Franziskus würdigt heilige Päpste

Vier Päpste – eine Kirche

Papst Johannes XXIII.Johannes Paul II. hatte “Kraft eines Giganten”
– Meisner: “Patron von Ehe und Familie”
– Kritik aus Deutschland

Vatikanstadt, DT/aho/sb/reh/KNA, 25. April 2014

Papst Franziskus hat die beiden künftigen Heiligen Johannes Paul II. (1978–2005) und Johannes XXIII. (1958–1963) als herausragende Christen gewürdigt. Johannes Paul II. habe Gesellschaft, Kultur und politische Systeme mit “der Kraft eines Giganten umgepolt und für Christus geöffnet”, sagte Franziskus in einer Videobotschaft, die am Donnerstagabend im polnischen Fernsehen ausgestrahlt wurde und dessen Manuskript am Freitag vom Vatikan veröffentlicht wurde.

Mit seinem Glaubenszeugnis, seinem Mut und seiner Menschlichkeit habe er Christen in aller Welt geholfen, sich ohne Angst zu ihrer religiösen Überzeugung zu bekennen, so Franziskus unter Berufung auf ein Zitat von Benedikt XVI. In einer Videobotschaft an die Katholiken der norditalienischen Provinz Bergamo, der Heimat von Johannes XXIII., würdigte er den Konzilspapst als Impulsgeber für die Kirche. Mit der Einberufung des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962–1965), das eine Erneuerung der Kirche gewollt habe, habe Johannes XXIII. den Weg dafür geebnet, dass die christliche Botschaft in die Welt getragen werde. Auch wenn sich die Herausforderungen für die Kirche in den vergangenen 50 Jahren verändert hätten, könne Johannes XXIII. für sie auch heute ein Inspirator sein, heisst es in dem ebenfalls am Freitag veröffentlichten Redemanuskript. Als “besondere Freude” bezeichnete Franziskus, dass dieser Papst mit Johannes Paul II. gemeinsam heiliggesprochen werde. Letzterer habe die vom Konzil angestossene Erneuerung weitergeführt.

Der emeritierte Kölner Erzbischof, Kardinal Joachim Meisner schlug vor, Papst Johannes Paul II. solle im Anschluss an seine Heiligsprechung zum Patron von Ehe und Familie ernannt werden. “Das ist das Herzstück seiner Theologie und es gibt noch keinen Kirchenvater, keinen Heiligen und keinen Theologen, der Ehe und Familie so gründlich quantitativ und qualitativ durchdacht, durchbetet und definiert hat”, sagte Meisner am Freitag dem katholischen Fernsehsender EWTN. Faszinierend an Johannes Paul II. sei gewesen, dass er “selbstbewusst fröhlich” durch die Welt gegangen sei, so Meisner weiter. Das habe vor allem junge Menschen fasziniert: “Echtheit und Ehrlichkeit fasziniert immer junge Leute.”

Derweil wollen mindestens 24 Staatsoberhäupter aus aller Welt am Sonntag an der Doppelheiligsprechung der beiden Päpste teilnehmen. Bislang 35 weitere Länder hätten hochrangige Delegationen angekündigt, sagte Vatikansprecher Federico Lombardi. Offizielle Einladungen habe der Heilige Stuhl nicht ausgesprochen. “Wer teilnehmen möchte, ist willkommen“, so Lombardi. Insgesamt haben demnach 93 Delegationen von Regierungen und internationalen Organisationen ihr Kommen angekündigt. Ob auch der emeritierte Papst Benedikt XVI. teilnehme, sei noch offen. Auch zahlreiche Vertreter anderer Religionsgemeinschaften werden zu dem Ereignis erscheinen, wie Lombardi weiter mitteilte. Erwartet würden Orthodoxe, Anglikaner und Repräsentanten protestantischer Kirchen. Wegen deren kritischer Sicht auf Heiligsprechungen entsandten sie jedoch keine offiziellen Delegationen, hiess es. Prominent vertreten sind den Angaben zufolge auch das Judentum und die Muslime. Lombardi hob hervor, beide Päpste hätten besonders für die Beziehungen der Kirche zu den Juden Grosses geleistet. Eine Namensliste der Abgesandten beider Religionen gebe es aber nicht. 130 bis 150 Kardinäle, rund 1 000 Bischöfe und 6 000 Priester werden nach Angaben Lombardis die Zeremonie auf dem Petersplatz begleiten. Unter den Konzelebranten sind der Kardinalvikar für die Diözese Rom, Agostino Vallini, sowie die Bischöfe der Heimatdiözesen der neuen Heiligen: der frühere Privatsekretär von Johannes Paul II. und Krakauer Kardinal Stanislaw Dziwisz sowie der Bischof von Bergamo, Francesco Beschi.

Nach der eigentlichen Heiligsprechungsformel durch Papst Franziskus werden in Prozession Reliquien der beiden neuen Heiligen an den Altar getragen. Hautpartikel von Johannes XXIII. sollen von Nichten und Neffen des italienischen Papstes getragen werden. Eine Blutreliquie von Johannes Paul II. könnte Lombardi zufolge eventuell von Personen begleitet werden, die durch die dem Papst zugeschriebenen Wunder geheilt wurden. Am Schluss der Feier wird Franziskus die Staatsgäste vor der Petersbasilika begrüssen und bei einer Rundfahrt im Papamobil den Gläubigen auf dem Petersplatz begegnen.

Papstbiograf Weigel und Navarro-Valls in Rom

Als “weise“ bezeichnete der Biograf Papst Johannes Pauls II., George Weigel, im vatikanischen Pressesaal die Entscheidung von Papst Franziskus, die Päpste Johannes XXIII. und Johannes Paul II. gemeinsam heiligzusprechen. Der Papst aus Polen habe den Mut und die Weisheit besessen, dem Zweiten Vatikanischen Konzil eine autoritative Interpretation zu geben. “Das Leben Johannes Pauls II. umfasst die Dramen des 20. Jahrhunderts in einzigartiger Weise“, sagte Weigel am Freitagmittag in Rom. Doch er habe diese Dramen nicht nur erlebt, sondern verstanden und dem Weg der Geschichte eine Wendung in Richtung auf Freiheit und Menschlichkeit gegeben. “Johannes Paul II. war der grosse Lehrer unserer Zeit“, so Weigel, der als Beispiele die Verwirrung in Fragen der Sexualität, der Bewertung der Arbeit und des Leidens nannte. In all diesen Bereichen habe der Papst die göttliche Barmherzigkeit in Jesus Christus aufgezeigt. Angesprochen auf die Konflikte mit der Befreiungstheologie erklärte Weigel in Rom: “Johannes Paul II. wollte eine Kirche, die voll engagiert ist in der Befreiung der Menschen – aber als Kirche, nicht als politische Partei oder Ideologie.” Man dürfe in Johannes Paul II. auch den grossen Reformer des katholischen Priestertums sehen, das bei seinem Amtsantritt 1978 in der “grössten Krise seit dem 16. Jahrhundert” gewesen sei.

Der langjährige Vatikansprecher Joaquin Navarro-Valls sagte vor Medienvertretern in Rom, die Heiligkeit Johannes Pauls II. habe sich in seinem Beten, Arbeiten und Lächeln gezeigt. “Für ihn war das Gebet das tiefste Bedürfnis seiner Seele”, so Navarro-Valls, der seine These mit zahlreichen selbst erlebten Begebenheiten belegte.

Österreichs Vizekanzler Michael Spindelegger, der am Sonntag an den Heiligsprechungen in Rom teilnehmen wird, würdigte Johannes Paul II. als “aussergewöhnliche Persönlichkeit“, der wie kein anderer Papst vor ihm den Kontakt mit den Menschen gesucht, seine Stimme für die Unterdrückten erhoben und damit den Weg für den Sturz des Kommunismus bereitet habe. Johannes XXIII. habe mit der Einberufung des Konzils einen verstärkten Dialog der Kirche mit Gläubigen aus allen Religionen und auch mit Nichtgläubigen angestossen. In den Augen des Wiener Kardinals Christoph Schönborn war Johannes Paul II. ein “Fels” und “Mann Gottes”, der auch den Beinamen “der Grosse” verdient: Mit Blick auf das Leben und Wirken des Papstes, die Dimensionen seines Pontifikates und die von ihm beeinflussten welthistorischen Veränderungen sei dies nicht übertrieben, so Schönborn. Als Beispiele des Lebenswerks nannte der Wiener Kardinal “die Verteidigung der unermesslich hohen Würde jedes Menschen, die Besinnung auf die Barmherzigkeit Gottes, von der wir Christen Zeugnis geben müssen, sowie der zentrale Wert der Familie”. Der burgenländische Bischof Ägidius Zsifkovics wird die österreichische Bischofskonferenz bei der Heiligsprechung vertreten,

Unterdessen wurde in Deutschland an den Heiligsprechungen der beiden Päpste Kritik laut. “Wenn die Päpste anfangen, einander durch die Bank heiligzusprechen, dann ist das die nochmalige Steigerung einer Selbstsakralisierung der Institution Kirche und des Papstkults durch einen Kult um die Person der Päpste“, sagte der Freiburger Religionssoziologe Michael Ebertz dem “Kölner Stadt-Anzeiger“ (Freitag). Eine Institution, deren Spitzenpersonal so um sich selbst kreise, wirke leicht unglaubwürdig. Papst Franziskus sei “auf einen Zug aufgesprungen, der lange vor seinem Amtsantritt Fahrt aufgenommen hat und den er gar nicht mehr zum Halten bringen konnte“, so Ebertz weiter. Er bezweifele aber, dass Franziskus den bisherigen Kurs beibehalte. Religionssoziologisch, so Ebertz, erfülle die Praxis der Heiligsprechungen mehrere Zwecke. Insbesondere Johannes Paul II. habe die Heiligenverehrung “als etwas typisch Katholisches revitalisieren und damit die Glaubenspraxis weltweit mobilisieren“ wollen: “Sakralisierung statt Säkularisierung”, so Ebertz. Überdies funktionierten Heiligsprechungen als Bündnis der Kirchenleitung nicht mit den Intellektuellen, sondern mit den einfachen Gläubigen und trügen zur Stabilisierung des Papsttums bei.

Dagegen sagte Mike Schuster, Sprecher der “Initiative Pontifex“, der “Tagespost“: “Johannes XXIII. und Johannes Paul II. haben beide eine grosse Bedeutung für uns junge Menschen. Johannes XXIII. hat als ‘Konzilspapst‘ die Kirche sicher an die Schwelle des neuen Jahrtausends geführt. Aber insbesondere Johannes Paul II. ist – nach seiner Heiligsprechung erst recht – der Patron der Jugendlichen. Er hat die Jugendlichen ernst genommen und ihnen Mut gemacht. Nicht zuletzt hat er das Format der Weltjugendtage ins Leben gerufen. Mit seiner herzlichen Offenheit hat er ganze Generationen von Menschen auf ewig geprägt – so auch mich. Johannes Paul II. verdanke ich einen grossen Teil meiner geistlichen Prägung.” Er freue sich, so Schuster weiter, “auf ein Fest des Glaubens. Wir können heute, so glaube ich, kaum die historische Dimension dieses Ereignisses erfassen: der Papst spricht vielleicht unter Teilnahme des Papst emeritus und unzähligen Gläubigen aus allen Ländern zwei seiner bedeutendsten Vorgänger der neueren Zeit heilig.” Wichtig sei auch, “nicht aus religiöser Romantik an der Heiligsprechung teilzunehmen, sondern sich von der grossen Botschaft dieser Feier ins Herz treffen zu lassen: zur Heiligkeit sind alle Menschen berufen.”

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