“Elemente aus Hollywood-Filmen”

Der Vatikan hat davor gewarnt, in der Ehepastoral Sonderwege zu gehen

Guido Horst Vatikan: Gerichtshöfe
Menschendiener – Gottesdiener

Der Kirchenrichter Markus Graulich SDB erläutert, warum der Freiburger Vorstoss zur Kommunionzulassung wiederverheirateter Geschiedener verhängnisvolle Folgen für die pastorale Praxis haben wird.

Vatikan, Die Tagespost, 18. Oktober 2013, von Guido Horst

Der Vatikan hat davor gewarnt, in der Ehepastoral Sonderwege zu gehen, und deswegen die Veröffentlichung der Freiburger Handreichung zum Umgang mit den wiederverheirateten Geschiedenen kritisiert (DT vom 10. Oktober).

In dem folgenden Interview erläutert Prälat Markus Graulich nochmals die Gründe hierfür. Der Kirchenrechtler ist Richter am Vatikangericht der “Rota Romana”, welches auch für Eheangelegenheiten zuständig ist. Als Professor für Kirchenrecht lehrt Graulich an der römischen Universität seines Ordens, der Salesianer Don Boscos, und ist Konsultor des Generalsekretariats der römischen Bischofssynode.

Das Erzbistum Freiburg hat für Verwirrung gesorgt: Wenn der Apostolische Administrator, Erzbischof Robert Zollitsch, am 8. Oktober den deutschen Bischöfen schreibt, dass es sich bei der Handreichung seines Seelsorgeamts zur Begleitung von Menschen in Trennung, Scheidung oder nach einer zivilen Wiederverheiratung um eine “nicht finale” Fassung handelt, nur um einen “vorläufigen Impuls”, den er in die Debatte der Bischofskonferenz über dieses Thema einbringen will, kann dann ein Pfarrer in der Erzdiözese Freiburg mit dieser Handreichung arbeiten?

Theoretisch könnte er das nicht. In der Praxis gehe ich davon aus, dass er das tun wird. Erzbischof Zollitsch hat ja die Handreichung nicht zurückgenommen, sondern er hat sie relativiert.

Er hat gesagt:
a) ohne mein Wissen,
b) das ist ein Entwurf als Diskussionsvorlage für die Beratungen in der Dekanekonferenz und in der Vollversammlung des Diözesanpastoralrats. Es sind legitime Vorgehensweisen, dass man Arbeitspapiere diskutiert. Aber da es jetzt als Handreichung veröffentlicht wurde und innerhalb dieser Handreichung auch ein Segensritus für wiederverheiratete Geschiedene vorgesehen ist mit dieser Kerzenübergabe und Elementen aus Hollywood-Filmen, werden die Pfarrer das anwenden – und sie werden sich am Ende auf ihr eigenes Gewissen berufen.

Erzbischof Zollitsch hat Ende April dieses Jahres zum Abschluss der Diözesanversammlung in Freiburg erklärt, dass er in der Frage des Umgangs mit den wiederverheirateten Geschiedenen den Diözesanfamilienseelsorger und den Domdechanten beauftragt hat, eine Handreichung zu erarbeiten. Die Nichtzulassung von Wiederverheirateten zur Kommunion ist eine Frage des universalen Rechts der Kirche. Dann gibt man für eine Diözese eine Handreichung als pastorales Instrument in Auftrag. Haben diese pastoralen Handreichungen einen genau definierten kirchenrechtlichen Stellenwert?

Nein, das haben die nicht. Es gibt verschiedene Handreichungen, die zur Anwendung des Kirchenrechts dienen. Da sind die sogenannten Instruktionen. Sie kennen zum Beispiel die berühmte Instruktion von 1997 über die Mitarbeit der Laien am Dienst der Priester, die von gleich mehreren römischen Dikasterien herausgegeben wurde. Solche Instruktionen sollen dem Rechtsanwender helfen, mit dem Recht richtig umzugehen. Die letzte war die Instruktion “Dignitas connubii” zur Anwendung des Eheprozessrechts von 2005. Es gibt also vom Recht vorgesehene Handreichungen, die aber vom Gesetzgeber erlassen werden, also in letzterem Fall vom Papst oder von einem der römischen Dikasterien, das vom Papst dazu beauftragt wird. Auf der Ebene der Diözese kann der Bischof als diözesaner Gesetzgeber natürlich auch zu seinen Diözesangesetzen Handreichungen erlassen. Es gibt schliesslich bestimmte Dinge, die werden auf der Ebene der Diözese geregelt. Die Frage ist, wie steht es mit Handreichungen zu einem universalen Gesetz. Ich nehme ein Beispiel aus dem gleichen Umfeld, der Ehe. Das Kirchenrecht, das heisst der Codex sagt, es müsse eine entsprechende Vorbereitung auf die Ehe stattfinden. Natürlich sagt es nicht, ich erlasse jetzt eine Regelung und die gilt für Sydney, Freiburg und Lima. Denn die verschiedenen Gegebenheiten sind zu unterschiedlich, die Traditionen, die sich um die Ehe ranken, sind zu verschieden. Man muss sie aber berücksichtigen, wenn es um Ehe geht, um das Recht gescheit anzuwenden. Dann ist klar, dass der Bischof das universale Recht auf seine Diözese hin nochmals durchbuchstabieren muss. Es gibt andere universalkirchliche Regelungen, die sind einfach klar, und da muss dann ein Bischof nicht anfangen, um diese herumzuschiffen, indem er pastorale Anweisungen erarbeiten lässt – von wem auch immer und mit oder ohne sein Wissen. Es gibt also bestimmte Vorschriften des Codex, um die man nicht herumschiffen kann.

Kann man um die Nichtzulassung von wiederverheiraten Geschiedenen zur Kommunion herumschiffen?

Nein, die kann man nicht umschiffen. Es steht im Codex nirgendwo geschrieben, dass wiederverheiratete Geschiedene nicht zur Kommunion gehen dürfen. Sondern man bezieht sich immer auf Canon 915, der besagt, dass derjenige, der offensichtlich in einer schweren Sünde lebt und in ihr verharrt, nicht zur Kommunion zugelassen werden darf. Das haben die Päpste seit Johannes Paul II. immer auch auf die wiederverheirateten Geschiedenen bezogen, indem sie sagen, dass diese in einer zweiten, kirchenrechtlich nicht gültigen Ehe leben, sie befinden sich objektiv in einem Status, der dem Willen Gottes widerspricht, der Sünde ist, wie immer man das ausdrücken möchte. Und sie könnten somit nicht zur Kommunion gehen, solange ihre Situation nicht geklärt und die erste Ehe für ungültig oder für nichtig erklärt wurde.

Anders als Erzbischof Zollitsch sagt aber sein Sprecher, dass die Freiburger Handreichung nicht nur “klar und eindeutig auf dem geltenden Kirchenrecht” basiere, sondern dass der Auftrag für dieses Papier aus der Diözesanversammlung gekommen sei. Was ist das für eine Situation? Eine Diözesanversammlung gibt einen Auftrag, den erledigen dann ein Seelsorgeamtsleiter und ein Domdechant, der Bischof nennt das einen guten Impuls für die Debatte in der Bischofskonferenz – aber vor Ort ändert sich die pastorale Praxis. Ist das jetzt basisdemokratischer Selbstvollzug innerhalb der Kirche?

Der Bischof hat ja irgendwie mitgemacht – wie auch immer. Natürlich ist es nicht die Aufgabe einer Diözesanversammlung, Dinge am Rande des Rechts und neben dem geltenden Kirchenrecht zu machen. Ich denke, die Anweisungen aus Rom zum Kommunionempfang wiederverheirateter Geschiedener sind ganz klar, zuletzt wiederholt in dem nachsynodalen Schreiben “Sacramentum Caritatis” von Papst Benedikt XVI. aus dem Jahr 2007, wo es heisst, dass man dazu im Augenblick keine andere Regelung finden kann. Ich würde es für einen legitimen Schritt halten, auch in Bezug auf das, was Papst Franziskus derzeit einfordert an Barmherzigkeit und an neuem Umgang mit dieser Personengruppe, dass man sich auf Ebene einer Bischofskonferenz damit beschäftigt. Das ist legitim. Dann kann man eine Eingabe nach Rom machen und entsprechende Vorschläge unterbreiten, wie es zum Beispiel auch die Würzburger Synode in verschiedenen Fällen gemacht hat. Zu glauben, das dürfe auch eine Diözesanversammlung machen, ist zu kleinschnittig gedacht.

Auch die deutschsprachigen Offiziale befassen sich mit den wiederverheirateten Geschiedenen. Das sind aber Juristen, und bei dem Kommunionempfang geht es um eine pastorale Frage. Was können Kirchenrichter – also Offiziale – pastoral “bewirken”?

Die können insofern etwas machen, als eine der Fragen in Hinblick auf die wiederverheirateten Geschiedenen darin besteht, dass wir prüfen müssen, ob die erste Ehe überhaupt gültig zustande gekommen ist und ob wir die Leute zu einer neuen Ehe zulassen können, weil die erste kirchenrechtlich nichtig war. Das geschieht im Sinne einer Pastoral, denn das Richteramt in der Kirche hat auch eine pastorale Bedeutung. Ich stelle mir manchmal die Frage, ob das Instrument des Ehenichtigkeitsverfahrens genügend bekannt ist. Wir als kirchliche Richter müssen uns also fragen, wie wir die Pfarrer vor Ort dazu bekommen, Betroffenen den Weg der Prüfung einer Ehenichtigkeit vorzuschlagen. Von daher kann das schon eine Frage sein, die auch Offiziale beschäftigt.

Auch ist die Rede davon, dass schon Johannes Paul II. in der Enzyklika “Familiaris consortio” gefordert hat, die unterschiedlichen Lebenslagen wiederverheirateter Geschiedener in den Blick zu nehmen – das könne ein Weg sein, im Einzelfall auch diesen den Zugang zu den Sakramenten zu ermöglichen. Ist denn die Freiburger Handreichung eine Fortschreibung von “Familiaris consortio”?

Das würde ich jetzt nicht so sehen, denn “Familiaris consortio” ist ja sehr eindeutig, was den Kommunionempfang von wiederverheirateten Geschiedenen angeht. Etwas pastoral in den Blick zu nehmen, hat nicht unbedingt etwas mit dem Kommunionempfang zu tun. Das heisst zum Beispiel auch, in einer Gemeinde dafür zu sorgen, dass zivil Wiederverheiratete nicht ausgegrenzt werden, dass sie nicht, wenn sie zur Messe kommen, mit der Frage konfrontiert werden: “Was machst Du denn hier?” Sie sind weiterhin Mitglieder der Gemeinde, sie sind weiterhin getauft, sie haben weiterhin die Pflicht, sonntags zur Messe zu gehen. Sie dürfen eben nicht am Kommunionempfang teilnehmen. Die pastoralen Fragen gehen somit weit über dem Kommunionempfang hinaus.

Erzbischof Zollitsch argumentiert, dass gerade die jüngsten Äusserungen von Papst Franziskus als Ermutigung verstanden werden dürfen, im Umgang mit den Wiederverheirateten weiterzudenken. Das mischt sich dann mit Stimmen, die sagen, dass in die Seelsorge eine “Kultur der Barmherzigkeit” einziehen müsse, wobei dann kirchenrechtliche Fragen nicht weiter stören sollten. Was denn nun: Kirchenrecht oder Barmherzigkeit?

Ich denke, dass das Kirchenrecht weder der Pastoral noch der Barmherzigkeit widerspricht, sondern oft die einzige Möglichkeit ist, wirklich konkret mit den Menschen umzugehen. Es hat ja keiner etwas davon, wenn ich ihm sage: “Ach Du armer Kerl, dann komm doch mal.” Denn der Betreffende weiss ja im Gewissen, dass das eigentlich nicht richtig ist. Wir müssen mit Hilfe des Kirchenrechts versuchen, die Menschen so zu begleiten, dass sie entweder wieder zur Kommunion gehen können, indem die Nichtigkeit der ersten Ehe festgestellt wird, oder aber mit ihrer Situation umzugehen und andere Wege aufzuzeigen, wie man katholisch sein und bleiben kann, auch wenn man vom Kommunionempfang ausgeschlossen ist. Menschen in ihrem Scheitern ernst zu nehmen, heisst für mich auch, ihnen das Scheitern nicht auszureden, sondern ihnen zu helfen, wirklich mit dieser Wunde zu leben. Da gibt es noch viele Möglichkeiten der Pastoral. Im Verhältnis von Pastoral und Kirchenrecht zitiere ich immer eine Erfahrung: Ich habe an einer deutschen Universität im Rahmen einer Lehrstuhlvertretung eine Vorlesung zum Sakramentenrecht gehalten und habe beim Kommentar der einzelnen Canones bestimmte praktische Dinge der Seelsorge einfliessen lassen. Und am Ende haben mir die Studenten gesagt, sie hätten in der einen Vorlesung über das Sakramentenrecht mehr pastorale Anregungen erhalten als in einem ganzen Jahr Pastoraltheologie. Also so stark ist der Gegensatz gar nicht.

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