Synode: “Ein Moment der Auseinandersetzung”
Jesuitenpater Antonio Spadaro
Quelle
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Letzte Woche der Synode: Wir wollten mal von einem schlauen Jesuiten wissen, wie er den Gang der Beratungen sieht. Und weil wir den Papst selbst nicht direkt fragen konnten, haben wir uns an Pater Antonio Spadaro gewandt; der Direktor der Zeitschrift “Civiltà Cattolica” ist ein Vertrauter von Franziskus und hat mit ihm auch – im September 2013 – das erste programmatische Interview geführt.
“Mein Eindruck ist der eines lebendigen Organismus”, sagt uns Spadaro: “Gleich wenn man in die Synodenaula hineinkommt, sieht man die ganze Welt um sich. Hirten aus allen Teilen des Planeten, die die Herausforderungen und auch den Zungenschlag ihrer Leute mitbringen. Das ist es, was manchmal zu Konflikten führt – heisse Fragen werden in verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich angegangen.
Das ist also ein Moment der wahrhaftigen, reellen Auseinandersetzung, und da taucht das Problem der Sprache auf. Wie lässt sich den Herausforderungen, die sich an verschiedenen Orten dieser Welt auftun, im Geist des Evangeliums begegnen?”
Nun wäre Spadaro kein Jesuit, wenn er nicht gleich den ignatianischen Begriff ‘Unterscheidung der Geister’ verwenden würde. Hier stossen wir auf das entscheidende Element, das wohl auch Papst Franziskus, den ersten Jesuiten im römischen Bischofsamt, in das Wesen der Synode einträgt. “Wir leben einen Prozess der Unterscheidung, so wie der Papst das gewünscht hat. Die Freude des Beisammenseins und Redens, des Diskutierens – mit allen typischen Spannungen, ja Versuchungen, die ein echter Unterscheidungs-Prozess mit sich bringt. Also, das ist ein sehr delikater Augenblick, bei dem man begreift: Hier steht die Beziehung zwischen Kirche und Welt auf dem Spiel. Das ist wirklich der Einsatz hier in dieser Synode: Sehen, wie die Kirche ihre Beziehung zur Realität von Heute leben sollte. Eine grossartige Erfahrung also.”
“Barmherzigkeit und Wahrheit sind kein Gegensatz”
Wie sollte nun aber die Kirche ihre Beziehung zur Welt leben, Pater Spadaro? Sollte sie sich auf die Welt einlassen, oder sollte sie ‘Licht der Welt’ sein?
“Man kann die Wirklichkeit nicht erleuchten, wenn man sie nicht zuvor wahrgenommen hat! Das Evangelium ist keine abstrakte Lehre, die von oben auf die Menschen herunterfällt wie ein Stein. Es muss sich inkarnieren in gelebtem Leben, in Erfahrungen, darunter manchmal auch konfliktreichen. Diese Dimension der Beziehung zur Realität, der Anreicherung mit echter Erfahrung, ist also grundlegend. Das Evangelium muss das Leben, da wo es konkret ist, erleuchten.”
Der italienische Jesuit kann sich nicht vorstellen, dass diese Synode so etwas wie der letzte Akt des 2013 gestarteten synodalen Prozesses sein wird. “Das geht ja dann ins Heilige Jahr der Barmherzigkeit über”, sagt er, “und damit wird es auch nicht enden.“ Man müsse verstehen, “dass wir einen kirchlichen Prozess von grossen Dimensionen erleben“ – daher auch “die Momente der Ermüdung, die Blockaden, Schwierigkeiten, Spannungen“.
Frage an Pater Spadaro: Wie kann man denn heute im Stil von Franziskus derart die göttliche Barmherzigkeit betonen, wenn der Sinn für die Sünde im Gottesvolk einigermassen verlorengegangen ist?
“Die Verkündigung des Evangeliums – also, dass der Herr für uns, für mich gestorben ist, ist keine Verkündigung der Sünde. Sie ist eine Verkündigung der Barmherzigkeit. Im Licht der Barmherzigkeit von Gottes Vergebung wird mir auch meine Sünde klar. Wenn der barmherzige Gott hingegen aus dem Blickfeld gerät, dann wird aus dem Sinn für die Sünde nur ein – oft unnützes – Schuldgefühl.” Barmherzigkeit und Wahrheit, die im Denken der Synodenväter hin und wieder als Gegensätze erscheinen, sind für Spadaro komplementär – mehr noch: “Die Barmherzigkeit ist die Wahrheit des Evangeliums. Darum hat ein Entgegensetzen von Lehre und Pastoral, von Barmherzigkeit und Wahrheit gar keinen Sinn. Die Lehre des Evangeliums, die Lehre des Herrn ist die Lehre der Barmherzigkeit. Von dort leitet sich dann alles ab.”
rv 19.10.2015 sk
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