Warnung vor “Umwandlung des Vaterlands in eine atheistische Gesellschaft”

Nationalheilige “Barmherzige Jungfrau von Cobre” feiert 400. Jubiläum

Stolz rollt Andres Pezez sein Plakat auf der Strasse auf. Es zeigt Jesus Christus. Wer Interesse an der Botschaft zeigt, den besucht der kahlköpfige Mann gern in seinem Haus, um mit ihm über Glaubensfragen zu diskutieren. Viele Plakate hängen inzwischen in den Salons der Wohnhäuser. Trotzdem wurde der Mittvierziger lange für seinen Missionierungseifer belächelt, jetzt ist er in seinem Stadtteil ein gefragter Mann. Genau wie Ramon, der lange Zeit im sächsischen Zschopau Motorräder montiert hat. Schliesslich wird noch vor Ostern der Papst Santiago de Cuba besuchen. Da wollen die Santiagueros alles wissen über Religion und den deutschen Papst.

“Quién es el Papa?” und “Quién es Bendicto XVI?” heisst es auf Faltblättern, die die katholische Kirche in Santiago de Cuba verteilt. Hier wird der Papst am 26. März, 14 Uhr, auf dem Flughafen erwartet und von da aus mit dem Papamobil zum Sitz des Erzbischofs fahren. 17.30 Uhr ist ein grossen Freiluftgottesdienst auf dem Platz der Revolution vorgesehen, auf dem sonst die Maiparaden abgehalten werden. Einen Tag später ist ein privater Besuch Benedikt XVI. in der 15 Kilometer von Santiago entfernten Wallfahrtskirche in El Cobre geplant. Eine zweite Heilige Messe hält der Papst am 18. März neun Uhr in Havanna, ebenfalls auf dem Platz der Revolution, und 16 Uhr wird er vom Internationalen Flughafen die Rückreise antreten.

Der Ende vergangenen Jahres angekündige Papstbesuch ist das I-Tüpfelchen einer grossen Nationalmission zur Evangelisierung des Landes. Diese ist dringend nötig, denn in dem einst katholisch geprägten Land gehen nach Angaben der Zeitschrift “Newsweek” nur noch 150 000 Menschen mehr oder weniger regelmässig in katholische Kirchen. 1959, vor dem Sieg der Revolution, bekannten sich dagegen 85 Prozent der elf Millionen Kubaner zum katholischen Glauben.

Den Anlass für den aktuellen Glaubensfrühling bildet die bevorstehende Jubiläumsfeier der Nationalheiligen von Kuba, der Barmherzigen Jungfrau von El Cobre. In nahezu allen Wohnungen ist die in ein gelbes Gewand gekleidete, reich geschmückte schöne schwarze Frau mit goldenem Heiligenschein und einem Jesuskind in den Armen zu finden.

Vor 400 Jahren wurde die Madonnenstatue – wohl auf Betreiben des Gouverneurs Sánchez de Moya aus dem kastillanischen Illescas – nach El Cobre gebracht. Soweit zumindest Recherchen von Historikern. Das Volk berichtet dagegen von drei Salzsuchern, die in stürmischer See in der Bucht von Nipe die Figur im Meer treiben sahen und in ihr Boot nahmen. Schnell sagten die Einwohner von El Cobre der Statue Wunderkräfte nach und die am Rande einer Kupfermine liegende Ansiedlung wurde zum berühmtesten Wallfahrtsort der Insel.

Papst Johannes Paul II. krönte die Jungfrau 1998 und erklärte sie zur “Mutter der Versöhnung” für Kuba. Denn das Gnadenbild wird auch von Christen anderer Konfessionen und von den Anhängern afrokubanischer Religionen verehrt. Von einem “Symbol kubanischer Nationalität und Kultur”, spricht daher Dionisio Garcia Ibánez, Erzbischof von Santiago de Cuba.

Überdies spielt die Heilige in den Befreiungskriegen eine bedeutende Rolle. So feierten die kubanischen Freiheitskämpfer 1898 ihren Sieg über die Spanier mit einem Dankgottesdienst vor der schwarzen Madonnenstatue in El Cobre bei Santiago de Cuba. Seit dem führt sie sogar den Beinamen “La Mambisa”, die Aufständische. In der Castro-Ära waren die traditionell am 8. September, dem Namenstag der Heiligen, stattfindenden Prozessionen vier Jahrzehnte verboten, da sie sich 1960 und 1961 zu Demonstrationen gegen das Regime verwandelt hatten. Damals hatte der Erzbischof von Havanna, Pérez Enrique Serantes, der die Revolution erst begrüsst hatte, angesichts der vielen willkürlichen Hinrichtungen, vor einer “Umwandlung des Vaterlands in eine atheistische Gesellschaft” gewarnt.

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