‘9/11’ und Syrien

Moskauer Patriarch appelliert an Obama

Kyrill I.Das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche schrieb dem US-Präsidenten persönlichen Brief – Erinnerung an die Leiden der Weltkriege des 20. Jahrhunderts – Sorge um die Christen in Syrien

Moskau-Vatikanstadt, kath.net/KAP, 11. September 2013

Aus Anlass des “9/11”-Gedenkens hat das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Kyrill I. von Moskau, in einem Schreiben an Präsident Barack Obama die USA zum Verzicht auf eine militärische Aktion gegen Syrien ersucht. Der syrische Konflikt müsse durch Verhandlungen gelöst werden, wie es in den vergangenen Tagen von vielen religiösen Führungspersönlichkeiten angeregt worden sei, so Kyrill.

Wörtlich heisst es im Schreiben des Patriarchen: “Die russisch-orthodoxe Kirche kennt den Preis der Bedrängnis und der Verluste von Menschenleben, nachdem unser Volk im 20. Jahrhundert zwei verheerende Weltkriege überlebte, die Millionen Menschenleben forderten und das Leben vieler Menschen zerstört haben. Wir betrachten aber auch den Schmerz und den Verlust, den das amerikanische Volk durch die schrecklichen terroristischen Attentate vom 11. September 2001 erlitten hat, als unseren Schmerz.”

Am Vorabend “des Gedenkens an dieses traurige Ereignis” bittet Kyrill I. den amerikanischen Präsidenten “auf die Stimmen der Religionsvertreter zu hören, die einstimmig jedes militärische Eingreifen in den syrischen Konflikt ablehnen”. Obama möge keine Anstrengung unterlassen, “damit es möglichst bald Friedensverhandlungen geben wird”.

Wie das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche betont, würde ein militärisches Eingreifen der USA nicht nur der syrischen Zivilbevölkerung noch grössere Leiden auferlegen. Vielmehr könnte es auch die Macht radikaler Kräfte stärken, die nicht die Absicht hegen, “ein friedliches interreligiöses Zusammenleben in der syrischen Gesellschaft zu fördern”.

Der Patriarch äussert seine Sorge um die Christen in Syrien, “denen in diesem Fall die Gefahr der Ausrottung oder der Vertreibung drohen würde”. Deshalb müsse man “die Gelegenheiten nutzen, die für eine diplomatische Lösung des Konflikts zur Verfügung stehen”. Es gelte dabei, die Kontrolle der chemischen Waffen in Syrien durch die internationale Staatengemeinschaft mit einzubeziehen.

In seinem Brief erinnert der Moskauer Patriarch daran, dass Syrien bereits jetzt eine “Arena des bewaffneten Konflikts” sei, an dem sich ausländische Söldner und mit internationalen terroristischen Zentren vernetzte Fanatiker beteiligen. Wörtlich stellt der Patriarch fest: “Dieser Krieg ist für Millionen von Zivilisten zu einem täglichen Golgotha geworden.”

Patriarch Kyrill I. und Präsident Obama waren sich im Juli 2009 in Moskau begegnet. Bei dieser Gelegenheit hatte Kyrill I. dazu aufgefordert, im Namen der gemeinsamen christlichen Werte “die antiamerikanischen Gefühle in Russland und die antirussischen Gefühle in Amerika zu überwinden”.

“Logik der Weisen”

Auch der melkitische griechisch-katholische Patriarch von Antiochien, Gregorios III. (Laham), hat indirekt an Präsident Obama appelliert. “Die Grösse eines führenden Politikers besteht darin, nach Frieden zu streben und Frieden zu schaffen und nicht Krieg und Verwüstung zu verursachen. Eine Grossmacht ist eine solche, wenn sie eine Kraft des Friedens ist”, so Gregorios III. in einem Gespräch mit der vatikanischen Nachrichtenagentur “Fides”.

“Die Logik der Gewalt ist nie die Logik weiser Menschen”, so der Patriarch: “Wir laden die politischen Führungskräfte in aller Welt ein, zu den Worten Jesu im Evangelium zurückzukehren. Dies reicht aus, um in der Welt Zivilisation, Freiheit, Würde, Liebe und Barmherzigkeit zu verbreiten.”

Syrien sei eng mit den Nachbarländern verbunden, erinnerte der Patriarch mit Blick auf eine mögliche regionale Ausweitung des Konflikts: “Wenn in einem Wald ein Baum brennt, dann brennt bald der ganze Wald.”

Abschliessend forderte Gregorios III. “den Verzicht auf Gewalt und jegliche Form eines Angriffs”, wie dies auch die Vertreter der christlichen Glaubensgemeinschaften des Nahen Ostens bei ihrem jüngsten Treffen in Jordanien getan hatten: “Alle Gläubige laden wir ein, wie dies Papst Franziskus tut, auch künftig für den Frieden in Syrien und in der Welt zu beten.”

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