Unser Sonntag: Er ruft sie beim Namen
Isabelle Velandia erläutert die Erkennungszeichen des guten Hirten – vor allem geht es um die Stimme und darum, den Schafen nahe zu sein – aber die Schafe müssen sich auch führen lassen
Isabelle Velandia
Joh 20,19-31
Das Evangelium des Guten Hirten, in das wir heute eintreten dürfen, steht in einem größeren Zusammenhang bzw. es gibt eine Vorgeschichte, die uns hilft, das besser zu verstehen.
Vor der Erzählung dieses Gleichnisses war Jesus unterwegs mit seinen Jüngern und hat einen Blinden geheilt. Diese Heilung führt zu einem ziemlichen Aufruhr, denn es steht die Frage im Raum Wie kann das eigentlich sein, dass er geheilt wird? Denn nach diesem damaligen Verständnis war Krankheit gleich Sünde. Und wie kann es sein, dass ein Mensch die Sünden heilt? Das kann doch nur Gott. Dieser Geheilte wird vor die Pharisäer gebracht, die das prüfen sollen.
“Die Antwort des Geheilten ist: Ja, ich glaube! Und er fällt vor ihm nieder.”
Sie glauben aber weder dem Geheilten noch seinen Eltern und deswegen befragen sie ihn noch mal.. Und dieser Geheilte gibt also ein Zeugnis des Glaubens an Jesus Christus, dass er geheilt ist durch ihn. Jesus begegnet diesem Geheilten, der vorher von den Pharisäern aus dem Tempel geschmissen wurde, denn sie sind sehr verärgert über dieses Zeugnis. Und Jesus begegnet diesem Geheilten und fragt ihn: Glaubst du an den Menschensohn? Dieser kennt ihn nicht, aber er möchte gerne glauben. Und so gibt sich Jesus zu erkennen. Und die Antwort des Geheilten ist: Ja, ich glaube! Und er fällt vor ihm nieder.
Erkennungszeichen des Hirten
In dieser Situation sind einige Pharisäer anwesend, erfahren wir aus dem Evangelium. Das heißt, diese Personen, diese Gesetzeslehrer, die bei dieser Szene dabei sind, wollen, wissen, ob sie das auch betrifft. Sie fragen Jesus, ob sie auch blind sind und wollen eine Antwort haben, die ihnen Orientierung gibt. Jesus erzählt also in diesem Zusammenhang das Gleichnis des guten Hirten, der in den Schafstall kommt. Der Schafstall ist das Gottesvolk, das Volk Israel. Und dieser Stall hat eine Tür. Und nur der, der durch die Tür hineinkommt, ist auch der Hirte. Also er beschreibt die Erkennungszeichen eines Hirten. Jesus gibt sich dann selbst zu erkennen als die Tür, durch die die Schafe hineinkommen und hinausgehen. Jesus spricht von dem guten Hirten, den die Schafe erkennen. Sie erkennen ihn an seiner Stimme. Und er erwähnt auch, dass es andere Stimmen gibt, fremde Stimmen, die von den Schafen nicht erkannt werden.
Er kennt sie beim Namen
Also wir befinden uns in einer Szene, also in einer ländlichen Szene, die uns vielleicht etwas unbekannt ist hierzulande, heute, in unserer modernen Zeit aber, die das alltägliche Leben der Menschen betraf. Also das Schafe hüten, ein Schafstall und ein Hirte. Und hier gibt es eine Beziehung. Und Jesus beschreibt genau die Beziehung zwischen diesen, zwischen dem Hirten und den Schafen. Die Verbindung besteht durch die Stimme. Der Hirte ist dann der gute Hirte, wenn er die Schafe kennt. Er kennt sie beim Namen und er spricht sie auch an, also er kennt sie nicht nur beim Namen. Das ist der erste Punkt. Sondern zweitens er spricht sie auch an und er nennt sie beim Namen. Er ruf sie beim Namen, dann folgen sie ihm und dann kann er sie sammeln und auf die Weide bringen.
“Es geht um ein Vertrauensverhältnis, ein existentielles Lebensverhältnis”
Es besteht also zwischen Schaf und Hirte ein Vertrauensverhältnis, also mehr als ein Vertrauensverhältnis. Es geht ja um ein existenzielles Lebensverhältnis. Die Schafe sind auf den Hirten angewiesen, deswegen müssen sie seine Stimme kennen. Sie müssen sich von ihm berufen fühlen, angesprochen fühlen. Im übertragenen Sinne sind es eben auch die Schafe Israels, die Gläubigen. Das Volk muss in der Lage sein, die Stimme Gottes zu erkennen und sich von ihm, von Gott angesprochen wissen. Nun werden sie, wird das Volk Israel einzeln beim Namen genannt, zur Weide Gottes gerufen, zur Sammlung des Volkes. Das ist eigentlich die Sammlung, die Sammlung des Gottesvolkes, auch in der Kirche.
Die Schafe lassen sich rufen
Und dabei ist es eben wichtig, dass es einen Hirten gibt. Ohne Hirten finden die Schafe die Weide nicht. Außerdem gibt es Gefahren. Es gibt andere fremde Führer, die sich ausgeben als Hirten. Diese gilt es zu meiden, das heißt, sie müssen fliehen. Die Schafe fliehen vor dem Hirten, vor dem Fremden, weil sie die Stimme nicht erkennen. Sie fliehen nicht nur aus Angst, vielleicht auch, sondern weil sie die Stimme des Guten, des wahren Hirten erkennen müssen. Und das geht nicht in einem Stimmengewirr. Das geht nur, wenn ein Raum da ist, wo diese Stimme gehört werden kann. Der Hirte ruft nun, und die Schafe lassen sich rufen.
Weitblick, Geduld und Ausdauer
Der Hirte geht seinen Aufgaben nach zu behüten, zu sorgen, wachsam zu sein. Er muss ja schauen, dass alle da sind. Es sind ja viele Schafe. Es ist eine Herde. Für uns sehen sie vielleicht alle gleich aus, für uns, aber er muss sie so kennen, dass er sie unterscheiden kann, dass er auch die Langsameren im Blick hat. Er muss also zurückgehen können. Er muss schauen, dass die Schnelleren nicht weglaufen. Also er ist es auch eine sportliche Angelegenheit. Er muss bereit sein, diese Arbeit auf sich zu nehmen. Er muss Weitblick haben, Geduld und Ausdauer. Er muss ja auch verlorene Schafe suchen.
Führen heißt nicht herrschen
Also er muss mit dieser Gabe ausgestattet sein, auch mit einer sehr großen Nächstenliebe, dass er die verlorenen Schafe, das einzelne verlorene Schaf suchen geht und dafür die anderen stehen lässt. Der Hirte, der seine Schafe führt, der beherrscht sie nicht, nein, er kennt sie. Führen bedeutet hier kennen, kennen und verbunden sein. Wissen, dass er gebraucht wird. Der Hirte wird gebraucht und daraus entsteht sein Dienst, sein Hirtendienst. Führen heißt nicht herrschen. Das ist natürlich auch die Aussage, die Jesus in diesem Fall den Pharisäern, den Gesetzeslehrern gibt. Es geht nicht darum, besonders gut zu sein, alle Gesetze zu erfüllen.
Die Aufgaben der Schafe
Es geht darum, nahe zu sein, nah bei den Schafen, bei den verlorenen Schafen Israels, diese zu sammeln. Was ist nun die Aufgabe der Schafe? Sind sie passiv? Werden sie nur geführt? Ihre Aufgabe ist es, sich führen zu lassen. Das ist eine große Herausforderung. Das ist keine Passivität. Denn um sich führen zu lassen, müssen Sie ja auch aufmerksam sein.
Sie müssen die Stimme des Hirten erkennen.
Sie müssen Vertrauen haben, dass das die Stimme ist, dass der sie ruft.
Sie müssen auch um die Verbundenheit mit dem Hirten wissen.
Sie müssen wissen, dass sie dem Hirten gehören.
Und die Schafe müssen unterscheiden lernen, die Stimmen unterscheiden lernen, also die Unterscheidung dessen, was gut ist und was nicht gut ist, was gut und was böse ist.
Wo der Weg ist und wo nicht der Weg ist, das muss gelernt werden. Und sie müssen zuhören lernen.
Jesus sagt in dem Gleichnis Ich bin gekommen, damit Sie das Leben haben und es in Fülle haben. Es geht also bei der ganzen Bildrede um die Fülle des Lebens, um die Erfüllung. Und die findet statt in der Bildung des heiligen Gottesvolkes der Kirche. Nicht als Masse, als anonyme Masse, sondern als persönlicher Ruf. Und die Antwort des einzelnen Schafes, der Gläubigen ist in der Gemeinschaft und bildet Gemeinschaft.
In diesem Sinne ist die Kirche das heilige Zelt, wo Christus, der Hirte, mit ihr wohnt.
radio vatikan – redaktion claudia kaminski, 29. April 2023
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