Millionen Menschen sind versklavt

Gemeinsame Erklärung: Papst Franziskus ruft Religionen und christliche Konfessionen im Vatikan zusammen, um ein Ende des Menschenhandels bis 2020 zu fordern

Historische Erklärung zum Kampf gegen Menschenhandel

Rom, Die Tagespost, 03. Dezember 2014

Von Guido Horst

Papst Franziskus hat führende Vertreter der Weltreligionen und der christlichen Konfessionen zusammengerufen, um mit ihnen am vergangenen Dienstag, dem “Welttag zur Abschaffung der Sklaverei”, eine gemeinsame Erklärung zu unterschreiben, die sich für die Abschaffung der modernen Formen des Menschenhandels bis zum Jahr 2020 ausspricht. Der Ehrenprimas der anglikanischen Kirche, Erzbischof Justin Welby, der bei der Unterzeichnung mitwirkte, gehört ebenso wie Papst Franziskus und die islamischen Al-Azhar-Universität in Kairo, die durch einen hohen Beamten vertreten war, zu den Initiatoren der kurzen Erklärung.

Sie wendet sich gegen jeden Verstoss gegen die Grundüberzeugung, “dass alle Menschen gleichwertig sind und die gleiche Freiheit und Würde haben”. Moderne Sklaverei sei ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Dies müsse von allen Nationen anerkannt werden. Zudem wird bekräftigt, dass die Mitglieder aller Glaubensgemeinschaften und alle Menschen guten Willens in aller Welt zu spirituellen und praktischen Aktionen aufgerufen sind, um der modernen Sklaverei ein Ende zu setzen. Der Internationalen Arbeitsorganisation ILO zufolge leben 21 Millionen Menschen unter Missachtung ihrer Grundrechte in Sklaverei, andere humanitäre Nicht-Regierungsorganisationen schätzen die Zahl auf 35 Millionen.

Die Vertreter der verschiedenen Religionen und christlichen Konfessionen waren mitten in den vatikanischen Gärten in der Villa “Casina Pio IV” zusammengekommen, die der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften als Sitz dient. Sie boten ein buntes Bild. Der Ökumenische Patriarch Bartholomäus I. war aus Istanbul über eine Videoverbindung zugeschaltet, persönlich vertrat ihn der orthodoxe Metropolit Emmanuel von Frankreich. Insgesamt vier Vertreter der muslimischen Welt gehörten zu den Unterzeichnern wie auch die Oberrabbiner David Rosen und Abraham Skorka für die jüdische Glaubensgemeinschaft und Delegierte des Buddhismus und des Hinduismus. Zu letzteren zwei gehörte eine Dame, die selber einmal in die Sklaverei verkauft worden war und darüber auch vor dem Plenum berichtete.

Hinter der gemeinsamen Erklärung steht das globale Netzwerk “Global Freedom Network”, das im März dieses Jahres von der islamischen Al-Azhar-Universität und dem Vatikan in Zusammenarbeit mit dem anglikanischen Primas gegründet worden war. Das Netzwerk arbeitet mit Religionen und Nicht-Regierungsorganisationen zusammen und konzentriert sich auf sechs Handlungsfelder, die helfen sollen, die Vision von der Abschaffung aller heutigen Formen von Sklaverei bis 2020 umzusetzen:

Mobilisierung von Glaubensgemeinschaften,
Lieferkettennachweise mit Blick auf einen ethischen Einkauf,
bessere Versorgung von Opfern und Überlebenden,
Bemühungen um Gesetzesreformen und deren Umsetzung,
Bildungs- und Aufklärungsarbeit
sowie die Sicherstellung ausreichender finanzieller Mittel.

In seiner Ansprache in der “Casina Pio IV” hob Papst Franziskus hervor, dass der Menschenhandel kein Phänomen der Vergangenheit sei: “Trotz der grossen Mühen von vielen ist die moderne Sklaverei nach wie vor eine allgegenwärtige Plage, die sich ständig verbreitet – und das weltweit. Auch im Tourismus. Es sind Verbrechen gegen die Grundmenschlichkeit, die sich durch scheinbar akzeptierte Gewohnheiten tarnen. In Wirklichkeit finden wir die Opfer in der Prostitution, im Menschenhandel, in der Zwangsarbeit, bei Verstümmelung, Versklavung, Organhandel, Drogenkonsum und Kinderarbeit. Moderne Sklaverei versteckt sich hinter verschlossenen Türen, an aussergewöhnlichen Orten, auf den Strassen, in den Autos, in den Fabriken, am Land oder in Fischerbooten und an anderen Orten.”

Ausnahmslos jeder könne etwas gegen Menschenhandel und Sklaverei unternehmen: Es gehe darum, Hilfe aktiv anzubieten – “und das jedem, den man auf seinem Weg trifft – ob es sich um einen verlassenen alten Menschen handelt, einen unrechtmässig misshandelten Arbeiter, um einen Flüchtling, der in der Unterwelt gefangen ist, um Jugendliche, Opfer des Sexhandels, Männer oder Frauen, die von Menschen ohne Furcht vor Gott zur Prostitution gezwungen werden, oder ein vom Organhandel verstümmeltes Kind – sie alle sollen unser Bewusstsein wachrütteln und der Stimme Gottes ein Echo verleihen.”

Wie Radio Vatikan in einer Meldung erläuterte, gibt es Sklaverei bis heute, etwa als Zwangsarbeit von Erwachsenen und Kindern im Bergbau, in der Landwirtschaft oder im Haushalt. Sie ist oft mit sexueller Ausbeutung verbunden. Dem sogenannten “Global Slavery Index” zufolge gebe es die meisten Sklaven nach absoluten Zahlen in Indien und China. Mauretanien, Usbekistan, Haiti und Katar seien die Länder, in den Sklaverei am weitesten verbreitet ist.

Die Vereinten Nationen machten 2002 den 2. Dezember zum Tag für die Abschaffung der Sklaverei.
Am kommenden 8. Februar wird im Vatikan ein “Tag gegen den Menschenhandel” stattfinden.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kategorien

Die drei Säulen der röm. kath. Kirche

monstranz maria papst-franziskus

Archiv

Empfehlung

Ausgewählte Artikel