Stichwort „Panama Papers“
D: Katholische Soziallehre sieht Briefkastenfirmen skeptisch
Stichwort „Panama Papers“: Die katholische Soziallehre verurteilt Briefkastenfirmen nicht ausdrücklich, spricht aber deutlich von Steuergerechtigkeit. Mit diesen Worten kommentiert der Sozialethiker Peter Schallenberg, Leiter der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle Mönchengladbach (KSZ), die Aufdeckung mutmasslicher Steuer- und Geldwäschedelikte im Weltmassstab. Briefkastenfirmen können „zunächst auch einen aussermoralischen oder moralischen Zweck verfolgen“, sagte Schallenberg im Gespräch mit Radio Vatikan. „Das heisst, die Briefkastenfirma an sich ist noch nicht unmoralisch, es sei denn, sie würde zur Steuerhinterziehung benutzt werden, das hängt auch von den staatlichen Gesetzen ab.“ Verständige man sich allerdings darauf, dass es ein gerechtes und transparentes Steuergesetz geben soll, „dann hiesse das auch, dass wir Briefkastenfirmen stärker reglementieren beziehungsweise stärker transparent machen, was für Unternehmen es sind, die eine solche Briefkastenfirma oder anonymes Unternehmen gründen.“
Tatsächlich ist das Einrichten einer Briefkastenfirma nicht grundsätzlich strafbar. Scheinunternehmen dieser Art dienen aber oft dazu, Schwarzgeld, Schmiergeld oder andere, auch legal erworbene Mittel vor den Behörden zu verstecken. Die „Panama Papers“ sprechen von mehr als 200.000 Briefkastenfirmen mit Inhabern bzw. Auftraggebern aus fast allen Staaten der Welt, selbstverständlich auch aus den Ländern deutscher Sprache.
Kirchenkreise in Deutschland fordern schon länger die Abschaffung von Briefkastenfirmen, die allein dem Steuerbetrug dienen, erinnert Schallenberg. Im Februar 2014 veröffentlichten die katholische und die evangelische Kirche ein gemeinsames ökumenisches Sozialwort, das im Kapitel zum Thema Staatsfinanzen „beachtenswerte Vorschläge“ zu dem Anliegen mache, Steuerbetrug und Hinterziehung in Zukunft effektiver zu verhindern, so der Sozialethiker. „Vorgeschlagen werden etwa ein automatischer Informationsaustausch steuerrelevanter Daten, die Bekämpfung von Verdunklungsoasen und eine gemeinsame konsolidierte Unternehmensbesteuerung. Und wenn da das Stichwort Verdunklungsoasen fällt, ist daran gedacht, dass Briefkastenfirmen, die explizit oder leicht das Ziel haben, Steuerhinterziehung zu fördern, auf gesetzlichem Weg einzuschränken bzw. abzuschaffen sind.“
Aus Argentinien, dem krisengeschüttelten Heimatland von Papst Franziskus, sind mehrere prominente Auftraggeber von Briefkastenfirmen in den „Panama Papers“ benannt, darunter der Fussballer Lionel Messi und der neue Staatspräsident Mauricio Macri, den der Papst seit langem kennt und jüngst mit auffallend eisiger Miene zur Privataudienz im Vatikan empfing.
Papst Franziskus hat sich wiederholt über den rechten Umgang mit Geld, über Finanzwirtschaft, Konsum und Unternehmensführung geäussert, in Lehrschreiben wie in Ansprachen vor Politikern, Diplomaten und auf Reisen. Besonders eingeprägt hat sich sein in „Evangelii Gaudium“ formulierter Satz „Diese Wirtschaft tötet“.
Die Grundfrage im Spannungsfeld zwischen Wirtschaft, Moral und Gesetz lautet heute aus Sicht des Sozialethikers so: „Ist der Kapitalismus bereit, sich einem Regelwerk zu unterziehen?“ In demokratischen Rechtsstaaten erstellten die Parlamente die Gesetze, Verwaltung und Rechtsprechung sorgen dann für ihre Einhaltung. Freilich: „Das ist national oder europäisch viel leichter als international“, gibt Schallenberg zu bedenken. „Insofern hat Papst Franziskus mit dem berühmten Satz ,diese Wirtschaft tötet´ doch unsere Aufmerksamkeit gegenüber blinden Flecken und Ausfällen im System des Kapitalismus nochmals geschärft. Wenn wir sagen, wir haben ein System der sozialen Marktwirtschaft, wollen wir gerade zum Ausdruck bringen, wir haben nicht einfach ein System des Kapitalismus, sondern wir haben ein kapitalistisches System weiterentwickelt, zivilisiert, humanisiert, und das ist eine Aufgabe, die ständig dran ist und jeden Tag von neuem in den Blick genommen werden muss.“
rv 05.04.2016 gs
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