Das Geld ist weg, das Vertrauen noch mehr
Der Erzdiözese Maribor droht nach Finanzspekulationen jetzt der Konkurs
Zwei slowenische Erzbischöfe treten zurück
Warum Papst Franziskus die slowenische Kirche “enthauptete”.
Von Stephan Baier
Papst Franziskus setzt in Slowenien auf einen Neustart: Die Erzbischöfe von Ljubljana und Maribor, Anton Stres und Marjan Turnšek, mussten zurücktreten.
Maribor/Graz, DT), 9. September 2013
In den kommenden Wochen entscheidet sich das Schicksal der Erzdiözese Maribor (Marburg an der Drau), und zwar nicht in einem allegorischen Sinn, sondern handfest juristisch:
Der historisch mit Österreich eng verwobenen slowenischen Diözese, die bei der kirchlichen Neuordnung 2006 zur Erzdiözese erhoben wurde, droht als erster in Europa die Insolvenz. Und da das slowenische Insolvenzrecht – im Gegensatz etwa zum US-amerikanischen – nicht auf Fortführung, sondern auf Zerschlagung angelegt ist, sind die zivil-, straf- und auch kirchenrechtlichen Folgen allenfalls zu ahnen. Kommt es dazu, dann werden sämtliche Vermögenswerte der katholischen Kirche von Maribor in die Konkursmasse fliessen. Was dies für das Ansehen der Kirche in Slowenien, für die Fortführung der Seelsorge, für die auch heute eher überschaubare Verwaltung und nicht zuletzt psychologisch für die rund 1,2 Millionen Katholiken Sloweniens bedeuten würde, ist kaum abzusehen.
Alles begann in den Jahren nach der slowenischen Unabhängigkeitserklärung: 1991 hatte das kleine mitteleuropäische Land sich nach kurzen militärischen Scharmützeln erfolgreich und endgültig von der jugo-kommunistischen Diktatur Belgrads verabschiedet. Die Zeiten kommunistischer Repression waren überwunden, die serbische Dominanz über das traditionell westlich orientierte Land ebenso. Doch anders als im südlichen Nachbarland Kroatien gibt es in Slowenien keinen breiten Volkskatholizismus. Auch durfte die Kirche nicht auf ein Kirchensteuersystem nach deutschem oder österreichischem Muster hoffen. So kam man in Maribor auf die pfiffige Idee, die Gunst der kapitalistischen Stunde zu nutzen und ökonomisch aktiv zu werden, um das kirchliche Leben dauerhaft zu sichern. Auch andernorts ist die Kirche ja im Weinanbau oder im Tourismus aktiv.
Im zweiten Jahrzehnt der slowenischen Unabhängigkeit schliesslich baute die Diözese Maribor ihre Wirtschaftsaktivitäten enorm aus: Der Holding “Glocke 1” folgte eine “Glocke 2” und die Steuerungsholding “Gospodarstvo Rast” (Wirtschaftswachstum). Die beiden Glocken waren mit 53 Prozent mehrheitlich im Eigentum der Erzdiözese, das “Wirtschaftswachstum” sogar zu hundert Prozent. Investiert wurde munter in Immobilien, Verlage, Chemie, Bauindustrie und den Tourismus, in die Traditionsbrauerei Lasko und die Supermarktkette Mercator, ja sogar in einen Telekommunikationsanbieter, der gegen “Telekom Slovenije” angetreten war.
Der Traum vom kirchlichen Wirtschaftsimperium endete in einer Katastrophe: Von Fehlern, versagenden Kontrollinstanzen und misslungenen Managemententscheidungen spricht der Wirtschaftsdirektor der Diözese Graz-Seckau, Herbert Beiglböck, in vornehmer Zurückhaltung. Im Auftrag des Grazer Bischofs Egon Kapellari arbeitet er mit einer Arbeitsgruppe daran, von der benachbarten Erzdiözese Maribor zu retten, was zu retten ist.
Im Juni 2012 hatte sich der Erzbischof von Maribor – mit Graz bis 1918 in der Steiermark vereint und noch heute im Volksmund “Untersteiermark” genannt – Hilfe suchend an den bischöflichen Nachbarn in Graz gewandt. Das Marburger Finanzgeflecht ist nach zwei gescheiterten Versuchen jedenfalls nicht mehr zu retten: “Die Situation der Firmenunternehmen ist klar, die sind zur Gänze in Konkurs und werden liquidiert”, sagt Beiglböck im Gespräch mit der “Tagespost”. Hier geht es um ein Volumen von 800 Millionen Euro. Neben einigen Grossbanken gibt es 60 000 bis 65 000 Geschädigte – bei einer Einwohnerzahl von zwei Millionen hat praktisch jeder Slowene betroffene Verwandte und Freunde. Entsprechend gross ist der Katzenjammer: Auch wenn dieses Liquidationsverfahren die Erzdiözese selbst nicht mehr betrifft, wie Beiglböck versichert, gibt es eine Verantwortung des Eigentümers Kirche. Daran lässt auch Beiglböck nicht rütteln: “Die Kirche muss bekennen, dass sie einen Schaden verursacht hat und Mitverantwortung trägt. Es gibt aber auch eine Mitverantwortung der Banken, die Kredite gegeben haben, ohne auf die notwendigen Sicherheiten und Genehmigungen zu schauen.” Die Rechtssituation der Kirche sei den Banken nahezu unbekannt gewesen. “Wir brauchten lange, um den Banken beizubringen, dass eine Diözese konkursfähig ist.” Diesen Konkurs aber zu verhindern, ist Beiglböcks Ziel, denn die Insolvenz der Firmenkonstruktion ist das eine, die einer einst von Salzburg aus geführten und seit 1859 bestehenden Diözese im Herzen Mitteleuropas etwas ganz anderes. Das Volumen, das direkt auf den Schultern der Kirche von Maribor lastet, ist mindestens 37 Millionen Euro schwer – bei einem Jahresbudget von einer Million eine horrende Summe. Nun hofft man in Maribor und bei den Beratern in Graz darauf, dass sich die Gläubigerbanken auf einen aussergerichtlichen Vergleich einlassen und die drohende Insolvenz noch einmal vermieden werden kann. Das wird nicht leicht, denn alleine die Raiffeisen-Tochter in Slowenien hat die Erzdiözese auf 7,6 Millionen Euro verklagt, die “Abanka” will 360 000 Euro. “Die Banken wissen aber auch, dass in einem Konkursfall noch weniger erzielt wird als in einem aussergerichtlichen Verfahren”, meint Beiglböck gegenüber dieser Zeitung. Darum haben die Gläubigerbanken, als ihnen die Zahlungsunfähigkeit der Erzdiözese Maribor geschildert wurde, auch zunächst zu einem Sanierungskurs ermutigt. Nun versuchen sie, wie der Grazer Wirtschaftsdirektor formuliert, “ihre Interessen zu optimieren”.
Er hofft gleichwohl, dass ein Vergleich in den nächsten Monaten erreicht wird. Ein solcher Vergleich ist nicht nur die Voraussetzung dafür, dass die elf Mitarbeiter des Ordinariats in Maribor weiter bezahlt werden, sondern dass die Seelsorge überhaupt weiter funktioniert. Die Diözese Graz-Seckau, die jetzt vor allem mit Expertise, Rat und Verhandlungskraft aktiv ist, erwägt im Fall eines Vergleichs, mittels einer “neuen kirchlichen Rechtsfigur” einige wichtige Immobilien in Maribor zu kaufen, um so das diözesane Überleben zu ermöglichen. Im Gespräch sind die Aloisius-Kirche, der Bischofssitz und die Theologische Fakultät. “Es geht um die notwendigen Voraussetzungen für die Seelsorge der Zukunft”, sagt Beiglböck, der hofft, dass sich nach Abschluss der Konsolidierung auch andere Diözesen helfend beteiligen. Juristisch immerhin haften die übrigen slowenischen Diözesen ebenso wenig wie die einzelnen Pfarreien.
Keinesfalls leichter als die wirtschaftlichen und juristischen Aufräumarbeiten ist jedoch eine andere Aufgabe: das Vertrauen der Slowenen in ihre Kirche wieder herzustellen. Hier hat Papst Franziskus Ende Juli eine Zeichenhandlung gesetzt, indem er die Erzbischöfe von Maribor und Ljubljana, Marjan Turnšek und Anton Stres, zum Rücktritt zwang. Bitter für den 70-jährigen Anton Stres, der sich als ehemaliger Generalvikar, Weihbischof und schliesslich Erzbischof-Koadjutor von Maribor nicht ganz aus der Verantwortung nehmen kann, aber mit der Ernennung zum Erzbischof von Ljubljana 2009 am Gipfel seiner Karriere angekommen war. Noch bitterer allerdings für den erst 58-jährigen Marjan Turnšek, der in der fraglichen Zeit Bischof von Murska Sobota war und erst 2011 Erzbischof von Maribor wurde, als Papst Benedikt XVI. den ebenfalls vom Finanzskandal überschatteten Rücktritt von Erzbischof Franc Kramberger annahm. Beide nun mit maximaler Öffentlichkeitswirkung in Slowenien abgesetzten Erzbischöfe gaben sich demütig: Stres sprach allen, “die auf die eine oder andere Weise vom Finanzkollaps der Erzdiözese Maribor betroffen sind”, sein “aufrichtiges Bedauern” aus. Er habe nie behauptet, keine Verantwortung zu tragen, doch seien Turnšek und er nicht die Hauptschuldigen. Turnšek wiederum sagte, er habe das Amt einst im Gehorsam gegenüber dem Papst angenommen und gebe es nun im selben Geist auch auf. Damit hoffe er “zur Konsolidierung der Situation der slowenischen Kirche beizutragen”. Durch seinen Rückzug werde eine unbelastete Aufarbeitung durch einen Nachfolger möglich, und die katholische Kirche könne ihre moralische Autorität in Slowenien verbessern.
Doch ganz so schnell wird das nicht gehen, denn das Klima im Land ist vergiftet: Da ist etwa der innerkirchliche Frust, auf den der neuernannte Apostolische Administrator von Maribor und Bischof von Celje, Stanislav Lipovšek, Ende August mit einem Brief an Priester, Ordensleute und Gläubige reagierte. Die beiden Erzbischöfe übernähmen mit den Rücktritten ihren Teil der Verantwortung, heisst es darin. Lipovšek appelliert an Priester und Laien, diese Rücktritte “im Gehorsam gegenüber dem Nachfolger Petri” zu akzeptieren. Das fällt nicht allen leicht: Das Wort von der “Enthauptung” der slowenischen Kirche macht die Runde. Ivan Stuhec, Moraltheologe in Ljubljana, bezeichnet die Amtsenthebung öffentlich als ungerecht. Der frühere Präfekt der vatikanischen Ordenskongregation und einstige Erzbischof von Ljubljana, Kardinal Franc Rode, meinte gegenüber der slowenischen Tageszeitung “Delo”, Papst Franziskus habe “ein Exempel für die ganze Kirche statuieren” wollen, weil er finanzielle Machenschaften in der Kirche als grosses Ärgernis empfinde.
Ob der gegenwärtigen Phase der Demütigungen und Anfeindungen, die Sloweniens Kirche derzeit durchlebt, eine Ära wiedergewonnenen Vertrauens folgt, bleibt abzuwarten und hängt wohl auch von den noch ausstehenden Bischofsernennungen für die Hauptstadt Ljubljana und für Maribor ab. Derzeit amtieren hier Nachbarbischöfe als Apostolische Administratoren. Vorerst bleiben wird eine laizistische Atmosphäre (23 Prozent gehören gar keiner Religionsgemeinschaft an) und das angespannte Verhältnis zwischen der Kirche und grossen Teilen der Politik wie der Medien. Manche sehen darin sogar die Ursache der gegenwärtigen Probleme. So meint der Priester und Theologe Janez Juhant, der an der Theologischen Fakultät in Ljubljana Philosophie lehrt, gegenüber der “Tagespost”, es gebe eine “Verwicklung kirchlicher Leute in die Seilschaften der kommunistischen Nomenklatura”. Juhant weiter: “Die alte Nomenklatura nützt das für die Deckung der eigenen Probleme – vor allem der wirtschaftlichen Misere und der Unfähigkeit Sloweniens, sich aus der Finanzkrise zu lösen.” So werde die Kirche von der Politik missbraucht und klein gehalten. Ihr schiebe man nun “alle Schuld für die gesellschaftlichen Probleme” zu, so Juhant gegenüber dieser Zeitung. Der slowenische Philosoph erinnert aber auch an die Verantwortung „der Nuntien in längerer Periode, die über die Dinge gewusst haben und nicht reagierten”. Dagegen habe Turnšek in Maribor die Sanierung eingeleitet – und solle nun der Schuldige sein. Gerüchte, der Vatikan habe weitere Strafen über die beiden amtsenthobenen Erzbischöfe verhängt, dementierte nun der Sprecher der slowenischen Bischofskonferenz, der Franziskanerpater Tadej Strehovec: Es gebe keine Verbannung der Erzbischöfe ins Ausland, auch keine anderen Dekrete oder Strafen. Lediglich mit Blick auf ihre Nachfolger würden sich Stres und Turnšek für einige Zeit aus der Öffentlichkeit zurückziehen. In einem kleinen Land wie Slowenien, wo praktisch jeder jeden kennt, ist das gar nicht so leicht.
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