen, die seit gestern bis zum 4. Mai gänzlich für den Verkehr gesperrt ist. Neben diesen drei Grossbildschirmen stehen weitere auf der Piazza Navona, der Piazza del Popolo, vor der Engelsburg und auf der Piazza Santa Maria Maggiore, um die Heiligsprechungsfeier zu übertragen. Was die dort zu erwarteten Menschenansammlungen für den Verkehr und entsprechende Umleitungen bedeuten, bereitet nicht nur Taxifahrern Kopfzerbrechen.

Dass für Papst Franziskus der Höhepunkt des Kirchenjahrs längst schon begonnen hat, konnte man bereits am Palmsonntag sehen. Angespannt und konzentriert legte der Heilige Vater bei der Predigt das Manuskript beiseite und trug eine persönliche Meditation vor, in der er fragte, wie jeder Einzelne – er wandte sich an die Gläubigen auf dem Petersplatz – vor Jesus Christus stehe: Wie Pilatus, wie die Soldaten, die den Herrn schlugen, wie die Spötter oder wie Simon von Cyrene, die tapferen Frauen oder die beiden Marias unter dem Kreuz? Bis zum Mittwoch nach Ostern fallen die Frühmessen des Papstes im Vatikan-Hotel aus. Franziskus besinnt sich ganz auf die Liturgien der Kar- und Ostertage. Auch wenn die Fusswaschung am Donnerstagabend nicht die wichtigste liturgische Handlung während der Kartage ist, spielte sich doch bei den Medien eine grosse Rolle: Vor einem Jahr hatte Franziskus zwölf jugendlichen Straftätern in einer römischen Haftanstalt die Füsse gewaschen, darunter einer serbischen Muslimin. Am Nachmittag des Gründonnerstags waren es zwölf Behinderte in einem römischen Therapiezentrum, vor denen der Papst mit einer Wasserschale und dem Handtuch niederkniete. Auch unter ihnen ein 75 Jahre alter Muslim aus Libyen. Am Vormittag hatte der Papst im Petersdom die Chrisam-Messe gefeiert und die heiligen Öle für Krankensalbung oder die Firmung gesegnet.

Auch der Kreuzweg mit dem Papst am Karfreitag hatte eine besondere Note. Die Meditationen, die bei den vierzehn Stationen vorgetragen wurden, hatte ein in Italien sehr bekannter Bischof verfasst: Giancarlo Maria Bregantini, dreizehn Jahre lang Oberhirte einer der grössten Hochburgen des organisierten Verbrechens in Italien. In seinem Bistum Locri-Gerace, das er von 1994 bis 2007 leitete, liegt der Ort San Luca, der mit den Mafia-Morden von 2007 in Duisburg auch in Deutschland traurige Berühmtheit erlangte. Die Opfer der blutigen Abrechnung unter Mafia-Clans stammten von dort. Bregantini unternahm damals eine Busswallfahrt nach Duisburg. Er traf Angehörige der Getöteten und feierte eine Messe mit dem damaligen Essener Weihbischof Franz Grave. Im November 2007, drei Monate nach den Morden von Duisburg, übernahm Bregantini die Leitung der Erzdiözese Campobasso-Boiano in den Abruzzen, blieb aber einer der schärfsten Mafia-Kritiker unter den italienischen Bischöfen. Seine Meditationen zum Kreuzweg mit dem Papst behandelten auch die Wirtschaftskrise, Finanzspekulationen und Arbeitslosigkeit, die Opfer giftiger Dämpfe illegaler Müllverbrennung durch die Mafia und Rassismus.

Die kommende Osterwoche wird in Rom ganz im Zeichen der beiden neuen Heiligen stehen. Und das öffentliche Gedenken an Johannes Paul II. endet für Franziskus erst am 4. Mai. Dann besucht der Papst die polnische Nationalkirche in Rom, Santo Stanislao, die Pfarrei der polnischen Gemeinde im historischen Zentrum der Stadt. Sie liegt an der “Via delle Botteghe Oscure”, der “Strasse der dunklen Läden”, die in den Nachkriegsjahren den Sitz der kommunistischen Partei Italiens beherbergte. Der Besuch des Papstes dürfte auch als Reverenz an Johannes Paul II. zu verstehen sein, der am 27. April zusammen mit Johannes XXIII. weithin sichtbar die Fassade des Petersdoms schmücken wird.

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