Werden wir uns bewusst, dass wir blind sind
Am Sonntag berichtet uns das Markus-Evangelium (10,46–52) von der Heilung des Blinden bei Jericho
Quelle
Adonia Verlag: Bartimäus – Hottiger, Wittwer, Alpstäg
Unser Sonntag: Perspektivwechsel! – Vatican News
Predigt: 30. Sonntag im Jahreskreis B 2024 (Dr. Josef Spindelböck) – Im Herzen Jesu begegnet uns Gottes Liebe
“Herr, ich will aufblicken” | Die Tagespost
Von Aldo Vendemiati
24. Oktober 2024
CNA Deutsch präsentiert die folgende Predigt zum bevorstehenden 30. Sonntag im Jahreskreis.
Am Sonntag berichtet uns das Markus-Evangelium (10,46–52) von der Heilung des Blinden bei Jericho. Es handelt sich um eine Episode, die auch Lukas (18,35–43) und Matthäus (20,29–34) erzählen. Aber es gibt eine Kuriosität: Während Markus uns den Namen des Blinden und jenen seines Vaters nennt – “Bartimäus, der Sohn des Timäus” (was vermuten lässt, dass er der christlichen Gemeinde gut bekannt war) –, spricht Lukas einfach von “einem Blinden” und Matthäus erzählt uns seltsamerweise von “zwei Blinden”.
Ich denke, dass diese von Matthäus gewirkte Verdoppelung einen spirituellen Sinn hat, so als würde er uns einladen, uns neben Bartimäus zu stellen, damit auch wir seine Heilungserfahrung nacherleben können.
Jesus geht nach Jerusalem hinauf, er geht seinem Kreuz und seiner Auferstehung entgegen. Sein Weg führt durch Jericho – und das erinnert diejenigen, die die Heilige Schrift gut kennen, an den Einzug Israels in das verheißene Land. Eine große Menschenmenge folgt ihm, aber (wie wir auch letzten Sonntag gesehen haben): Die Gründe für dieses Folgen sind oft konfus.
Auf der Straße taucht ein störendes Element auf: jemand, der nicht geht, sondern dasitzt und bettelt, ein Blinder. Sein Zustand ist der einer extremen Armut: Er gehört nicht zur Gruppe der Jünger Jesu, er ist nicht einmal in der Lage, ihm wie die Menge zu folgen. Er ist der schwächste und ärmste Mensch, den man sich vorstellen kann. Aber er zeigt, dass er das Einzige hat, was nötig ist: den Glauben. Einen Glauben, der im lauten und wiederholten Ruf zum Ausdruck kommt: Sohn Davids, Jesus, hab Erbarmen mit mir!
Seinem Schreien stellen sich viele entgegen und sie tadeln ihn, um ihn zum Schweigen zu bringen. Es gibt immer jemanden, der von der Höhe seiner angeblichen Zulänglichkeit jene tadelt, von denen er meint, sie würden der Situation nicht gerecht werden: Die Jünger weisen jene zurecht, die die Kinder zu Jesus bringen (vgl. Mk 10,13), sie wollen andere daran hindern, im Namen Jesu Dämonen auszutreiben (vgl. Mk 9,38), sie gehen sogar so weit, Jesus selbst zu tadeln, weil er von seinem Leiden und von seiner Auferstehung spricht (vgl. Mk 8,32).
Aber Bartimäus weiß, dass Jesus der Sohn Davids ist, der Messias, bei dessen Ankunft sich die Augen der Blinden öffnen. Und er ruft ihn an, ohne sich einschüchtern zu lassen. Mehr noch: Je mehr sie ihn zurechtweisen, desto mehr schreit er.
Als Jesus ihn rufen lässt, weiß er, dass das Warten ein Ende hat. Er wirft seinen Mantel weg – das Einzige, was ein Bettler hat! Jetzt weiß er, dass er erhört wird, da Jesus sich um ihn kümmert. Er wird in der Tat geheilt und folgt Jesus nach.
Stellen auch wir uns daher neben Bartimäus. Werden wir uns bewusst, dass wir blind sind. Werden wir uns auch gleichzeitig bewusst: Wenn uns diese Blindheit daran hindert, ihm zügig zu folgen, stellt sie doch nicht unseren endgültigen Zustand dar, solange wir den nötigen Glauben haben, um ihm zuzurufen: “Sohn Davids, hab Erbarmen mit mir!”
Und wie immer wird Jesus eingreifen, um uns zu retten und uns zu ermöglichen, ihm zu folgen. Aber er wird auch eingreifen, um seine Gemeinschaft zu korrigieren: “Ruft ihn her!”
Diejenigen, die den Blinden aufgrund ihrer Denkweise ausschließen wollten, werden durch das Wort Jesu dazu geführt, ihn aufzunehmen: “Hab nur Mut, steh auf, er ruft dich!”
So heilt der Herr nicht nur die körperliche Blindheit des Bartimäus, sondern auch die geistige Blindheit seiner Begleiter. Und so wird die Prophezeiung Jeremias wahr (31,7– 9), die wir in der ersten Lesung hören: Der Herr hat sein Volk gerettet, den Rest Israels!
Es ist kein Heer von Starken und Großen: “Unter ihnen sind Blinde und Lahme, Schwangere und Wöchnerinnen.” Weil sich seine Macht in der Schwachheit erweist (vgl. 2 Kor 12,9) und nur einer Bedingung bedarf, um sich zu zeigen, nämlich unseren Glauben: “Geh! Dein Glaube hat dich gerettet!”
Aldo Vendemiati ist Priester und Professor an der Philosophischen Fakultät der Päpstlichen Universität Urbaniana. Sein Blog findet sich HIER. Die Predigt wurde mit freundlicher Genehmigung veröffentlicht.
Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht notwendigerweise jene der Redaktion von CNA Deutsch.
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