Hirtenwort zur österlichen Busszeit 2016

“Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen und ihm sagen: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt. Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein, mach mich zu einem deiner  Tagelöhner.” (Lk 15,18f)  

Quelle

13.02.2016

Als sich der zu diesem Zeitpunkt noch verlorene Sohn diese Worte zurechtlegte, ist er noch weit weg von zu Hause. Dann aber, als er zu Hause angekommen ist, lässt ihn der Vater gar nicht ausreden. Der Vorschlag des Sohnes, ihn zum Tagelöhner zu machen, kommt gar nicht mehr zur Sprache. Noch in der Ferne hat er sich das Bekenntnis überlegt, hat sorgfältig zusammengestellt und auswendig gelernt, was er dem Vater sagen wollte. Dabei hat er noch nicht einmal alle Einzelheiten seiner Vergehen aufgezählt. Dann erst brach er auf.

Liebe Schwestern und Brüder,

als Kinder haben wir gelernt, welche fünf Stücke zum Empfang des Busssakramentes gehören: Gewissenserforschung – Reue – Vorsatz – Sündenbekenntnis – und, so hiess es damals, Genugtuung. Oder wie immer sie sonst noch genannt worden sind. Im Aufbruch und Entschluss des verlorenen Sohnes waren sie allesamt schon anfanghaft enthalten.

Es ist ja kein Geheimnis, dass nicht nur der Besuch des Sonntagsgottesdienstes, sondern auch der Empfang des Busssakramentes bei den Gläubigen stark zurückgegangen ist. Darum möchte ich Sie heute ganz herzlich zum Empfang des Busssakramentes einladen, ganz unabhängig davon, ob Sie sich einer schweren Schuld bewusst sind oder nicht. Wir bitten doch einander auch oft nur beim Anschein einer kleinen Unhöflichkeit um Verzeihung und nicht erst, wenn wir einander grob beleidigt haben. Wenn aber schon die Annahme einer Einladung ein Werk der Nächstenliebe ist, dann ist es doch erst recht der Aufbruch und die Entschlossenheit, das Busssakrament zu empfangen. Denn schon damit entlasten wir alle, die ebenso wie wir Vergebung ihrer Sünden nötig haben, vom blossen Vorwurf ihrer Schuld in einem Akt geschwisterlicher Solidarität.

Wir folgen damit dem Beispiel Jesu, der ohne Sünde war und sich bei der Umkehrtaufe des Johannes freiwillig in die Reihe der Sünder gestellt hat. Schon wenn wir also aufbrechen, lassen wir uns vom Geiste Jesu, dem Geiste Gottes, des barmherzigen Vaters leiten. Das ist für sich allein schon ein Glaubenszeugnis besonderer Art und beinhaltet den Willen zur Umkehr und zum neuen Anfang. Persönlich bin ich davon überzeugt, dass es schon ein grosser Gewinn für unser menschliches Zusammenleben wäre und vieles besser laufen würde, wenn der eine oder andere von uns immer wieder einmal den Mut aufbrächte, vor anderen von sich zu sagen: “Das lag an mir. Da habe ich etwas falsch gemacht.“ Schon die Einsicht und das Bekenntnis eines Versagens können neue Wege öffnen.

Im Busssakrament geht es ja nicht darum, sich selber schlecht zu machen. Unser Sündenbekenntnis soll vielmehr ein Erweis lebendigen Vertrauens als eine blosse Selbstanklage sein. Fragen wir nicht schon manchmal, wenn wir ganz unerwartet etwas geschenkt bekommen, zurück: Wie kann ich das denn wieder gutmachen? Wie kann ich mich denn da revanchieren? Mit dem Bekenntnis unserer Schuld können wir uns mit unserer ganzen Person ehrlich und tatkräftig einbringen wie kaum anderswo. Der Einwand, dass wir doch dabei ohnehin immer nur dasselbe zu bekennen hätten, spricht eigentlich nur für unsere seelische Gesundheit. Daran müssten wir ernsthaft zweifeln, wenn einer in seinem Versagen immerfort von einem Extrem ins andere fallen würde. Dagegen wäre der psychischen Gesundheit mancher von uns vermutlich sehr geholfen, wenn sie unter bestimmte Abschnitte ihres Tuns und Lassens immer wieder einmal einen Schlussstrich ziehen könnten.

Jeder von uns hat doch seine charakterlichen Schwächen und Besonderheiten. Es entspricht aber nun einmal der Strategie des Bösen, uns vorrangig dort anzugreifen und zu versuchen, wo wir am leichtesten herumzukriegen sind. Auch dabei greift die Dynamik vom steten Tropfen. Niemand von uns wird doch von heute auf morgen gut oder böse, besser oder schlechter werden können wir aber doch. Von Tag zu Tag mag das kaum spürbar zu bemessen sein, aber nach einem langen Zeitraum, vielleicht sogar von Jahren, könnte das Ergebnis geradezu verheerend und nur sehr schwer zu korrigieren sein. Mit einem regelmässigen Empfang des Sakramentes der Busse, der ja auch im Rahmen eines Beichtgespräches erfolgen kann, werden wir immer aufmerksamer auf unsere Schwächen und hellhöriger für die Stimme des Gewissens. Darüber hinaus können wir uns noch vom Beichtvater helfen und beraten lassen. Über die Rede von einem reinen Herzen sollten wir uns nicht leichtfertig überheben. Ich erinnere mich an eine Frau aus der Gemeinde, die mich um den unscheinbaren Ritus der Händewaschung nach der Gabenbereitung in der hl. Messe regelrecht beneidete, wenn dabei gebetet wird: “Herr, wasche ab meine Schuld und von meinen Sünden mache mich rein.” Das persönliche Bekenntnis und die darauffolgende Lossprechung sind nun wahrlich Handlungen, die uns ihre befreiende Wirkung sinnenfällig erfahren lassen.

Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, wenn wir immer wieder einmal von Personen hören, die der Meinung sind, sich in der Öffentlichkeit selbst entschuldigen zu können. Das mag noch so gut gemeint sein, aber in Wirklichkeit kann sich niemand von uns selbst entschuldigen. Das mögen wir dem Freiherrn von Münchhausen abnehmen, der sich am eigenen Schopf samt seinem Pferd aus dem Sumpf gezogen haben will. Niemand kann sich selbst entschuldigen, auch wenn die deutsche Sprache das zunächst nahezulegen scheint. Um Entschuldigung können wir immer nur bitten. Niemand kann sich das befreiende Wort selber sagen. Vergebung kann uns nur geschenkt werden. Gott selbst verzeiht uns im Busssakrament unsere Schuld, wenn wir ihn reumütig und bereit zur Umkehr darum bitten. Darum lastet auch auf dem Priester, der dafür seine Person zur Verfügung stellt und dazu beauftragt ist, die schwere Verpflichtung, das Beichtgeheimnis absolut zu wahren. Auf keinerlei Weise und unter keinen Umständen darf durch ihn auch nur der unscheinbarste Inhalt eines Sündenbekenntnisses ruchbar werden.

Erst vor nicht allzu vielen Wochen, am dritten Sonntag im Advent, haben wir zu Beginn des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit an unserem Dom die Pforte der Barmherzigkeit geöffnet. Ob wenigstens die, die zur Kirche gehören, dieses Angebot der Nähe des Herrn in der hl. Messe und in den Sakramenten, vor allem auch im Sakrament der Busse verstärkt wahrnehmen werden? Ob sie die Chance ergreifen, im Sakrament der Busse das befreiende, heilende Wort zu hören, das sich niemand von uns selber sagen kann?

Dabei ist es doch gar nicht schwer, das Sakrament der Busse zu empfangen. Ganz bewusst habe ich lieber vom Busssakrament statt von der Beichte gesprochen, bei der es von der Wortbedeutung her ja vor allem um das Sündenbekenntnis geht. Das Busssakrament ist aber ein Zeichen der Liebe Gottes und bedeutet noch viel mehr als nur die Tilgung unserer Schuld. Im Sakrament empfangen wir darüber hinaus Zuspruch und Ermutigung und die Kraft und den Beistand des lebendigen Gottes zu einem neuen Anfang. Es bedarf auch keiner grossen Worte, und das Bekenntnis könnte ganz am Anfang auch so lauten: “Meine letzte Beichte war zur Firmung … Ich kann die ganze Zeit gar nicht mehr überblicken. Aber ich möchte einen neuen Anfang machen, möchte von Gott Vergebung empfangen und mehr nach seinen Geboten leben. Bitte helfen Sie mir …”

Das Busssakrament ist einer der ungezählten Schätze, die die Kirche für uns unentwegt bereithält. Wir müssen es allerdings empfangen wollen. Im Unterschied zu dem zuvor verlorenen Sohn wird uns angeboten, uns dazu in Freiheit und Liebe zu entschliessen, anstatt uns dazu erst von der Not bewegen zu lassen. Aber wann sind wir das eigentlich nicht – in Not … –, so dass wir des göttlichen Erbarmens etwa nicht bedürfen?

Ihnen allen, liebe Schwestern und Brüder, wünsche ich eine gesegnete österliche Busszeit und einen fruchtbaren Empfang des Sakramentes der Umkehr und der Busse.

Dazu segne Sie der barmherzige Gott

+der Vater und +der Sohn und der +Heilige Geist. Amen

Augsburg, am Fest der Darstellung des Herrn 2016

+Konrad Zdarsa

Bischof von Augsburg

Dieses Hirtenwort ist am 1. Fastensonntag, 14. Februar 2016, in allen Gottesdiensten einschliesslich der Vorabendmessen zu verlesen.

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