Würde und Gewalten

“Die Meinungsfreiheit ist konstitutiv für die Demokratie”

Die Würde des Menschen ist unantastbar Frank Schirrmacher

Die Tagespost, 13. Juni 2014, von Jürgen Liminski

Es ist ein Freispruch erster Klasse, aber darum ging es schon lange nicht mehr. Das juristische Spiegelfechten um Bobbycars und grosszügige Geschäftsfreunde hatte schon vorher den Flair einer Posse erreicht und die Rücknahme des Revisionsantrags der Staatsanwaltschaft Hannover ist eigentlich nur noch chronistenmässig zu vermerken. Aber sie setzt keinen Punkt, sondern einen Gedankenstrich. Die Affäre Wulff bedarf einer weiteren Aufklärung. Wie nah dürfen sich Politik und Medien sein? Wo fängt die Teilung der Gewalten an, wo hört sie auf? Welche Rolle spielt die Vierte Gewalt in unserem Staatsgefüge?

Seit der Spiegel-Affäre haben wir es amtlich von der dritten Gewalt, qua Spruch des Verfassungsgerichts: Die Meinungsfreiheit ist konstitutiv für die Demokratie. Und dasselbe Gericht hat diese Woche auch über das höchste Amt im Staat und seine Würde befunden. Der Spielraum der Wortgewalt des Bundespräsidenten ist gross, auch und gerade wenn er öffentlich spricht. Seine Würde aber gebietet ihm auch, die anderen Gewalten nicht einschränken zu wollen. Es ist das offene Zusammenspiel von Rede und Gegenrede, die unsere Debattenkultur ausmacht. Der Versuch, die Medien nach seinem Gusto zu lenken, offenbart ein zwielichtiges Verhältnis zur freiheitlichen Debattenkultur. Womit Wulff die Handy-Box des Bild-Chefs füllte, das war Stoff eines billigen Groschenromans, unwürdig eines Bundespräsidenten.

Andererseits ist auch klar, dass jene Medien, um die ein Beutegeruch wabert, sich um Würde und Anstand nicht kümmern, wenn es um eine gute Schlagzeile geht. Und wenn es darauf ankommt, dann wird eben eine Hatz veranstaltet, bis die Beute erlegt, die Zeile gedruckt, die Auflage gesteigert ist. Das gilt nicht nur für “Bild”. Die vor allem in Talkshows und auf dem Boulevard ausgelebte Debattenkultur ist empörungsreich und inhaltsarm. Sie puscht Emotionen statt Argumente. Die Affäre Wulff ist dafür ein Paradebeispiel. Es ist eine traurige Ironie der Geschichte, dass diese Affäre an einem Tag einen Schlusspunkt gesetzt bekommt, da Deutschland um einen Publizisten trauert, der dieser Debattenkultur Contra gab. Frank Schirrmacher hat sich um die Freiheit des Denkens verdient gemacht. Das kann man von der Affäre Wulff nicht sagen.

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