Vatikan gewährt Verurteilten Strafnachlässe und Sozialdienst

Papst Franziskus ändert die vatikanische Strafjustiz

Quelle
Vatikan: Papst Franziskus ‘Motu proprio’
Vatikan verurteilt Ex-Bankchefs zu Haft und Entschädigung

Vatikan gewährt Verurteilten Strafnachlässe und Sozialdienst

Papst Franziskus ändert die vatikanische Strafjustiz. Fortan können Verurteilte unter Umständen einen Teil ihrer Haft in Form von Freiwilligendienst ableisten. Abgeschafft wird das Urteil in Abwesenheit. Der Vatikan veröffentlichte das entsprechende Motu Proprio an diesem Dienstag.

Strafmilderung, die Möglichkeit gemeinnütziger Arbeit statt Haft, Aussetzung der Verhandlung bei berechtigter Verhinderung des Angeklagten: Dase Strafrecht des Staates Vatikanstadt wird aktualisiert und ihre Normen umgestaltet, um den gewandelten Bedürfnissen der Zeit nachzukommen und eine Strafe zu gewährleisten, die die Wiedereingliederung der verurteilten Person im Fokus hat. Die Änderungen sind Gegenstand eines neuen Dekrets von Papst Franziskus, das auf 8. Februar 2021 datiert ist und an diesem Dienstag veröffentlicht wurde. Es ergänzt das vatikanische Strafrecht um drei Artikel.

Gemeinnützige Arbeit statt Haft

Der erste Artikel nimmt Änderungen am Strafgesetzbuch vor und legt eine Haftminderung von 45 bis 120 Tage für jedes Jahr der bereits verbüssten Strafe für den Verurteilten fest, sofern dieser Reue zeigt und „gewinnbringend am Behandlungs- und Rehabilitationsprogramm teilgenommen hat”. Der Verurteilte erstellt in diesem Fall im Einvernehmen mit dem Richter ein Behandlungs- und Rehabilitationsprogramm, das die Auflagen für den Verurteilten enthält. Diese Auflagen sollen einen Bezug zu „Schadensersatz, Wiedergutmachung und Rückerstattung“ haben. Der Verurteilte kann „die Verrichtung gemeinnütziger Arbeiten, freiwilliger Tätigkeiten von sozialer Bedeutung sowie ein Verhalten vorschlagen, das dazu geeignet ist, nach Möglichkeit die Aussöhnung mit der geschädigten Person zu fördern”. In der bisherigen Gesetzgebung war dies nicht vorgesehen.

Prozess in Abwesenheit

Der zweite Artikel modifiziert die Strafprozessordnung und schafft den sogenannten “Prozess in Abwesenheit” ab, der noch im Vatikanischen Gesetzbuch vorhanden war: Wenn der Angeklagte nicht erschien, fand der Prozess auf der Grundlage der Dokumente ohne Zulassung der Zeugen der Verteidigung statt. In Zukunft wird es so sein, dass ein Angeklagter, der ohne triftigen Grund der Verhandlung fernbleibt, diese trotzdem wie vorgesehen stattfindet, wobei der Verteidiger den Angeklagten vertritt. Kann der Angeklagte aber einen schwerwiegenden Grund für sein Fernbleiben nachweisen, so ist das Vatikan-Gericht fortan verpflichtet, die Verhandlung auszusetzen.

Pensionierte Richter

Der dritte Artikel nimmt Änderungen und Ergänzungen des Gesetzes über das Justizsystem des Staates Vatikanstadt vor. Er legt fest, dass ordentliche Richter bei der Beendigung ihres Dienstes sämtliche Rechte und soziale Vorsorgeprogramme behalten, die für die Bürger des Vatikanstaates vorgesehen sind. Ein Absatz unterstreicht, dass “das Amt des Kirchenanwalts in den drei Ebenen der Rechtsprechung autonom und unabhängig die Funktionen des Staatsanwalts und die anderen Funktionen ausübt, die ihm durch das Gesetz zugewiesen sind“.

Derselbe Richter in allen drei Instanzen

Eine wichtige Änderung betrifft schliesslich die zweite und dritte Instanz des Verfahrens. Bisher war vorgesehen, dass im Fall einer Berufung und dann gegebenenfalls in der letzten Instanz die Kirchenanwaltschaft von einem anderen Richter vertreten wird als demjenigen, der die Anklage im ersten Verfahren geführt hat. Die Verfahren des zweiten und dritten Grades wurden ad hoc mit einem jeweils anderen Richter besetzt. In Zukunft wird mit zwei verschiedenen Artikeln festgelegt, dass auch in den Verfahren des zweiten und dritten Grades die Funktion des Kirchenanwalts von einem Richter aus dem Büro des Kirchenanwalts wahrgenommen wird, den dieser selbst bestimmt. Die Jury wird sich weiterhin aus verschiedenen Richtern zusammensetzen. Diese Änderung ist dazu gedacht, die Verfahren zu beschleunigen.

vatican news – gs, 16. Februar 2021

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