Vor 75 Jahren wurde Pius XII. gewählt
“Der nächste Papst muss ein Heiliger sein oder ein Held”
Quelle
KathTube:
Pius XII. und die Juden – Mit Zeitzeugenberichten von italienisch-jüdischen Holocaustüberlebenden!
Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs war die oberste Maxime des zum Papst der Jahre 1939-1958 gewählten vormaligen Kardinal-Staatssekretärs die Überparteilichkeit – Porträt von Thomas Jansen.
Vatikanstadt, kath.net/ KA, 1. März 2014
“Der nächste Papst muss ein Heiliger sein oder ein Held.”
Das soll der damalige Kardinalstaatssekretär Eugenio Pacelli nach dem Tod von Pius XI. (1922-1939) ausgerufen haben. Ob die Überlieferung stimmt oder nicht, muss offen bleiben. Fest steht: Drei Wochen später, am 2. März 1939, vor 75 Jahren, wählten die 63 im Konklave versammelten Kardinäle Pacelli als Pius XII. (1939-1958) zum Nachfolger seines Landsmanns. Ein Heiliger kann er nach dem Urteil der katholischen Kirche auch offiziell noch werden – ein Verfahren zur Seligsprechung läuft seit längerem. Als Held ist er nicht in die Geschichtsbücher eingegangen; unter Historikern wird das Verhalten Pius XII. im Zweiten Weltkrieg bis heute kontrovers diskutiert.
So schnell war seit rund vierhundert Jahren kein Papst mehr gewählt worden: Pius XII. erhielt im dritten Wahlgang am ersten Tag des Konklaves die erforderliche Stimmenmehrheit. Nach Aussage des französischen Kardinals Alfred Baudrillart konnte er 48 von 63 Stimmen auf sich vereinen. Pacelli war zudem seit 1667 der erste Staatssekretär, der zum Papst gewählt wurde. Den Namen Pius wählte er, um die Verbundenheit mit seinem Vorgänger zu verdeutlichen. Von diesem unterschied ihn allerdings nicht nur seine feingliedrige Statur, sondern auch sein vorsichtig-abwägendes Naturell. Dies machte sich auch im Verhalten gegenüber dem nationalsozialistischen Deutschland bemerkbar, wenngleich beide Hitlers Kriegspolitik und Rassenwahn zutiefst ablehnten.
“Pius XI. musste man bremsen, Pius XII. drängen”
Pius XI. habe man bisweilen bremsen, Pius XII. drängen müssen, sagte ein Berater beider Päpste einmal mit Blick auf deren Agieren gegenüber Hitlers Deutschland. Schon die Wahl von Pius XII. stand im Schatten des heraufziehenden Weltkriegs: Zwei Wochen später, am 16. März, marschierte die Wehrmacht in der Tschechoslowakei ein. Im Sommer appellierte Pius XII. vergeblich an das Deutsche Reich und die Alliierten zum Frieden. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs war seine oberste Maxime dann die Überparteilichkeit. Hierbei dürfte nicht zuletzt das Scheitern der Friedensinitiative von Benedikt XV. im Jahr 1917 eine Rolle gespielt haben, an der Pacelli als Nuntius in München mitgewirkt hatte. Deshalb enthielt sich dieser Papst strikt eines öffentlichen und ausdrücklichen Protests gegen das nationalsozialistische Deutschland.
Ein solcher Protest sei nicht mit seinem Selbstverständnis als “Vater aller Katholiken” zu vereinbaren gewesen, schreibt der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf. Stattdessen habe er sich immer mehr in der Technik des “uneigentlichen Redens” geübt. Er habe nur allgemein und unkonkret vom Holocaust sowie den anderen während des Kriegs begangenen Verbrechen gesprochen, so Wolf. Täter und Opfer habe er nie ausdrücklich beim Namen genannt. Das brachte ihm bei Kritikern den Vorwurf ein, zum Holocaust geschwiegen oder zumindest nicht genug protestiert zu haben. Ein Vorwurf, der nicht zuerst vom deutschen Dramatiker Rolf Hochhuth in seinem Stück “Der Stellvertreter” Anfang der 1960er Jahre erhoben wurde, sondern erstmals von einem katholischen französischen Intellektuellen 1951.
Hilfe im Verborgenen für Tausende Juden
Unbestritten ist jedoch, dass Pius XII. durch seine Hilfe im Verborgenen Tausenden Juden das Leben gerettet hat. Seine Verteidiger führen an, dass seine öffentliche Zurückhaltung diese Hilfe überhaupt erst ermöglicht habe, dass offene Proteste die Lage der Juden nur noch verschlimmert hätten.
Familiär besser vorbereitet auf sein Amt hätte Eugenio Pacelli vermutlich kaum sein können. Er entstammte einer römischen Juristenfamilie, die seit zwei Generationen eng mit dem Papsttum verbunden war. Sein Grossvater war Stellvertreter des päpstlichen Innenministers und sein Vater Anwalt am päpstlichen Ehegericht, der sogenannten Römischen Rota. Gefördert durch einen mit seinem Vater befreundeten Kardinal trat er 1904 in den Dienst des Heiligen Stuhls. Im April 1917 wurde er zum Nuntius in München berufen. Nach dem Zusammenbruch der Monarchie wurde er im Jahr 1920 zusätzlich erster päpstlichen Botschafter beim Deutschen Reich; 1925 siedelte er endgültig nach Berlin über. Ende 1929 wurde er zurück nach Rom beordert, wo er 1930 das Amt des Staatssekretärs antrat.
Über das angebliche Schweigen des Papstes wird viel gesprochen, über seine verbrieften Äusserungen, sehr viel weniger. Pius XII. verfasste bis zu seinem Tod 1958 40 Enzykliken. Mit seinem Lehrschreiben “Divinu afflante Spiritu” etwa eröffnete er der historisch-kritischen Erforschung der biblischen Texte grösseren Spielraum, die bislang von Rom vielfach unterdrückt worden war. Allerdings wandte er sich 1950 in der Enzyklika “Humani generis” gegen modernisierende Tendenzen in der zeitgenössischen und damals führenden französischen Theologie.
Viele dieser Schreiben sind heute für den Alltag der Gläubigen nicht mehr von unmittelbarer Bedeutung. Bis heute geblieben ist jedoch die Liturgie der Karwoche, die auf eine Reform von Pius XII. in den 1950er Jahren zurückgeht. Bis dahin wurden etwa die Feier der “Osternacht” bereits am Vormittag des Karsamstag gefeiert.
Seligsprechungsverfahren kein historisches Urteil
Im Seligsprechungsverfahren erkannte der Vatikan Pius XII. im Dezember 2009 den sogenannten heroischen Tugendgrad zu. Damit sei kein historisches Urteil gefällt. Es werde lediglich bestätigt, dass dieser Papst die christlichen Tugenden Glaube, Liebe, Hoffnung in einer für seine Zeit vorbildlichen Weise gelebt habe, stellte der Vatikan dazu klar. Das kirchliche Urteil über Pius XII. ist somit endgültig, auch wenn er noch nicht selig- oder heiliggesprochen ist. Das historische Urteil hingegen bleibt vorerst kontrovers.
Vieles spricht dafür, dass eine Seligsprechung Pius’ XII. erst erfolgt, nachdem die Akten des Pontifikats im Vatikanischen Geheimarchiv für die Wissenschaft freigegeben sind. Diesen Schritt hat der Vatikan für dieses Jahr oder 2015 angekündigt. Mit sensationellen Entdeckungen rechnen Fachleute nicht. Der Vatikan könnte dadurch jedoch endgültig den Vorwurf entkräften, er verheimliche etwas.
Der genaue Verlauf der Wahl von Pius XII. am 2. März 1939 wird allerdings auch nach der Öffnung des Geheimarchivs vorerst ein Geheimnis bleiben: Die Unterlagen zum Konklave bleiben prinzipiell gesperrt. Wer sie lesen will, braucht eine Sondergenehmigung.
kath.net-Lesetipp:
Der Papst, der Hitler trotzte.
Die Wahrheit über Pius XII.
Von Michael Hesemann
Gebundene Ausgabe, 255 Seiten; 16-Fototaf.;
Sankt Ulrich Verlag
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Julius Wintermanthel
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