Die in die himmlische Herrlichkeit Aufgenommene

Nichts von dem, was uns kostbar und teuer ist, wird vergehen, sondern es wird Fülle in Gott finden

Mit dem Papst durch den Marienmonat Mai

Auf kath.net jeden Tag eine Betrachtung zur Gottesmutter aus dem Lehramt Benedikts XVI. zu Maria. Von Armin Schwibach

Rom, kath.net, 24. Mai 2012

Der Glaube ist also die Grösse Mariens, wie Elisabet voller Freude ausruft: Maria ist “gesegnet unter den Frauen”, “gesegnet ist die Frucht ihres Leibes”, da sie “die Mutter des Herrn” ist, da sie glaubt und auf einzigartige Weise die “erste” der Seligkeiten lebt, die Seligkeit des Glaubens. Elisabet bekennt es in ihrer Freude und in der des Kindes, das in ihrem Leib hüpft: “Selig ist die, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen liess” (V. 45). Liebe Freunde, beschränken wir uns nicht darauf, Maria in ihrer Bestimmung zur Herrlichkeit als einen Menschen zu bewundern, der weit weg von uns ist: Nein!

Wir sind dazu aufgerufen, auf das zu blicken, was der Herr in seiner Liebe auch für uns gewollt hat, für unsere endgültige Bestimmung: durch den Glauben mit ihm in der vollkommenen Gemeinschaft der Liebe zu leben und so wahrhaft zu leben.

Diesbezüglich möchte ich bei einem Aspekt der dogmatischen Erklärung verweilen, wo von der Aufnahme in die himmlische Herrlichkeit die Rede ist. Wir alle sind uns heute bewusst, dass wir uns mit dem Begriff “Himmel” nicht auf irgendeinen Ort im Universum beziehen, auf einen Stern oder ähnliches: Nein. Wir beziehen uns auf etwas, das viel grösser und schwer mit unseren begrenzten menschlichen Begriffen zu bestimmen ist. Mit diesem Begriff des “Himmels” wollen wir sagen, dass uns Gott, der Gott, der uns nahe geworden ist, nicht einmal im Tod und jenseits des Todes verlässt, sondern einen Platz für uns hat und uns die Ewigkeit schenkt; wir wollen sagen, dass es in Gott einen Platz für uns gibt. Um diese Wirklichkeit ein wenig besser zu verstehen, wollen wir auf unser Leben blicken: Wir alle machen die Erfahrung, dass ein Mensch, wenn er gestorben ist, in einer bestimmten Weise in der Erinnerung und im Herzen derer weiterlebt, die ihn gekannt und geliebt haben.

Wir könnten sagen, dass in ihnen ein Teil dieser Person weiterlebt, doch sie ist wie ein “Schatten”, da auch dieses Weiterleben im Herzen der Lieben dazu bestimmt ist, zu einem Ende zu kommen. Gott hingegen vergeht nie, und wir alle existieren kraft seiner Liebe. Wir existieren, weil er uns liebt, weil er uns gedacht und ins Leben gerufen hat. Wir existieren in den Gedanken und in der Liebe Gottes. Wir existieren in unserer gesamten Wirklichkeit, nicht nur als unser “Schatten”. Unsere Zuversicht, unsere Hoffnung, unser Friede gründen gerade darin, dass in Gott, in seinem Gedanken und in seiner Liebe, nicht nur ein “Schatten” unserer selbst überlebt, sondern in ihm, in seiner Schöpferliebe werden wir behütet und mit unserem ganzen Leben, mit unserem ganzen Sein in die Ewigkeit eingeführt.

Es ist seine Liebe, die über den Tod siegt und uns die Ewigkeit schenkt, und es ist diese Liebe, die wir “Himmel” nennen: Gott ist so gross, dass er auch für uns Platz hat. Und der Mensch Jesus, der gleichzeitig Gott ist, ist für uns die Gewährleistung dessen, dass Mensch-Sein und Gott-Sein auf ewig miteinander existieren und leben können. Das will heissen, dass von einem jeden von uns nicht nur ein Teil fortbestehen wird, der uns sozusagen entrissen worden ist, während andere Teile vergehen; es will vielmehr besagen, dass Gott den ganzen Menschen, der wir sind, kennt und liebt. Und Gott nimmt in seine Ewigkeit das auf, was jetzt, in unserem Leben, das aus Leiden und Liebe, aus Hoffnung, Freude und Traurigkeit besteht, wächst und ins Sein kommt. Der ganze Mensch, sein ganzes Leben wird von Gott genommen und empfängt – in ihm gereinigt – die Ewigkeit.

Liebe Freunde, ich denke, dass dies eine Wahrheit ist, die uns mit tiefer Freude erfüllen muss. Das Christentum verkündet nicht nur irgendein Heil der Seele in einem nicht weiter bestimmten Jenseits, in dem alles, was in dieser Welt kostbar und teuer gewesen ist, ausgelöscht werden würde, sondern es verheisst das ewige Leben, “das Leben der kommenden Welt”: Nichts von dem, was uns kostbar und teuer ist, wird vergehen, sondern es wird Fülle in Gott finden. Alle Haare auf unserem Kopf sind gezählt, sagte Jesus eines Tages (vgl. Mt 10,30).

Die endgültige Welt wird auch die Vollendung dieser Erde sein, wie der hl. Paulus sagt: “Auch die Schöpfung soll von der Sklaverei und Verlorenheit befreit werden zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes” (Röm 8,21). So ist zu verstehen, wie das Christentum eine starke Hoffnung auf eine lichtvolle Zukunft schenkt und einen Weg zur Verwirklichung dieser Zukunft auftut. Gerade als Christen sind wir dazu berufen, diese neue Welt zu errichten, zu arbeiten, damit sie eines Tages die “Welt Gottes” werde, eine Welt, die über all das hinausgehen wird, was wir errichten könnten. In der in den Himmel aufgenommenen Jungfrau Maria, die gänzlich der Auferstehung des Sohnes teilhaftig ist, betrachten wir die Verwirklichung des menschlichen Geschöpfes nach der “Welt Gottes”.

Predigt, 15. August 2010

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