Selbstmord: Bitte, Herr Bischof, können Sie mir helfen, mein Bruder…

Kann ein Selbstmörder gleich zu Gott kommen oder wird er bestraft?

Ein kath.net-Klartext von Bischof Andreas Laun

Salzburg, kath.net, 15. Februar 2012

Vor kurzem erhielt ich ein Email mit folgender Bitte: “Mein geliebter Bruder hat sich selbst das Leben genommen! Er sprang in seiner Firma aus dem Fenster und war auf der Stelle tot. Mich belastet der Tod meines geliebten Bruders sehr! Da ich einen starken Glauben habe, bete ich jeden Tag zu unserem barmherzigen Gott, dass Er ihm diese Tat verzeihen möge!” Und dann kam die Frage: “Kann ein Selbstmörder gleich zu Gott kommen oder wird er dafür bestraft? Hoffentlich hat er durch diesen Tod seine ersehnte Ruhe gefunden und seinen Frieden gefunden! Er war in seinem Leben ein herzensguter Mensch. Und ich hoffe, dass Gott ihm vergibt! Bitte, Herr Bischof, können Sie mir helfen, wie ich mit dieser Situation besser umzugehen lerne? Ich brauche jemanden, der mir hilft!”

Die Schreiberin wandte sich an mich, weil ich einmal im Fernsehen erzählt hatte, dass auch mein Bruder vor jetzt schon vielen Jahren durch einen Sprung aus dem vierten Stock gestorben ist! Und ich weiss auch noch genau, wo in der Wiener Innenstadt es passiert ist und wie ich bei meinem toten Bruder gestanden bin, bis sein Leichnam abgeholt wurde! Ja, und als Betroffener weiss ich, wie eigenartig anders und andauernder der Schmerz ist, wenn man einen geliebten Menschen “so”, durch Selbstmord, verliert, anders als wenn jemand durch Krankheit oder auf Grund seiner Jahre von uns geht!

Da ich weiss, wie viele Menschen “Betroffene” sind, möchte ich hier, auch über das Internet, der Schwester dieses anderen Mannes antworten: Zuallererst fällt mir immer eine Geschichte vom Pfarrer von Ars ein: Eine Frau kam zu ihm, ihr Mann hatte sich vom Brückengeländer aus in einen Fluss gestürzt und sich so das Leben genommen. Seine Frau fragte den Pfarrer verzweifelt und voll Angst, ob sie annehmen müsse, ihr Mann sei jetzt in der Hölle? Der Heilige tröstete sie: “Ich sah, wie Ihr Mann sich während des Sturzes vom Geländer bis zum Wasser bekehrte und gerettet wurde, haben Sie keine Angst!” Man wird einwenden: Ja, das war eben der Pfarrer von Ars, der so reden konnte, aber Sie, der Bischof Laun, ist nicht der heilige Pfarrer von Ars und überhaupt, was ist mit den vielen, vielen anderen Fälle, die es gibt? Richtig, aber ich kann doch viel, viel Tröstliches sagen: Gott bemüht sich bis zur letzten Sekunde eines Menschenlebens, diesen Menschen zu retten und sei es, in der letzten Sekunde seines Lebens. Sicher ist: Bei jeder Art von Selbstmord will Gott demjenigen, der dazu bereit ist, in letzter Sekunde vergeben und zurufen: “Bald wirst Du bei mir im Paradies sein!”

Als “Grenzfall” kann es natürlich auch Menschen geben, die sich wie der “linke Schächer” am Kreuz verhalten und mit Gott auch jetzt nichts zu tun haben wollen. Bei einem Mann wie Hitler, der sich erschoss, kann man eine solche Weigerung vermuten, letzte Sicherheit haben wir Menschen nicht einmal bei ihm. Gott ist der Richter und nur ER, wir haben keinen Einblick in Seine Urteile, und die Schau des heiligen Pfarrers war eine Ausnahme! Wieder ganz sicher ist aber: Sein Urteil ist gerecht und es ist immer verbunden mit Seiner Barmherzigkeit! Natürlich kann auch ein Bischof nicht das Leben eines Menschen mit letzter Sicherheit werten und sozusagen “Noten für das Leben” verteilen, das “Buch des Lebens”, in dem die Taten der Menschen “aufgeschrieben sind, ist auch für ihn” versiegelt.

Aber ich weiss, dass es mir bei meinem Bruder genauso erging wie der Schreiberin des zitierten Briefes: Ich dachte nach über die guten, die besonders guten Taten meines Bruders und sagte mir: “Das alles ist bei Gott sicher nicht vergessen, und: Niemand von uns “verdient” den Himmel, der Himmel ist immer nur ein Geschenk an einen sündigen Menschen, ein Geschenk, das wir “nur” anzunehmen haben! Jesus wusste auch um die Not meines Bruders und dass er, so bin ich fest überzeugt, mit seiner Tat ihm, auch Seinem Erlöser, nicht ein Nein der Ablehnung entgegen schreien wollte, so war es wohl sicher nicht gemeint! Ist mein Bruder im Fegefeuer? Kann schon sein, vermutlich ja, aber das Fegefeuer ist ja in seinem Wesen viel mehr Gnade als Strafe, eine Gnade, die ihm nur hilft, ganz rein zu werden – den geretteten Selbstmördern ebenso hilft wie wohl fast allen Menschen, wenn sie gestorben sein werden”!

Aber haben wir nicht gelernt, dass jeder Mord und darum auch der Selbstmord eine “Todsünde” ist? Ja, und das Gelernte ist wahr. Aber ebenso haben wir gelernt: Gott allein weiss um den “Einzelfall” Bescheid, und was uns äusserlich gesehen, eine Todsünde zu sein scheint, kann in Wirklichkeit und daher auch im Urteil Gottes etwas ganz Anderes sein! Denn nicht jede “begangene Todsünde” erfüllt alle Bedingungen, die gegeben sein müssen, damit die todsündige Tat auch wirklich Todsünde ist!

Nicht “mit einem Wort”, aber “mit all diesen Worten”: ich kann meiner Briefschreiberin nicht sagen, wie Gott ihren Bruder beurteilt, aber viel Hoffnung kann ich ihr geben, Hoffnung für ihren Bruder und für meinen Bruder und für viele andere Brüder und Schwestern, die sich das Leben genommen haben und noch nehmen werden! Ob “von der Brücke” oder anders, auch hier gilt: Gottes Wege sind nicht unsere Wege, aber Seine Wege sind immer Wege des Heiles, und Er redet jedem Menschen bis zuletzt zu, diese Seine Wege zu gehen, um auf ihnen zu Ihm zu gelangen “mit Ihm im Paradies zu sein2, wenn nicht schon heute, dann eben sehr bald!

StiftungDeutscheDepressionshilfe

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kategorien

Die drei Säulen der röm. kath. Kirche

monstranz maria papst-franziskus

Archiv

Empfehlung

Ausgewählte Artikel