So gewaltig hat selten jemand mit Tinte gekleckst

Eine Hommage wider Willen für C. S. Lewis durch Screwtape

Quelle
Dienstanweisung
Eine Spur der Verwüstung 

Erneut wurde eine Dienstanweisung für einen Unterteufel in der Oberwelt abgefangen. Eine KATH.NET-Glosse der besonderen Art von Dr. Helmut Müller

Koblenz, kath.net, 22. November 2013

Kurz vor dem 50. Todestag von C. S. Lewis fiel mir abermals eine Dienstanweisung in die Hände, die ein Vatileaks in der Hölle beklagt. C. S. Lewis ist als Enthüller dieses Lecks bekannt. Alle weiteren Quellen, auch evt. Raben bleiben unbekannt.

Mein lieber Wormwood,

am 22. 11. vor 50 Jahren starb C. S. Lewis. In den 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gab es einen riesigen Skandal in meinem Ministerium. Du erinnerst Dich, 31 Briefe von mir an Dich sind in seine Hände geraten und er hatte sie veröffentlicht. Das war Vatileaks in der Hölle, eine Dokumentenflucht, die nie geklärt werden konnte. Er hat sein Geheimnis, wie sie in seinen Besitz kamen, leider mit ins Grab genommen. Bei uns ist er am 22. Nov. 1963 jedenfalls nicht angekommen. Ich hatte damals alle armen Seelen, die vor unserem Höllentor standen, persönlich überprüft. Er war nicht dabei. Das war sein Glück. Er ist offensichtlich vom Feind gerettet worden. Kein Wunder, bei dem Ausmass an Konversionen und Bekehrungen, die auf sein Konto gehen, hatte er die besten Karten, uns zu entwischen. Wenn er hier erschienen wäre, der hätte was zu hören bekommen. Das kannst Du mir glauben. Eigene Untersuchungen, wie die Anweisungen in seine Hände gelangen konnten, verliefen im Sande. Wir können froh sein, dass ich eine so gute Feder führe und sie deshalb nur als literarisches Ereignis gefeiert und nicht als eine Offenlegung unserer Strategie begriffen wurden. Es ist mir noch heute ein Rätsel, wie das passieren konnte, zumal alle Anweisungen bei Dir angekommen sind.

Heute jedenfalls geht es mir wieder um Grundsätzliches. Kluge Geister dieser Elenden haben immer mal wieder unsere Strategie aufgedeckt, wie sie Lewis im letzten Jahrhundert sogar dokumentieren konnte, selbst zu Zeiten als der Allmächtige sich noch nicht angeschickt hatte, im Nazarener Mensch zu werden. Cicero hatte in seinem Pochen auf das Naturrecht schon erkannt, wie wir es zu korrumpieren versuchen. Er sprach vom multitudinis consensus, der verführerischen Zustimmung der Menge und von der voluptas, der Sinnen- und Genusslust, “die Mutter aller Übel ist.” Er schrieb: “Verführt durch ihre Verlockungen, vermögen wir nicht, genügend zu erkennen, was von Natur aus gut ist, weil das nicht dieselbe Annehmlichkeit vermittelt und nicht denselben Reiz ausübt.” C. S. Lewis hat uns mit ähnlichen Ansichten ebenfalls genervt.

Bei der Gelegenheit. Ich habe immer schon dafür plädiert, dass wir ihre grossen Tugendlehrer lesen, ihre Propheten und die wenigen grossen Geister, die diese kleinen Geister dann doch haben. C. S. Lewis war so ein grosser Geist. Wir brauchen dann nur alles umzudrehen. Wir müssen jedenfalls die Kleingeisterei stark machen, z. B. durch multitudinis consensus. Sie sollen im kirchlichen Bereich, wo eigentlich das Prophetische zu Hause ist, über möglichst vieles abstimmen. Sie sollen ihre Bischöfe wählen und ihre Pfarrer. Wer wählt sich schon einen Propheten? Sie wollen in Ruhe gelassen werden. Wer will sich schon Wege zeigen lassen, die niemand gehen will? So ein kleiner Geist fühlt sich wohl in der Masse seinesgleichen. Er schaut nach links und rechts und hebt dann die Hand, wenn es alle tun. In Kommissionen, in Netzwerken, in Vereinigungen, in Zusammenschlüssen, in Sitzungen geht es ihm gut, wenn er nicht aneckt. Mit der Zeit gehen, Zeit gemäss und realistisch sein, sich im Mainstream suhlen, und damit es nicht so platt klingt, sich einreden, es sei kritische Zeitgenossenschaft. Sie dürfen auf gar keinen Fall auf die Idee kommen, zeitgemäss von zeitgerecht zu unterscheiden. Erst recht nicht dürfen sie zu der Auffassung kommen nach letzterer Maxime auch zu handeln. Ich denke da etwa an die Propheten Israels, allen voran Jeremia, der regelrecht darunter litt, unrealistisch sein zu müssen und nicht Zeit gemäss sein zu dürfen. Chesterton, C. S. Lewis, Tolkien, Robert Hugh Benson, die Inklings, diese widerwärtigen Tintenkleckser, wie sie sich nannten, waren darin geniale Nachfolger der Propheten. Sie haben den Nerv und den Ton der Zeit getroffen und die richtige Ansage gemacht. Die haben eine Menge Schaden angerichtet.

Aktuell heisst das also: Wenn dann jemand prophetisch wirkt, wie der jetzige Papst, dann sollen sie ihn meinetwegen bewundern, dass er so eine Lichtgestalt ist. Schau, dass du das Prophetische ein wenig verdrehen kannst, etwa: Das Prophetische besteht darin, dass wir jetzt alles selber machen, der eigenen Vernunft folgen und keiner anderen. Und wenn schon einer anderen, dann darf das Ergebnis nur mit Beteiligung der eigenen entstanden sein. Sich nur ja nichts vorgeben lassen. Kein Credo Ernst nehmen, das man nicht selbst gemacht hat. Der Fragenkatalog aus Rom an die Bischofskonferenzen sollte als Abstimmung über den Glauben verstanden werden, nicht als Bestandsaufnahme der Defizite desselben. Auf keinen Fall darf es zu einer Vertiefung des kirchlichen Glaubens kommen. Wenn da im Fragebogen ein paar Mal Naturrecht vorkommt, sollten Worte fallen wie unpräzis, zeitbedingt, katholisches Sondergut, abgehalftert, die neue Vielfalt nicht widerspiegelnd u. ä..

Das, was C.S. Lewis damals leider aufgedeckt hat, gilt natürlich weiter: “Nütze ihren Abscheu vor immer denselben alten Dingen aus“. Alles Neue ist gut, alles Alte ist schlecht. Mit der Zeit gehen ist immer richtig. Dann gehört man zur Avantgarde. In der Zukunft liegt eine schöne neue Welt. Allerdings ist wieder von Apokalypse die Rede. Ich meine nicht die Lesungen des zu Ende gehenden Kirchenjahres. Auch C. S. Lewis hat das kommende Ende immer präsent gehalten und er ist während ihres liturgischen Gedenkens gestorben. Schau, dass niemand den wiederkommenden Christus erwartet. Zieh es in Lächerliche. Vergleiche seine Wiederkunft mit Guido Cantz bei Verstehen Sie Spass. Bevor der erscheint ist alles ärgerlich und merkwürdig. Und wenn er dann kommt, lacht alles und die Merkwürdigkeiten und Ungereimtheiten klären sich auf.

Wenn dieses Gerede über Apokalypse schon nicht verstummt, dann suggeriere, es hätte nur mit Klimakatastrophe zu tun, fände nicht hier und noch nicht jetzt statt. Bestärke sie darin, dass das mit ihrem Tun und Denken rein gar nichts zu tun hat. Apokalypse ist schlimmstenfalls eine Natur- oder ferne Technikkatastrophe, auf keinen Fall aber eine Kulturkatastrophe. Sie hat auch nichts mit Kindererziehung zu tun, die gedeihen eh in der Krippe bei professionellen Erziehern besser. Da ist die Kleingeisterei vorprogrammiert. Kein grosser Geist wächst mehr aufgrund einer entsagungsreichen Liebe, wie Mutter Teresa oder Johannes Don Bosco, heran. Sie dürfen Liebe nur noch im Schichtbetrieb kennen lernen. Sie muss mit der Stechuhr, dem Urlaubs- oder Krankenschein enden. Und abends vielleicht mit einer vorher im Büro genervten Mutter und einem nicht besser gelaunten Vater in eine weitere Krise kommen. Mutterliebe sollte, wenn es irgendwie geht, nur noch im Märchen vorkommen. Menschsein gehört abgeschafft. Wir fangen bei der frühen Kindheit an. Das beginnt schon die Zukunft. Die sollen den Ernst des Lebens schon morgens um 7 spüren und dann den ganzen Tag lang. Wir haben es hingekriegt, dass neben der immer schon bezahlbaren erotischen Liebe, jetzt auch Liebe für Kinder durch die Krippe bezahlbar wird. Auf diese Entwicklung hatte leider auch schon C. S. Lewis in seiner Abschaffung des Menschen hin gewiesen. Das war ein wirklich grosser Geist, weil er durch seine Erzählungen und Geschichten auch kleine Geister beeindrucken konnte. Hoffentlich kommt dieses hochschädliche Lebenswerk anlässlich seines 50. Todestages nicht zu oft zur Sprache. Dieser elende Tintenkleckser. Hätte er doch nur mit seinem Tintenfass nach uns geworfen, statt gegen uns zu schreiben. Dann wäre es halt bloss ein Tintenklecks geblieben.

Dein dich liebender Oheim

Screwtape

Dr. Helmut Müller ist Akademischer Oberrat am Institut für Katholische Theologie der Universität Koblenz

Diese Glosse basiert auf dem Buch “Dienstanweisung an einen Unterteufel”, die “Dienstanweisungen sowie weitere Bücher von C.S. Lewis können im kathShop bestellt werden.

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