“Ertragt einander in Liebe”

Eindringlicher Appell an die Piusbrüder, zur Einheit mit Rom zurückzukehren

Rom, Die Tagespost, 23.01.2013, von Guido Horst

Der Vatikan hält die Türen für die Priesterbruderschaft St. Pius X. weiterhin offen. Das geht aus einem Brief hervor, den der Vizepräsident der für die Traditionalisten und Piusbrüder zuständigen Kommission “Ecclesia Dei”, Erzbischof Augustine Di Noia, im vergangenen Advent an den Generaloberen Bernard Fellay und die “lieben Brüder im Priesteramt” der Bruderschaft geschrieben hat. Präsident der Kommission “Ecclesia Dei” ist der Präfekt der Glaubenskongregation, Erzbischof Gerhard Ludwig Müller. Bei dem Schreiben handelt es sich nicht um eine offizielle Erklärung des Vatikans, sondern um eine persönliche Initiative Di Noias. Beobachter gehen davon aus, dass diese Initiative jedoch mit dem Papst abgesprochen ist. Diese Woche wurde der Brief in einer französischen und englischen Version bekannt.

Der Erzbischof verschweigt zu Beginn nicht die Schwierigkeiten, die die Aussöhnung der Piusbrüder mit Rom blockieren: Eine Überprüfung “der Geschichte unserer Beziehungen seit den siebziger Jahren” führe zu der “ernüchternden Feststellung, dass unsere Meinungsverschiedenheiten im Hinblick auf das Zweite Vatikanische Konzil unverändert weiter bestehen”. Mit lehramtlicher Autorität habe der Heilige Stuhl beständig erklärt, dass die Konzilsdokumente im Licht der Tradition und des Lehramts ausgelegt werden müssen und nicht umgekehrt, während die Bruderschaft darauf beharre, gewisse Lehren des Konzils seien fehlerhaft und könnten daher nicht im Einklang mit der Tradition und dem Lehramt ausgelegt werden. “Im Laufe der Jahre hat sich diese Position kaum verändert”, so Di Noia. “Drei Jahre lehramtlicher Gespräche, die gerade zu Ende gegangen sind, haben – wenngleich sie einen fruchtbaren Austausch von Ansichten über verschiedene Fragen ermöglichten – diese Situation nicht grundsätzlich verändert.”

Di Noia erinnert auch daran, dass einige Äusserungen von führenden Mitgliedern der Bruderschaft direkt gegen den Papst gerichtet waren. Früher oder später müsse der Vatikan dazu Stellung nehmen. Der Erzbischof nennt insbesondere “Interviews des Distriktoberen in Deutschland und ehemaligen Ordensoberen der Bruderschaft (18. September 2012) und des ersten Assistenten der Bruderschaft (16. Oktober 2012) sowie eine vor kurzem gehaltene Predigt des Generaloberen (1. November 2012)”. Ton und Inhalt dieser Erklärungen hätten “Unsicherheit über die Ernsthaftigkeit und überhaupt die Möglichkeit eines aufrichtigen Gesprächs zwischen uns” hervorgerufen. Während der Heilige Stuhl geduldig auf eine offizielle Antwort der Bruderschaft auf die vatikanische Erklärung vom 28. Oktober 2012 warte, “bedienen sich einige ihrer Oberen in nicht offiziellen Mitteilungen einer Sprache, die für jedermann die Massnahmen – die vermeintlich noch untersucht werden – zurückzuweisen scheint, welche für die Versöhnung und für die rechtliche Anerkennung der Bruderschaft innerhalb der katholischen Kirche erforderlich sind”.

Nach dieser kurzen und ernüchternden Bilanz folgt in dem Brief jedoch ein wesentlich längerer und eindringlicher Aufruf an die Piusbrüder, die Einheit der Kirche zu wahren und die Spannungen zu überwinden, die zwischen Rom und der Bruderschaft bestehen. Unter Berufung auf den heiligen Paulus – “Seid demütig, friedfertig und geduldig, ertragt einander in Liebe und bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch den Frieden, der euch zusammenhält” –, den Kirchenvater Augustinus und Thomas von Aquin beschwört Di Noia den Wert der innerkirchlichen Einheit als eine Gnade Gottes, die man nicht zurückweisen dürfe. Und auch für die Piusbruderschaft gebe es einen Platz in der Kirche. Was sei in der derzeitigen Situation von der Priesterbruderschaft gefordert, fragt der Erzbischof und gibt die Antwort: “Nicht, vom Eifer Eures Gründers Erzbischof Lefebvre abzulassen. Ganz im Gegenteil! Ihr seid vielmehr aufgefordert, die Flamme seines glühenden Eifers zu erneuern, Männer zum Priestertum Jesu Christi auszubilden.” Dafür sei es aber an der Zeit, “auf die scharfe und kontraproduktive Ausdrucksweise zu verzichten, die sich in den vergangenen Jahren entwickelt hat”. Das ursprüngliche Charisma, das Erzbischof Lefebvre anvertraut gewesen sei, müsse zurückgewonnen werden, “das Charisma der Ausbildung von Priestern in der Fülle der katholischen Tradition, um ein Apostolat bei den Gläubigen durchführen zu können, das dieser priesterlichen Ausbildung entspringt. Dieses Charisma hat die Kirche erkannt, als die Priesterbruderschaft Pius X. 1970 anerkannt wurde”.

Di Noia erklärt, es sei ein Fehler gewesen, “jeden schwierigen Punkt in der theologischen Auslegung des Zweiten Vatikanums zum Inhalt öffentlicher Kontroversen zu machen”, und kommt zu dem Schluss, dass “die einzig vorstellbare Zukunft für die Priesterbruderschaft” in der vollen Gemeinschaft mit dem Heiligen Stuhl bestehe, “in der Annahme eines uneingeschränkten Bekenntnisses des Glaubens in seiner Fülle und so mit einem richtig geordneten kirchlichen, sakramentalen und pastoralen Leben”.

Damit bekräftigt die für die Piusbrüder zuständige Kommission des Vatikans, dass Rom nach wie vor auf die Aussöhnung mit den Piusbrüdern drängt und der Papst diesen weiterhin entgegenkommen möchte. Von einer Antwort der Bruderschaft auf das Schreiben Di Noias ist bisher nichts bekannt.

Lob für Priesterausbildung im Seminar Wallis

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