Arme Kirche

Manches an den ersten Auftritten von Franziskus irritiert uns

Er setzt sich über viele Sitten und Erwartungen, die einen neuen Papst betreffen, hinweg – Ein Gastkommentar von Bastian Volkamer

Düsseldorf, kath.net/Echo Romeo, 18. März 2013

Wir tragen viel von Benedikt im Herzen. Wir haben es geliebt, wie er sich demütig in sein Amt einfügte. Er mag als Privatmann weder übermässige Zurschaustellung seiner Person noch Pomp, doch beides nahm er mit seinem Amt auf sich. Mehr noch: er füllte all die Zeichen, die es in der Liturgie und im Protokoll des Vatikans gibt, derart mit Leben, dass man zu begreifen begann, wie grossartig sie sind und welche Tiefe und Weisheit in ihnen steckt. Er erweiterte die Liturgie um den Alten Ritus. Er öffnete die grosse Kammer kirchlicher Schätze und holte, ganz biblisch, Altes und Neues daraus hervor. Benedikt machte die Kirche gross und reich.

Manches an den ersten Auftritten von Franziskus hingegen irritiert uns. Er betritt den Balkon nur in Weiss. Er setzt sich über viele Sitten und Erwartungen, die einen neuen Papst betreffen, hinweg. Er verwendet in seiner ersten Messe einen einfachen Volksaltar. Es kommt bei vielen nicht nur demütig und einfach, sondern fast schon wie eine Missachtung des Amtes an. Wie eine Geringschätzung dessen, was Benedikt erreichte.

Es wäre falsch, diese Irritation einfach als Engstirnigkeit oder geistliche Unbeweglichkeit abzutun. Wenn wir Benedikt ernst nehmen – und das tun wir! – ist es klar, dass wir Dinge vermissen, deren Wichtigkeit uns gerade durch seine Anleitung in den letzten Jahren immer klarer geworden ist. Kommt jetzt der Bruch?

Nein, es kommt kein Bruch. Was hier kommt, ist die Betonung eines Aspektes, den Benedikt längst eingeführt hat, der aber viel zu wenig in unser Bewusstsein gedrungen ist. Als Benedikt von Entweltlichung sprach, war das erste, was unsere Kirche in Deutschland klarstellte: dabei gehe es nicht um die Kirchensteuer, nicht ums Geld! Unser Wohlstand bleibe unangezweifelt. Es gehe eher um abstrakte Dinge wie eine innere Haltung oder geistliche Prioritäten. Die Perspektive materieller Armut der Kirche wurde zum Luxusgut, meditiert auf dem Berggipfel eines sicheren Steueraufkommens. Selten wurde eine praktische Aufforderung derart schnell in eine Theorie verwandelt. Selten sind einem Tiger derart schnell seine Zähne gezogen worden.

Wir sitzen am Fernseher oder Computerbildschirm und machen uns Gedanken. Das Prinzip geistlicher Armut haben wir oft diskutiert. Über Hartz IV und den Niedriglohnsektor auch – uns ist klar, dass hier Handlungsbedarf besteht.
Papst Franziskus jedoch kommt aus Argentinien, wo er lange Jahre Bischof war und täglich Dinge erlebte, sah und hörte, die es bei uns auch im Zeitalter von Hartz IV (fast) nicht gibt: wirkliche, lebensbedrohende Armut. Man sagt ihm ein grosses Herz für die Notleidenden nach. “Ich möchte eine arme Kirche und eine Kirche für die Armen” verkündet er bei seinem ersten Treffen mit den Medienvertretern, also genau vor dem Publikum, das für eine Verbreitung dieser Aussage Sorge tragen wird. Es ist ihm ernst. Es ist ihm so ernst, dass er es vorzieht, diesem Aspekt herauszustellen, als sich sofort in das Amt einzufügen, wie man es von ihm erwartet. In päpstlicher Vollmacht hat er dem Entweltlichungstiger als erstes neue Zähne verliehen – mehr und schärfere als er jemals hatte. Und die werden manches bei uns beissen, was uns lieb geworden ist.

Es geht nun nicht darum, dass wir ab jetzt die Freude an einer feierlichen Messe gering schätzen oder den kirchlichen liturgischen Reichtum für unwichtig halten sollen. Papst Franziskus möchte auf dem Glauben und der Freude daran aufbauen, die seit Benedikt auch daher kommt, dass wir unsere katholische Fülle kennen und schätzen. Es geht nicht darum, wichtige Dinge zu vermissen, sondern darum, andere wichtige Dinge zu lernen. Letztlich geht es um die Umsetzung dessen, was Benedikt lehrte.

Der neue Papst hat der europäischen Kirche ein grosses Geschenk mitgebracht, das sie dringend braucht: die Armut.

Bastian Volkamer führt gemeinsam mit Peter Esser den Blog Echo Romeo

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