Spätestens seit dem Wochenende keine Entschuldigung mehr

Appeasement-Politik gegenüber Russland wäre für Ukraine tödlich

Stephan BaierDie Tagespost, 3. März 2014, von Stephan Baier

Spätestens seit dem Wochenende gibt es keine Entschuldigung mehr für Politiker oder Kommentatoren, die sich über Wladimir Putin Illusionen machen und – schlimmer noch – Illusionen verbreiten. Der gelernte KGB-Agent und amtierende Kreml-Herrscher regiert im eigenen Haus mit Polizeiknüppel und Willkürjustiz, gegenüber seinen Nachbarn mit wirtschaftlicher Erpressung und roher Gewalt. Am Samstag liess sich der russische Autokrat in Moskau offiziell grünes Licht für den Krieg gegen die Ukraine geben. Da standen russische Truppen bereits auf der Krim. Reden liess Putin in den vergangenen Tagen seine Adlati, Ministerpräsident Medwedew und Aussenminister Lawrow. Er selbst bevorzugt eine Sprache, die einfacher zu verstehen ist: die Sprache der Gewalt.

Wie die roten Tyrannen, als deren Erbe er sich sieht, versteht es Putin, seine Gewaltakte zu inszenieren: Da sind die “besorgten“ russischen Bürger auf der Krim und im Osten der Ukraine, die sich ängstigen über die Machtübernahme der “Faschisten“ in Kiew, da sind willfährige Marionetten, die Moskau um Hilfe rufen, da sind Popen der russischen Orthodoxie, die Putins Truppen segnen. Und da ist schliesslich der korrupte Kleptokrat Wiktor Janukowitsch, der die Niedertracht besitzt, nach allem, was er in seiner Amtszeit verbrochen hat, nun auch noch den Anschluss seiner Heimat an Russland zu legitimieren. Doch dieses ganze Panorama der Inszenierung rechtfertigt keine Illusion mehr: Wladimir Putin hat nichts übrig für das Selbstbestimmungsrecht der Völker, für Rechtsstaatlichkeit, für die Souveränität jener Staaten, die einst zur Sowjetunion gehörten. Putin betrachtet diese Länder als Teile des russischen Machtraums, als Satelliten mit begrenzter Souveränität, als potenzielle Beute. Und nein, es geht dem neuen Zaren auch nicht bloss um die mehrheitlich russisch besiedelte Krim, die 1954 – wie Otto von Habsburg weise sagte – ein “vergiftetes Geschenk an die Ukraine“ war, um Sewastopol als Flottenstützpunkt. Es geht nicht einmal nur um die Kontrolle über das Schwarze Meer. Putin geht es um die Grösse Russlands und seine eigene historische Bedeutung: Beides steht und fällt aus Moskaus Sicht mit der Ukraine. Wie die russisch-orthodoxe Kirche nie aufhörte, die Ukraine als ihr “kanonisches Territorium“ zu betrachten, weil Russland einst von Kiew christianisiert wurde, so pflegt das politische Moskau seinen ukrainischen Traum.

Wladimir Putin war flexibel genug, früheren ukrainischen Regierungen zeitweise eine lange Leine zu lassen – solange die Leine nur hielt. Nun aber hat das ukrainische Volk auf dem “Maidan“ die Leine zerschnitten und eine politische Führung geboren, die es ernst meint mit Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, europäischer Orientierung und staatlicher Souveränität. Weil dies so ist, und weil dies alles der Grund für das militärische Vorgehen Russlands gegen die Ukraine ist, deshalb darf Europa die Ukrainer in dieser Schicksalsstunde nicht im Stich lassen. Zweimal schon hat Putin die Erfahrung gemacht, dass ein schneller, harter Militärschlag sich für ihn lohnt: 1999 gegenüber Tschetschenien und 2008 gegenüber Georgien. Da hat der Westen zwar protestiert, ist dann aber zur Tagesordnung übergegangen. Eine solche westliche Appeasement-Politik gegenüber dem russischen Autokraten wäre für die Ukraine heute tödlich.

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