Angst vor Vatileaks II

Es knirscht im Presseamt des Heiligen Stuhls: Kardinal Pell und seine Finanzreform

Von Guido Horst

Rom, Die Tagespost, 02.März 2015

Schon bald wird das von Kardinal George Pell geleitete Wirtschaftssekretariat des Vatikans eine Haushaltsbilanz für das Jahr 2014 und einen Finanzplan für das laufende Jahr 2015 veröffentlichen. Und beide Aufstellungen sollen alle Einheiten des Vatikans umfassen, das Wirtschaftssekretariat selbst eingeschlossen. Das hat Vatikansprecher Federico Lombardi SJ Ende vergangener Woche gegenüber Radio Vatikan angekündigt.

Lombardi reagierte damit auf einen Artikel, den das italienische Magazin “L’Espresso“ kurz zuvor veröffentlicht hatte und der über Widerstände innerhalb der Römischen Kurie gegen die von Pell vorangetriebene Finanzreform berichtete. Der Beitrag zitierte auch aus vertraulichen Schreiben aus den Reihen des Vatikans, in denen das Projekt des australischen Kurienkardinals als “Sowjetisierung“ der Vatikanfinanzen bezeichnet wurde. Vatikansprecher Lombardi meinte dazu gegenüber Radio Vatikan: “Die Weitergabe vertraulicher Dokumente an die Presse, um Polemik oder Streit zu schüren, ist nichts Neues, aber sie muss entschieden verurteilt werden, und sie ist illegal!“ “L’Espresso“ hatte seinen Bericht so aufgemacht, als würde jetzt der Fall Vatileaks “wieder explodieren“. Allerdings stammen die vertraulichen Papiere nicht vom Schreibtisch des Papstes, sondern wurden dem Magazin offensichtlich gezielt aus der Kurie zugespielt.

“Bisher nie über die Spesen des neuen Wirtschaftsdikasteriums gesprochen”

Es sei etwas ganz “Normales“, dass “komplexe wirtschaftliche oder juristische Argumente“ innerhalb des Vatikans ausgetauscht würden, hob Pater Lombardi hervor. Der Papst entscheide auf der Grundlage der internen Debatte, “und alle Verantwortlichen halten sich dann daran“. Scharf reagiert Lombardi darauf, dass “L’Espresso“ Kardinal Pell in ein schlechtes Licht rückt. Solche “persönlichen Angriffe“ seien “unwürdig und gemein“. In dem Artikel war davon die Rede, Pell lebe auf grossem Fuss und habe damit auch den Unmut des Papstes auf sich gezogen. Lombardi wies diese persönlichen Attacken zurück. “Und es stimmt nicht“, meinte der Vatikansprecher weiter, “dass das Wirtschaftssekretariat seine Aufgabe nicht mit Kontinuität und Effizienz erfüllt. Das zeigt sich daran, dass das Sekretariat in den nächsten Monaten die Haushalts-Schlussbilanzen von 2014 und die Bilanz-Vorschau 2015 aller Einheiten des Heiligen Stuhls, das Sekretariat eingeschlossen, veröffentlichen wird.”

Auch Kardinal Pell verteidigte sich gegen die Vorwürfe. Der Papst und der Leiter des Wirtschaftssekretariats hätten bisher nie über die Spesen des neuen vatikanischen Wirtschaftsdikasteriums gesprochen, teilte das von Pell geführte Sekretariat am Samstag in einer Note mit. Die in dem Magazin-Beitrag genannten Behauptungen seien “komplett falsch“ und alle dort genannten angeblichen Diskussionen oder Äusserungen seien “frei erfunden“, so das Wirtschaftssekretariat. Weiter präzisiert das Sekretariat, dass Kardinal Pell “keinen grossen Kardinalshut“ habe, um zu sagen, dass er nicht “auf grossem Fuss” lebe.

Kardinal Pell muss sich bei seiner Finanzreform mit mehreren vatikanischen “Institutionen“ einigen. Da ist zunächst das Staatssekretariat, geleitet von Kardinal Pietro Parolin, das bisher viele der Gelder verwaltete, die das Wirtschaftssekretariat nun in die offiziellen Bilanzen des Vatikans einfügen will. Es handelt sich um Beträge von über einer Milliarde Dollar, die Pell zufolge bisher nicht in den Büchern auftauchten, von denen die Päpste aber gewusst hätten. Der Wirtschaftssekretär Pell und Kardinalstaatssekretär Parolin stehen sich in der Vatikanhierarchie auf gleicher Höhe gegenüber und sind nur dem Papst verantwortlich. Sodann muss sich Pell mit Kardinal Reinhard Marx auseinandersetzen, der den sogenannten Wirtschaftsrat koordiniert, ein aus acht Kardinälen und sieben Laien-Experten bestehendes Gremium, das kein eigenes vatikanisches Dikasterium darstellt, sondern dem Wirtschaftssekretariat als eine Art Aufsichtsrat zugeordnet ist. Beide, Sekretariat und Rat, haben noch keine vom Papst abgesegnete und erlassene Statuten.

Des Weiteren muss sich Pell mit den Kardinälen und Kurienbischöfen ins Benehmen setzen, die für den Pensionsfonds des Vatikans zuständig sind. Hier hatte es Gerüchte gegeben, dass der Fonds für die Renten im Vatikan nicht ausreichend gedeckt ist. Pell hatte in einem Interview zu verstehen gegeben, dass dank der hohen Geldbeträge, auf die man im Staatssekretariat gestossen sei und die bisher nicht in den Büchern standen, der Pensionsfonds sicherer sei als bisher angenommen. Der härteste Brocken dürfte für Pell die Führungsriege der einst mächtigen Immobilien- und Vermögensverwaltung des Heiligen Stuhls, die APSA, sein. Pell will die APSA zerschlagen, dem eigenen Wirtschaftssekretariat die Verwaltung der Immobilien des Vatikans zuführen und den übrig bleibenden Teil der Behörde in eine Art “Schatzkammer“ verwandeln. Eine Rolle bei der Finanzreform spielt auch der von Kardinal Francesco Coccopalmerio geleitete Päpstliche Rat für die Interpretation der Gesetzestexte. Er muss die Statuten des Wirtschaftssekretariats und Wirtschaftsrates prüfen, scheint aber Vorschläge gemacht zu haben, die das Gewicht des Dikasteriums von Kardinal Pell wiederum schwächen. Mit einem weinenden Auge dürften auch vatikanische Kongregationen die Finanzreform des australischen Kardinals verfolgen, die bisher mit einem grossen und selbst verwalteten Fundus an Geldmitteln und Immobilienbesitz ausgestattet waren, so etwas die Missionskongregation “Propaganda Fide”.

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