Frühmesse: Diktatur beginnt beim Rufmord

Wer andere ruinieren will, startet eine Hetzkampagne, macht sich das Verführungspotential der Skandalpresse zunutze

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Die Verführung der niederträchtigen Kommunikation, die zerstört

Wer andere ruinieren will, startet eine Hetzkampagne, macht sich das Verführungspotential der Skandalpresse zunutze: bei der Frühmesse im vatikanischen Gästehaus Santa Marta warnte Papst Franziskus vor der „zerstörerischen Macht der Zunge“, die sich jede Diktatur zunutze macht.

Silvia Kritzenberger und Debora Donnini – Vatikanstadt

Bei seinen Überlegungen ging der Papst an diesem Montagmorgen von der Tageslesung aus dem Buch der Könige aus (1 Kön 21, 1-16). Darin wird die Geschichte des Nabot erzählt, dem König Ahab seinen Weinberg abkaufen möchte. Nabot aber will den Weinberg nicht hergeben, der ein Erbe seiner Väter ist. Als die Frau des Königs sieht, dass der König „missmutig und verdrossen war, weil Nabot zu ihm gesagt hatte: ich werde dir das Erbe meiner Väter nicht überlassen“, setzt sie hemmungslos Intrige und Gewalt ein: Nabot wird der Gotteslästerung bezichtigt und hingerichtet – und der König bekommt den Weinberg am Ende doch.

Die Märtyrer, die Opfer von Rufmord wurden

Nabot sei also aus Treue zum Erbe seiner Väter zum Märtyrer geworden: aus Treue zu einem „Erbe des Herzens,“ kommentierte der Papst. Diese Geschichte sei auch die Geschichte Jesu, des heiligen Stephanus und der vielen anderen Märtyrer gewesen, die Opfer von Rufmord wurden. Franziskus betonte, dass diese Methode auch heute noch von vielen Menschen, sogar von „Staats- und Regierungschefs“ genutzt werde: „Zuerst bringt man eine Lüge in Umlauf, und wenn der Ruf des Opfers erst einmal zerstört ist, versetzt man ihm den Todesstoss.“ Und das beginne immer bei dem, was das Kennzeichen jeder Diktatur sei: der Manipulation der Nachrichtenverbreitung:

„Man setzt sich einfach über das Gesetz der Kommunikationsfreiheit hinweg, vertraut den gesamten Kommunikationsapparat einer Firma an, die gegen andere hetzt, Unwahrheiten in Umlauf bringt, die Demokratie untergräbt,“ beschrieb der Papst das Zerstörungspotential der üblen Nachrede. „Und dann kommen die Richter und sitzen über die angeschlagenen Institutionen, über diese ruinierten Menschen zu Gericht; versetzen ihnen den Todesstoss. Das ist der Mechanismus der Diktatur. Jede Diktatur fängt so an: man bringt Falschmeldungen in Umlauf, gibt die Nachrichtenverbreitung in die Hand von Leuten, von Regierungen, die keine Skrupel kennen.“

Das Verführungspotential der Skandalpresse

Und dieser Mechanismus funktioniere auch im Alltag, gab der Papst zu bedenken. Wer anderen schaden wolle, beginne immer erst damit, über sie herzuziehen, sie zu verleumden, Skandalmeldungen zu verbreiten.

„Skandale lassen sich gut verkaufen; sie ziehen uns in ihren Bann, verführen uns,“ erklärte der Papst. „Gute Nachrichten sind langweilig; sind in dem Moment, in dem man sie liest, schon wieder vergessen… Skandale dagegen sind spannend, liefern Gesprächsstoff: ,Hast du das gesehen? Hast du gesehen, was er da getan hat? Ist das nicht schlimm? …. Wo soll das noch hinführen?´ Und dann wird alles solange zerpflückt und zerredet, bis der Betroffene, die betroffene Institution, das betroffene Land ruiniert ist. Denn hier wird nicht über Personen, Institutionen gerichtet – nein: ihr Ruin ist längst beschlossene Sache, jede Verteidigung ausgeschlossen.“

Die Judenverfolgung

Wohin dieser Teufelskreis führen kann, erläuterte der Papst am Beispiel der Judenverfolgung im letzten Jahrhundert:

„Wie viele Menschen, wie viele Länder sind von menschenfeindlichen Diktaturen ruiniert worden, die mit Hetzkampagnen arbeiten!“ beklagte der Papst. „Denken wir nur an die Diktaturen des letzten Jahrhunderts! Denken wir an die Verfolgung der Juden. Auf einmal hat jemand angefangen, gegen die Juden zu hetzen – und schon sind sie in Ausschwitz gelandet, weil sie es nicht verdienten zu leben. Es ist erschreckend… aber diese erschreckenden Dingen passieren heute: in den Kleinbetrieben, den Personen, in so vielen Ländern. Der erste Schritt ist, dass man die Nachrichtenverbreitung an sich reisst, dann kommt die Zerstörung, das Urteil, und schliesslich der Tod.“

Die Geschichte des Nabot wieder lesen

Auch der Apostel Jakobus habe schon vor der „zerstörerischen Macht der Zunge“ gewarnt, gab der Papst zu bedenken. Abschliessend lud er seine Zuhörer ein, die Geschichte des Nabot noch einmal zu lesen und dabei an „die vielen Menschen, die vielen Länder zu denken, die von Diktaturen ruiniert wurden, die einen Weg gefunden haben, wie man andere beseitigt, ohne sich dabei die Hände schmutzig machen zu müssen: den Rufmord.“

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